Warnung aus dem Rathaus: Fortuna droht die Pleite

Was da gerade zwischen dem Rathaus und der Fortuna abgeht, kann man auch so beschreiben: In einer Familie gibt es Ärger, weil die Eltern es leid sind, dem Nachwuchs Hilfe in bisher gewohnter Höhe zukommen zu lassen, als es eh schon gibt. Das Kind, an elterlichen Beistand gewöhnt und verwöhnt, reagiert bockig. Und dass man nun auch noch den leichtsinnigen Umgang mit dem Geld moniert, verursacht erst recht Empörung. Der klassische Familienkrach bricht aus.
Der Auslöser des Streits
Es geht vor allem um die Miete für die Nutzung der Arena. Dieser Beitrag soll angehoben werden, wie es aus dem Rathaus heißt. Das jedoch haben Teile des Vereins als Affront empfunden. Auf der jüngsten Mitgliederversammlung interpretierten sie das als mangelnde Unterstützung durch die Stadt und äußerten ihren Frust lautstark. Was wiederum in der Verwaltung für Irritation sorgte, um es höflich zu formulieren. Erstens weil man schon seit Jahren weitaus weniger fürs Stadion fordert, als möglich wäre, und weil man zweitens Verständnis dafür vermisst, wie die Rechtslage ist. Denn eigentlich ist die Stadt gehalten, eine marktübliche Miete zu kassieren. Das tut sie aber nicht, um den chronisch klammen Verein nicht noch mehr zu belasten. Dass sie deshalb Ärger mit der Aufsichtsbehörde bekommt, ist wahrscheinlich, weil sie sich bereits an der Grenze dessen bewegt, was juristisch möglich ist.
Als aus dieser Zwangslage von Vereinsseite der Vorwurf mangelnder Unterstützung wurde, hat das offenbar bei Stadtdirektor Burkhard Hintzsche das Fass zum Überlaufen gebracht. Er entschloss sich zu einem bisher beispiellosen Schritt.
Hintzsches Abrechnung
In einem Artikel auf der Internetseite der städtischen Tochter D.Sports (deren Aufsichtsratsvorsitzender Hintzsche ist) rechnet der Beamte detailliert und süffisant mit dem Verhalten des Vereins ab. Vor allem dessen Umgang mit Geld nimmt er ins Visier. Seine Einschätzung: Wenn Fortuna nicht sehr schnell umsteuert, droht die Pleite. Denn es seien nur noch 850 000 Euro Eigenkapital da, vor wenigen Jahren seien es noch rund sieben Millionen Euro gewesen.
Erfahren im Umgang mit knappen Budgets lässt Hintzsche durchblicken, wo man sparen könnte – beim Vorstand. Denn der bekommt hohe sechsstellige Gehälter. Vor allem die Zahlung von 750.000 Euro an Sportdirektor Klaus Allofs scheint der Stadtdirektor für übertrieben zu halten. Ob Allofs wirklich in dieser Größenordnung bezahlt wird, ist nicht ganz klar, aber allzu weit drunter dürfte er nicht liegen, meinen Insider.
Hintzsches nächster Kritikpunkt: Der Verein nutze aus unklaren Gründen die von der Stadt angebotenen Möglichkeiten, neue Einnahme-Quellen zu schaffen (Catering, Logenvermarktung etc.), nicht ausreichend. Hinzu kämen dann noch die überall gestiegenen Kosten, mit denen man offenbar nicht klarkomme. Und dass es Verbindlichkeiten gegenüber Banken gibt zeige deutlich, dass man „Fremdfinanzierungen in Anspruch nehmen musste.“ Mit anderen Worten: Fortuna hat Schulden gemacht, um Ausgaben zu decken. Dafür werden Zinsen fällig und man muss die Kredite zurückzahlen.
Hintzsche thematisiert auch die Probleme mit früheren Partnern, namentlich mit Henkel. Der frühere Trikot-Sponsor ist ausgestiegen, unter der Hand ist von Spannungen zwischen dem Konzern und dem Verein die Rede. Auch die Stadtsparkasse ist nicht mehr dabei. Sie reagierte wenig erfreut, als Fortuna die Targo-Bank zum neuen Sponsor für die Leibchen der Spieler machte.
Der Beamte aus der Führungsriege des Rathauses nimmt das zum Anlass, um auf weitere drohende finanzielle Probleme hinzuweisen. Wolle man beispielsweise die Aktion „Fortuna für alle“ weiterführen, werde man viel Geld brauchen. Denn im Rahmen dieser Aktion werden Tickets fürs Stadion gratis ausgegeben. Die so wegfallenden Einnahmen müssten Sponsoren finanzieren. Daran, so scheint es, glaubt Hintzsche nicht.
