Warum Jazz in Düsseldorf wieder beliebt ist

Die Altstadt ist das Viertel, das niemals schläft – aber montagabends macht sie zumindest ein Nickerchen. Auf den Straßen laufen nur wenige Leute, in den Kneipen sitzen die Gäste meist einzeln und mit gepflegtem Abstand zueinander. An einigen Stellen hört man sogar den Wind. Nur in der Mertensgasse ist das montags anders.
An Hausnummer 6 steuern beinah im Minutentakt Menschen in die dortige Kneipe. Wer nicht geplant hatte, dort abzubiegen, bleibt zumindest stehen und schaut durch die Fenster, wo die Musik herkommt. Einige entscheiden sich zu bleiben, diejenigen, die trotzdem weitergehen, machen beim ersten Schritt einen kleinen Sprung oder marschieren im Rhythmus der Band. An dieser Stelle ist Düsseldorf plötzlich das New Orleans am Rhein.
Die Kneipe dort heißt „Em Pöötzke“. Unabhängig davon, welcher Legende man glaubt, kann man sicher sagen, dass die Geschichte so weit zurückreicht, dass es nur noch wenige lebende Zeugen der Anfangstage gibt. Jazz wurde dort schon in den Sechzigern live gespielt, wahrscheinlich auch noch früher. In jüngster Zeit rostete der Mythos allerdings – bis Mirjam und Jan Olbermann kamen.
Die beiden Düsseldorfer machen seit einigen Jahren mit Craft Bieren ihren Familiennamen bekannt, übernahmen Zum St. Sebastian als ersten Ausschank dafür in der Altstadt und bekamen in der Mertensgasse ihre zweite Gelegenheit. Seitdem gibt es dort Alt, Helles und IPA von Olbermann auf der Karte und Musik an vier bis fünf Abenden pro Woche auf dem Programm. Die Stile wechseln, aber der Jazz hat definitiv wieder ein Wohnzimmer. So spielen zum Beispiel an jedem Montag die Creole Night Birds ihre vom Süden der USA geprägten Songs.
Die Band hat kaum Platz, aber eine Menge Leute dabei. Sieben Mann mit Trompete, Banjo, Klarinette, Bass und anderen Instrumenten spielen dort montags. Viel Dur, kein Eintritt, reichlich Schwung und die Soli nie zur persönlichen Beglückung, sondern um nochmal Laune nachzulegen. So hat es der Jazz leicht mit seinem Comeback, tut dies aber nie auf die fahrstuhlige Weise.
Lovebird-Festival
Die Olbermanns sind nicht die einzigen, die das Genre in Düsseldorf wieder mit Fans versorgen. Petra Schlieter-Gropp und Nils Gropp werden das am 7. und 8. Juni auch tun. Ihre Agentur Schlieter & Friends war über viele Jahre verantwortlich für die Organisation der Jazz Rally. Nachdem deren Veranstalter, die Destination Düsseldorf, im Oktober überraschend das Aus des Festivals mitteilten, erklärten Schlieter & Friends, dass sie ein neues Format starten werden. Es heißt Lovebird.
Das Festival mit dem freundlichen Vogel im Namen hat beste Chancen, Momente wie die zu schaffen, die ich vor dem und im „Pöötzke“ erlebt habe. Jazz wird Teil der Stadt, man kann ihm überall begegnen – und er bringt noch Freunde mit. Es wird Musik unter freiem Himmel und am Stadtstrand geben, in klassischen Konzertsälen, in Museen und im Stadthaus der Kirche. Dort spielen bekannte Künstler:innen und diejenigen, die den Jazz in Düsseldorf vor dem Aussterben bewahrt haben: Studierende, junge Musiker:innen und aufsteigende Talente, die das Genre wieder frisch machen.
Und das sind noch gar nicht die Freunde, die ich gemeint habe. Damit meinte ich die anderen Stile, mit denen der Jazz Lovebird-Beziehungen eingeht – Funk, HipHop, Electro oder Soul. Und ich meinte damit die anderen Kunstformen, die er inspiriert. Während des Festivals läuft zum Beispiel der Film „Jazzfieber“, es gibt eine Ausgabe des wunderbaren Formats „Musikalisches Poesiealbum“, bei dem die Lieblingslieder des Talkgasts von allen gesungen werden, und eine Ausstellung von Dietrich Rünger in der Part2Gallery (Altestadt 13).
