911er als Stromer: Ein Kfz-Meister aus Eller hat ihn gebaut

Dienstagmorgen im Düsseldorfer Stadtteil Eller. Auf der Karl-Geusen-Straße reiht sich ein Auto an das nächste, alle fahren schnell, natürlich, jeder hat ein Ziel. Muss zur Arbeit, die Kinder zur Schule bringen, Einkaufen fahren oder zum Arzt. Zwischen das Brummen der Motoren mischen sich Hupen und Musik aus den Radios. Im Akkord biegen die Wagen ab, entweder zur Tankstelle, zum Café oder in Nebenstraßen. Dass direkt an dieser Hauptstraße die freie Porschewerkstatt von Roland Heidl liegen soll, ist auf den ersten Blick kaum zu glauben.
Und doch stimmt es. Sobald man in den Hof einbiegt, wimmelt es vor Autos, die in vertrauensvolle Hände gegeben werden. 1992 hat sich der 58-Jährige selbstständig gemacht und beschäftigt in seinem Unternehmen zehn Mitarbeiter.
Wenn man die Tür zur Werkstatt aufmacht und das Innere betritt, riecht es merkwürdigerweise so gut wie nach nichts. Nur ein ganz leichter Geruch nach Leder streicht einem um die Nase. Das Auge jedoch hat viel zu verarbeiten: Acht Hebebühnen hat die Werkstatt, insgesamt können Heidl und sein Team an zehn Fahrzeugen arbeiten. „Wir arbeiten ausschließlich an Porsche, von Old- oder Youngtimern bis hin zu den ganz aktuellen Modellen. Ganz selten verirrt sich mal ein anderer Wagen zu uns“, erklärt der Kfz-Meister. Während seine Kollegen schrauben, Öl austauschen, Einzelteile ab- und neue wieder anmontieren, läuft das Radio. Bryan Adams schmettert einen Evergreen ins Mikrofon, sein Gesang mischt sich unter gelegentliches Maschinenkreischen und unter Werkzeugklänge. Im hinteren Teil der Werkstatt riecht es nun doch so wie erwartet – nach Öl, nach Metall, nach Gummi.
Ersatzteile für die Autos finden die Mechaniker im eigenen Lager über der Werkstatt. Das Herz eines jeden Auto-Fans würde bei diesem Anblick wohl ins Unendliche schlagen, denn dort gibt es beinahe nichts, was es nicht gibt. Schrauben und Kleinteile sind sorgfältig in Kisten sortiert, Einzelteile wie Türen, Lenkräder und andere Ersatzteile türmen sich in Regalen.
Der 58-Jährige hängt an der Automarke Porsche, seit er denken kann. „Mein Vater war auch Schrauber und hat sich hauptsächlich um Porsche gekümmert. Ich bin mit diesen Wagen groß geworden“, erzählt er. Daher ist es fast logisch, dass sich Roland Heidl nach der Schule um eine Ausbildung im Porsche-Zentrum Düsseldorf bewirbt. Nach der Lehre arbeitet er dort 13 Jahre lang, unterstützt dann seinen Vater in dessen Werkstatt, bevor er sich letztendlich selbstständig macht. Ein Schritt, den er nie bereut hat. „Ich habe das große Glück, meine Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben“, strahlt er. Neben den Auftragsarbeiten seiner Kunden stehen daher immer noch „Bastelobjekte“, wie er sie nennt, in seiner Werkstatt.
So wie ein altes Rennauto, das eigentlich nur noch aus einem Blech-Skelett besteht. „Wir haben alles ausgebaut und überlegen nun, wie wir das Auto wieder zusammenbauen können“, sagt er und grinst. Und auf einmal wirkt es fast so, als stünde da wieder der kleine Junge mit glänzenden Augen, der sein erstes Schlüsselset bekommt und selber schrauben darf. Und es ist schön, dass sich Roland Heidl die Chance bewahrt, Hobbyprojekte zu haben. Der Geschäftsmann in ihm dagegen achtet darauf, dass das Tagesgeschäft an erster Stelle steht. Und das tut es. In der Hauptsaison erreichen die Werkstatt pro Woche etwa eine bis drei neue Kundenanfragen – und das nur durch Mund-Propaganda. Große Werbekampagnen fährt er nicht. Er lässt seine Arbeit für sich sprechen.