Diese Details wurden erst durch den Artikel bei D.Sports bekannt. Womit wir beim nächsten Punkt wären:
Die Medien
Sämtliche Einzelheiten, abgelehnte Vorschläge der Stadt zu neuen Einnahmequellen für die Fortuna, Umgang mit Geld, Problemen durch gestiegene Kosten, ein zu begreifendes Gesamtbild der Lage also – alles das hätte man aus Kreisen jener Medien erfahren müssen, die eine Sportredaktion haben und täglich über Fortuna berichten. Normalerweise. Aber das passierte nicht. Die Gründe dafür sind kompliziert:
Sportredakteure sind Frauen und Männer mit einem berufsspezifisch großen Faible für das, was auf dem Rasen passiert. Anders gesagt: Sie haben eine große Leidenschaft für und (im Idealfall) Ahnung von Fußball. Aber eben häufig nicht von diesem ganz anderen Spiel auf der – sagen wir: Meta-Ebene der Vereinsführung. Dort, wo keiner in kurzen Hosen gegen einen Ball tritt, sondern wo anders gedribbelt, gefoult und auf wirtschaftlichen Erfolg, also mehr Geld gehofft wird. In diesen Kreisen herrscht eine Gemengelage aus Wirtschaft, Politik, persönlichem Ehrgeiz und Eitelkeiten. Leider nicht immer in Kombination mit hoher Kompetenz, wie die abenteuerlich besetzten Vorstandsposten früherer Zeiten deutlich gezeigt haben. Zumindest dabei scheint es heute bei Fortuna besser auszusehen.
Wie auf dem Platz gibt es da ebenfalls Regeln, und ebenso wie dort werden sie nicht immer eingehalten. Aber um das zu durchschauen, braucht es ein gut gepflegtes, breites Netzwerk abseits des Sportlichen. Wer das nicht hat, kriegt vieles nicht mit. Durchschaut er/sie es aber, müsste sie/er darüber berichten, losgelöst vom Sportlichen. Aber nun kommt eine Besonderheit aus dem Sportjournalismus hinzu, die es in dieser Intensität nur dort gibt: eine oft über Jahre gewachsene enge, persönliche Bindung zum Verein und seinen Vertretern. Ein Redakteur, dem/der seine Fortuna-Mitgliedschaft in die Wiege gelegt wurde, kennt zwar den Klub bis in seine tiefsten Verästelungen, wird aber höchstwahrscheinlich nicht den Finger auf den wunden Punkt legen. Selbst wenn er/sie ihn sieht. Die Folge: Hofberichterstattung. Ein Phänomen, das es in allen Städten mit hoher emotionaler Bindung zu den Clubs gibt – egal, ob auf Schalke, beim FC oder eben bei Fortuna.
Dabei hat sich gezeigt, dass es nicht hilft, falsch verstandene Rücksicht zu nehmen, im Gegenteil: Es fehlt das kritische und leistungsfördernde Regulativ von außen. Gemeinsam mit den Journalisten bewegt man sich in einer Blase und hält das für die echte Welt. Bei derart gepamperten Klubs fördert das eine diffuse, am Ende schädliche Mischung aus falschem Selbstbewusstsein, Anspruchsdenken und gestörter Wahrnehmung. Und die so agierenden Medienleute sind sich keiner Schuld bewusst. Sie fühlen sich als Teil einer großen Sache, oft voller Stolz über das Gefühl, dazu zu gehören.
Sich dann, wie in den letzten Tagen passiert, darüber zu mokieren, dass ein Branchenfremder – hier Stadtdirektor Burkhard Hintzsche – diesen journalistischen Part übernimmt und Probleme offenlegt, ist angesichts dieser Kumpanei eine durchaus logische Pointe. Sie beweist allerdings nur, dass man das eigene Versäumnis erkannt hat und sich über diese Blamage ärgert. Weil man die Informationen nicht selbst hat bringen können, mäkelt man am Boten der schlechten Nachricht herum. Womöglich hat man die Informationen auch gar nicht gehabt, was ebenso peinlich wäre.
Wie geht es weiter?
Vom Fortuna-Vorstand Alexander Jobst kamen zuletzt klare Signale, nach denen man an einer gütlichen Einigung interessiert ist. Aus dem Rathaus gibt es diese Bereitschaft sowieso. Das sieht nach baldigem Frieden aus, der Streit geht also wohl nicht in die Verlängerung. Was vor allem im Interesse des Vereins ist. Denn dort wissen die Besonnenen, dass Fortuna ohne die Stadt nicht kann, die Stadt ohne Fortuna aber durchaus. Dem Image der Stadt hat F95 nämlich über Jahre kein Glück gebracht, dafür waren die sportlichen Leistungen zu mies und das Personal häufig mit einer schlechten Performance unterwegs. Anders als in Mönchengladbach oder Dortmund und Leverkusen ist der Name des Klubs für Düsseldorf kaum Werbeträger.
Das könnte sich freilich gerade ändern: Ausgerechnet in diesen Streit fallen jetzt mehrere großartige Siege der Mannschaft, in der Tabelle steht sie weit oben. Auch das ist typisch. Da läuft es auf dem Platz, und schon schießt man woanders ein Eigentor.