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Warum ein Stück Berliner Mauer auf einer Baustelle in Düsseldorf steht

Sie ist ein Denkmal und ein Stück deutscher Geschichte. Auch in Düsseldorf stehen Teile von ihr. Eines ist so versteckt, dass es fast niemand sehen kann. Warum denn bloß?

Veröffentlicht am 15. Mai 2023
Teil der Berliner Mauer in Düsseldorf
Das Stück Berliner Mauer in Golzheim: Neuerdings ist es verhüllt, wird also vor Schaden geschützt. Das lässt hoffen, dass es künftig wieder angemessen präsentiert werden soll. Foto: Andreas Endermann

Sie wollen jemanden mit einer versteckten Sehenswürdigkeit überraschen? Eine, die selbst eingefleischte Düsseldorfer nicht kennen? Dann hier entlang: Biegen Sie von der Rossstraße in Golzheim in die Hans-Böckler-Straße ab. An deren Ende gehen Sie bitte rechts die kleine Fußgängerbrücke hoch, die über den Kennedydamm führt. Wenn Sie den höchsten Punkt der Brücke hinter sich gelassen haben, schauen Sie aufmerksam nach links in Richtung der großen Baustelle. Da unten steht, kaum zu sehen, ein mit rotem Graffiti beschmiertes Stück Beton. Das ist – ja, wirklich – ein Teil der Berliner Mauer.

Warum denn ausgerechnet hier? Das habe ich mich auch gefragt, als ich darauf gestoßen bin. Vor knapp zwei Jahren habe ich mich ab und an mit einem Freund zu einem abendlichen Spaziergang getroffen. Was so gewöhnlich klingt, war damals konspirativ, spektakulär – und genau genommen verboten. Es war Pandemie, Lockdown und Ausgangssperre, abends durfte niemand mehr vor die Tür. Deshalb waren die Spaziergänge aufregend. Es war ein bisschen wie früher auf Klassenfahrt, als man heimlich rauchen ging. Im Frühjahr 2021 ist das ehemalige IBM-Grundstück zwischen Kennedydamm und Karl-Arnold-Platz noch keine Baustelle und nicht von einem Zaun umgeben. Und so stehen wir eines Tages vor dieser Mauer. Von der einen Seite schauen mich zwei große, weit aufgerissene Augen an, die jemand darauf geschmiert hat. „Ist das … ?“ Prüfender Blick. „Ja, ich glaube schon.“ „Das kann doch nicht wahr sein.“ Doch. Denkmal, steht auf einer Plakette, die unten an dem Beton angebracht ist.

Der Verdacht erhärtet sich, als ich am nächsten Tag recherchiere. Tatsächlich: Bei den Koordinaten 51°14’46.125″ N 6°46’17.244″ E, also etwa 250 Meter nördlich von dem Punkt, an dem sich Kennedydamm und Kaiserswerther Straße treffen, steht ein echtes Stück Berliner Mauer. An einer trostlosen Einfallstraße, wo sich kaum ein Fußgänger verirrt und kein Autofahrer freiwillig aus dem Fenster guckt – an einer Stelle, wo es eigentlich niemand sehen kann. Wenn man einen Ort suchen müsste, um etwas zu verstecken – bitte: hier wäre ein guter. Wie hat sich die Mauer nur hierhin verirrt? Im Internet finden sich zu wichtigen und unwichtigen Themen Informationen zuhauf. Was dieses Stück Mauer betrifft, gibt es außer dessen Existenz so gut wie nichts. Das Stadtarchiv hilft bei der Spurensuche. Am 1. Dezember 1992 druckt die „Westdeutsche Zeitung“ in ihrer Dienstagsausgabe ein Bild. Demnach hat die US-Computerfirma IBM tags zuvor zwei Segmente der Berliner Mauer vor ihrer Niederlassung am Karl-Arnold-Platz aufgestellt. IBM und der damalige Manager Hans-Olaf Henkel wollen damit an den Fall der Mauer und das Ende der Teilung Deutschlands erinnern und die Verbundenheit zu Berlin ausdrücken.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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