In all das, die Liebe und Faszination für Porsche, ob nun Old- oder Youngtimer, mischt sich eins: die Sorge um ein baldiges flächendeckendes Fahrverbot. „Sobald ein Auto mehr als 30 Jahre alt ist, wird es zum Oldtimer“, erklärt Roland Heidl. „Dann erhält es das bekannte H am Ende des Kennzeichens.“ Bisher dürfen Oldtimer noch durch die Umweltzone Düsseldorfs rollen, welche die komplette Innenstadt umfasst. Doch die Zahl der alten Autos wächst. Somit bekommen nicht mehr nur die charmanten Liebhaber- oder Sammlerstücke ein H-Kennzeichen, sondern auch viel gefahrene alltägliche Wagen. Weiterhin nun also tausende Verbrenner in die Umweltzone zu lassen und den Haltern zudem noch Vergünstigungen bei der Kraftfahrzeugsteuer für Oldtimer zu gestatten, stößt bitter auf. Vor allem dem Bundesrechnungshof.
Dies würde nicht nur dem eigentlichen Ziel des Bundes widersprechen, sondern sich auch klimapolitisch in die falsche Richtung entwickeln. Es kann also sein, dass auch die Düsseldorfer Umweltzone, ähnlich wie in London und Paris, emissionsarm oder sogar emissionsfrei werden soll und somit künftig Oldtimer in der Umweltzone verboten werden. Und dann? „Dann kann es – im schlechtesten Fall – sein, dass sich nicht nur meine Werkstatt, sondern auch viele Garagen in Düsseldorf in kleine Museen verwandeln“, sagt Heidl. „Die Oldtimer müssen dann stehen bleiben. Und alle Halter sehen ihre Wertanlage verpuffen. Denn ein Auto wird durchs Stehenbleiben nicht unbedingt besser.“
Aber es gibt doch E-Fuel, könnte man jetzt sagen. Dies stimmt, jedoch ist E-Fuel CO2-neutral, aber nicht klimaneutral. Es entstehen also immer noch Emissionsbelastungen. Sollte es wirklich so weit kommen, dass die Klimazone Düsseldorf klimaneutral würde, dürften mit E-Fuel betriebene Autos nicht mehr in die Innenstadt fahren.
Damit dies nicht passiert, hat sich Heidl etwas einfallen lassen. Er baut Oldtimer – natürlich der Marke Porsche – zu Hybrid-Autos um. Ein Projekt, das nicht nur Zeit kostet, sondern auch sehr anspruchsvoll ist. „Ich habe vorher nie an Elektroautos gearbeitet. Das Wissen musste mir ich auch erst aneignen.“ Hilfe bekam er von einem Elektromechaniker, der ihm Feinheiten und Kniffe beibrachte. Monatelang tüftelten die Männer zusammen an einer Lösung. „Ich konnte mir schlussendlich genau vorstellen, welche Neuerung wo eingebaut werden soll, damit alles passt und so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.“
Da es nicht bei Theorien und Zeichnungen bleiben sollte, haben Heidl und sein Team angefangen, sich intensiv Gedanken zu machen und an dem Projekt zu arbeiten. „Wir haben einen Prototyp hier“, sagt der Tüftler und zieht beiläufig ein Verdeck zurück. Und da steht er: ein Porsche 911 Coupé, ein sogenannter „Ur-Elfer“, Baujahr 1972. 51 Jahre alt, tiefblau, ein echter Hingucker. Ein Liebhaber-Stück eben, das mit der neuen Ausstattung noch viele Jahre problemlos und überall fahren soll.
