Wie Karteikarten zu einer ungewöhnlichen Lebensgeschichte und ins japanische Fernsehen führten

Es wird immer unglaublicher. Gershon Willinger nach Düsseldorf holen zu können, war schon eine Überraschung. Einen Stolperstein für Rosa Willinger zu verlegen, etwas Besonderes. Einen Platz in Oberkassel nach ihr zu benennen, eigentlich kaum zu erhoffen. Doch darauf folgten dann aber auch noch ein längerer Beitrag im japanischen Fernsehen – und Gespräche über eine 90-minütige Filmdokumentation. Das ist die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft „Jüdische Schüler des Comenius-Gymnasiums 1908-45“.
Als die Schule im Stadtteil Oberkassel 2008 hundert Jahre alt wurde, suchten die damaligen Mitglieder der AG die Namen der jüdischen Kinder heraus, die einst das Gymnasium besuchten. Sie arbeiteten sich durch mehrere tausend Karteikarten und fanden 38 Schülerinnen und Schüler, die in den Jahren ab 1908 dort gelernt hatten, später im Dritten Reich verfolgt und sieben von ihnen ermordet wurden.
An diese Arbeit knüpften zehn Jugendliche an, die ab Herbst 2022 die neue Arbeitsgemeinschaft bildeten. Sie wollten die Lebensgeschichte hinter einem der Namen erzählen und die Erinnerungen vertiefen. Doch wie wählt man eines aus den 38 Schicksalen aus? Auffällig auf der Gedenktafel ist, dass drei der Ermordeten Brüder waren: Ismar, Kurt und Guido Willinger. Mit ihnen begann die Recherche.
Die ersten Spuren fanden die Schülerinnen und Schüler in Stadtarchiven, in Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach und Frankfurt, ebenso in Polen und der US-Stadt Milwaukee. Bei dieser Arbeit stießen die Jugendlichen auf einen Artikel, in dem über den Vortrag eines Gershon Willinger berichtet wird. Gershon? Das müsste doch der Sohn von Guido Willinger sein. Über die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und das Simon-Wiesenthal-Center finden die jungen Düsseldorfer:innen die Bestätigung und den inzwischen Über-Achtzigjährigen in Kanada. In einer Videokonferenz lernen sie ihn tatsächlich kennen.
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
Unser Journalismus ist werbefrei und unabhängig, deshalb können wir ihn nicht kostenlos anbieten. Sichern Sie sich unbegrenzten Zugang mit unserem Start-Abo: die ersten sechs Monate für insgesamt 1 Euro. Danach kostet das Abo 10 Euro monatlich. Es ist jederzeit kündbar. Alternativ können Sie unsere Artikel auch einzeln kaufen.
Schon Mitglied, Freundin/Freund oder Förderin/Förderer?