Der Künstler ist im selben Jahr geboren wie die Gründer des Jazz-Labels Blue Note. Das war ihm offensichtlich ein Auftrag, denn er hat sich von den Blue-Note-Plattencovern inspirieren lassen und rund 125 von ihnen mit Fotos, Malerei und Collagen interpretiert. Bei der Vernissage gibt es die passenden Stücke zu hören, aufgelegt von Dietrich Rüngers Sohn Sven.
Die Lovebird-Besucher:innen haben – zumindest, wenn sie schnell genug sind – die Wahl zwischen zwei Eintrittsmöglichkeiten: Sie können Karten für die einzelnen Konzerte kaufen oder eines der limitierten Tickets für das gesamte Festival. So ist sichergestellt, dass alle ihr Publikum haben und behalten (weil nicht ständig Leute aufstehen und weiterziehen) und dass Menschen mit Drei-Konzerte-pro-Tag-Kondition auch glücklich sind.
Jazz City Bilk
Jazz war über die Rally fest mit Pfingsten verbunden. Das machen die Lovebird-Veranstalter mit ihrem Juni-Termin anders, trotzdem gibt es auch Mitte Mai reichlich bumm-tschik. In Bilk haben sich die Betreiber:innen verschiedener Orte für ein weiteres Festival zusammengetan. Und das war nicht nur räumlich naheliegend, denn es gibt schon reichlich Jazz im Viertel. Auf dem Aachener-Platz-Trödelmarkt ist er jeden Samstag im Zelt zu hören, das Bistro Pure Note veranstaltet in den zweiten Wochenhälften gerne Konzerte, und die Jazz-Schmiede trägt die Kern-Information schon im Namen.
Dieses Trio ist in der Vorbereitung des Festivals zum Septett geworden. Das Metropol-Kino, das Bürgerhaus Salzmannbau, der Saal in den Bilker Arcaden und die Musikbar Schleuse Zwei im Bilker Bunker stehen nun auch auf dem musikalischen Stadtplan für den 17. bis 19. Mai. So viele Adressen bedeuten erneut, dass man sich einfach auf den Weg machen kann, garantiert mit Musik in Berührung kommt und sich entspannt auf Ort und Jazz einlassen kann.
Am Programm arbeiten die Veranstalter:innen noch, einiges steht schon fest: Die Jazz-Schmiede präsentiert am Festival-Freitag Latin und Jazz mit der Band Viento Terral. 24 Stunde später wird sie einem Ballsaal der 30er und 40er Jahre gleichen, in dem Lindy Hop getanzt, Swing erst live gespielt und später von einem DJ aufgelegt wird.
Em Pöötzke
Als die Creole Night Birds an diesem Montagabend angefangen haben zu spielen, war die Kneipe ordentlich gefüllt. Keine Stunde später hält Franz Brittinger, der Mann an der Klarinette, vor seiner Ansage kurz inne. Er kann die Theke nur noch erahnen, davor stehen jede Menge Menschen. Es sei schön, dass so viele junge Leute da sind, sagt Franz Brittinger. Er kündigt den nächsten Song an, dann sind wieder mehrere Smartphones auf ihn und seine Kollegen gerichtet.
Weiterführende Links
Em Pöötzke in der Mertensgasse 6 hat an Veranstaltungstagen von 19 bis 2 Uhr geöffnet. Die Creole Night Birds spielen montags ab 20.30 Uhr, der Eintritt ist frei. Das gesamte Programm steht hier.
Die Internetseite des Lovebird-Festivals ist hier zu finden. Wer dort spielt, geben die Veranstalter:innen in den nächsten Wochen bekannt.
Die Programmpunkte von Jazz City Bilk werden nach und nach auf den Internetseiten der Spielorte veröffentlicht, zum Beispiel bei der Jazzschmiede, der Puren Note, dem Bilker Bunker oder dem Bürgerhaus Salzmannbau.
Weitere Bilder aus dem „Pöötzke“