Doch der finanzielle Anspruch an das Projekt ist nicht ohne. Daher stellte Heidl einen Förderantrag an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Der Antrag lief durch sämtliche Gutachtergremien und führte letztendlich zum Erfolg! Das Projekt wird in Form einer Machbarkeitsstudie finanziert. Einen weiteren Teil finanzierten die Tüftler selbst. An der Entwicklung sind zudem das Institut für Elektromobilität der Hochschule Bochum und der Motorenentwickler AS Drives & Services GmbH beteiligt.
„Als unsere Kunden von dem Projekt erfuhren, waren sie teilweise sehr irritiert und haben mich für verrückt erklärt. Ich würde den Autos die Seele nehmen, sagten sie“, erzählt Roland Heidl. Dabei ist die Technik minimal-invasiv, sie fügt sich also komplett in die bereits vorhandene Technik ein.
Dass bei der Umrüstung der Geist des alten Porsche erhalten bleibt, war nicht nur der Anspruch Heidls, sondern auch des Ministeriums. Kein Problem, wie Heidl erklärt: „Die umzurüstenden Wagen müssen nach wie vor Oldtimer, also H-zulässig bleiben. Kein Teil des alten Porsche muss weichen. Alles bleibt so, wie es ist, wird nur erweitert. Sprich: Weder die Haptik noch die Funktionen dürfen stören.“ Daher wurde das Bedien-Panel extra so eingebaut, dass es auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Der E-Motor liegt auf dem Getriebe, der Akku im Kofferraum. „Der 911 bleibt somit ein luftgekühlter Sechszylinder-Boxer – so wie Porsche-Liebhaber ihn kennen und lieben“, verspricht Roland Heidl.
Mit dem nachgerüsteten Elektrohybrid-Antrieb kann der 911 bis zu 60 Kilometer rein elektrisch zurücklegen, bevor er wieder aufgeladen werden muss. Das würde beispielsweise reichen, um aus Düsseldorf-Oberkassel, welches in der Umweltzone liegt, auf die nächste Landstraße zu gelangen. Dort könnten Oldtimerfans dann wieder zurück zum Verbrenner schalten und dem Sound des Motors frönen. Aufladbar ist der 911er an jeder Ladesäule.
Innerhalb von sechs Sekunden sind die Porsche-Fahrer von null auf 80 km/h, was die Höchstgeschwindigkeit des E-Antriebs ist, und fahren dabei trotzdem komplett emissionsfrei. Ein weiterer Vorteil: Die Wärmeenergie des Elektromotors wird zur Erwärmung des Motoröls genutzt. Schaltet der Fahrer nun außerhalb der Umweltzone vom E-Betrieb um, ist der Verbrenner sofort im perfekten Temperaturbereich. Dadurch kann der Verbrauch des Motors auf unter zehn Liter pro 100 Kilometer gesenkt werden. Seit sechs Jahren bauen Heidl und sein Team an dem Prototyp. Jetzt ist er durch den TÜV.
Interessieren sich Kunden für die Umrüstung, dürfen sie den ersten hybriden Porsche der Welt probefahren. „Wir wollen zum Jahreswechsel damit anfangen, die Umrüstung anzubieten. Bereits jetzt erreichen uns Anfragen. Nicht nur, weil Nachhaltigkeit gerade im Trend ist, sondern weil viele Kunden dieses Projekt gut finden. Auch einige der Skeptiker sind mittlerweile überzeugt. Durch die Umrüstung wird deren Liebhaberprojekt noch etwas aufgewertet. Ihr Investment wird noch etwas höher – das ist natürlich auch ein Anreiz, die Umrüstung vorzunehmen.“
Zahlen, wie viele der Porsche-Fahrer umrüsten wollen, gibt es noch nicht. Sicher ist nur, dass Roland Heidl weltweit der einzige Anbieter dafür ist. „Eine Anfrage erreichte mich sogar aus London, allerdings von einem Ferrari-Fahrer. Er darf mit seinem Fahrzeug nicht mehr zu seiner Wohnung fahren, weil sie in einer Umweltzone liegt.“
Mit seiner Erfindung hat er einen großen Schritt getan: Er sah ein Problem und hat eine Lösung gefunden, die nicht nur die Umwelt, sondern auch Oldtimer-Fans auf Dauer glücklich machen kann.


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