Vier Punkte, in denen sich dieser Opern-Entwurf von allen anderen unterscheidet

Der junge Architekt Leon Strelow hat besondere Ideen für den Neubau in Düsseldorf. Er möchte das Gebäude im Hofgarten drehen und nur einem Zweck unterordnen: Musik in absoluter Harmonie erklingen zu lassen.
Veröffentlicht am 24. November 2022
Entwurf Deutsche Oper am Rhein in DŸsseldorf
Leon Strelow vor dem Modell der Oper, wie er sie bauen würde. Die nach innen gerundete Front würde mit dem Platz davor direkt an den Hofgarten-Weiher angrenzen. Foto: Andreas Endermann

Der Mann, der mich da in unserer Redaktion besucht, antwortet auf die Frage, ob er ein Getränk wünsche, zurückhaltend mit „Ein Kaffee wäre schön“. Leon Strelow ist jung (vergangene Woche 30 geworden), sehr schmal und wirkt fast schüchtern. Die Haare hat er zum Zopf gebunden, Schnurr- und Kinnbart sind eher dünn. Rein optisch ist da keine Präsenz eines Mannes, der eine Stadt prägen will. Dafür strahlt er eine angenehme Gelassenheit aus, er scheint in sich zu ruhen. Und er hat einen Opern-Plan mitgebracht, der sich merklich von den bisherigen Ideen in der Diskussion um einen Neubau in Düsseldorf unterscheidet.

Erster Unterschied: Der bescheidene Architekt
Alle Architekten, die ich bisher kennenlernte, sahen anders aus. Vor allem waren sie älter, egal, ob männlich oder weiblich. Sie hatten eine Aura des – hier passt das Wort – raumgreifenden Selbstbewusstseins, erinnerten mich oft an die Baumeister des Mittelalters und dachten großdimensional. Sie fühlten sich als visionäre Gestalter von Städten. Das tut Strelow auch, aber mit mehr Bescheidenheit. Sein Auftreten ist ein anderes.

Mit dem Gedanken, eine Oper zu planen, hat Strelow sich erstmals im vierten Bachelor-Semester beschäftigt. Damals hat er einen Entwurf zu einer „Studio-Oper“ als Komplementär zur Hofoper im Hofgarten gemacht. Dadurch bekam er Kenntnisse über den Opernbau im Allgemeinen, aber auch besonderes Wissen über die logistischen und räumlichen Probleme des bestehenden Hauses. Da die Entwurf-Aufgabe die Einplanung einer verbesserten Anlieferung für die jetzige Oper beinhaltete, musste er sich auch Gedanken machen über die Lage des Objekts und dessen Erreichbarkeit.

Zweiter Unterschied: Alles wird der Musik untergeordnet
Profit, multifunktionale Nutzung mit Büros oder gar Wohnungen – so etwas denkt Strelow nicht, entwirft er nicht. Für ihn geht es um das Gebäude, und nur um das Gebäude. Das hat einen einzigen Zweck: Es soll der darin aufgeführten Musik den perfekten Klang ermöglichen. Dieser im Grunde sehr simple Grundsatz fasziniert ihn: ein Haus zu bauen, das sich dem Zweck unterordnet, ohne jeden Kompromiss. Dafür hat er sich vergleichbare Bauten in Paris und Wien angeschaut. Vor allem die alten Objekte faszinieren ihn. Wie dort mit allerlei architektonischer oder optischer Spielerei akustische Effekte erzielt wurden, darüber referiert er mit Begeisterung.

Für die Planung des Saals hat sich Strelow von einem Studenten des Studiengangs Klang und Realität an der Robert-Schumann-Hochschule beraten lassen. Der war Mitarbeiter bei der Peutz Consult Group, die unter anderem für die Tonhalle Düsseldorf die akustische Planung konzipiert.

Dritter Unterschied: Standort am Hofgarten, aber um 90 Grad gedreht
Für den jungen Architekten ist das Gebäude am vertrauten Standort Teil eines kulturellen Ensembles. Dort sind die Kunsthalle, das K 20, und auch der Hofgarten, Anfang des 19. Jahrhunderts in seiner heutigen Form geschaffen von Maximilian Weyhe, gehört für Strelow dazu. Daher kommt es für ihn auf keinen Fall in Frage, die Oper woanders zu bauen. Dass Teile des Parks dafür in Mitleidenschaft gezogen würden, hält er für akzeptabel – wohl auch, weil für ihn die Oper nicht die Grünanlage schmälert, sondern sie komplettiert, da sie ein Teil davon wird.

Allerdings ordnet Strelow seine Oper komplett neu an: Er dreht das Gebäude um 90 Grad, so dass Foyer und Frontbereich sich dem Platz mit den beiden Museen auf der anderen Seite der Heinrich-Heine-Allee annähern. Seine Oper schmiegt sich in einer riesigen gebogenen Konstruktion an die Rundung des Hofgartenweihers. Eine dort vorgesehene Außenfläche mit Treppen, die in Richtung Wasser führen, würde den Aufenthaltswert in Vorstellungspausen, aber auch über den Tag erheblich verbessern. Sie macht das Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes öffentlicher. Strelows Entwurf würde sich außerdem gut dafür eignen, einer womöglich autofreien Heinrich-Heine-Allee als Brücke zwischen Grabbeplatz und Hofgarten zu dienen.

Vierter Unterschied: Innen verschwindet die Technik
Wie Strelow von seinen Ideen erzählt, ist faszinierend – weil man hört, sieht und spürt, mit welcher Leidenschaft er das Thema angeht. Vor allem musste er tief einsteigen in die technischen Anforderungen an ein solches Gebäude. Da er vom derzeitigen Standort ausgeht, war ihm schnell klar, den knappen Raum anders und dennoch effizient nutzen zu müssen. Daher verlegt er die komplette Bühnen-Technik ins Untergeschoss. In seiner Idee werden dort unten die Elemente für die Aufführungen vorbereitet, zusammengefügt und dann nach oben gefahren. So genannte Bühnenwagen können dort für verschiedene Aufführungen vorbereitet und bei Bedarf nach oben gehievt werden. Strelows Plan sieht eine Hauptbühne und drei Nebenbühnen vor.

Fazit
Mit seinem Entwurf hat Leon Strelow eine Idee, wie Düsseldorf einen echten städtebaulichen Akzent setzen könnte. Während berühmte Architekten oder Investoren mit ihren Planer-Teams an großartigen Entwürfen feilen und aufwändige Animationen von freudetrunkenen Medien feiern lassen, hat er sich einfach hingesetzt und einen eigenständigen Entwurf gemacht. Der Architekt ist im Auftritt bescheiden. Aber nicht in der Idee.

Weitere Skizzen und Fotos zu diesem Entwurf finden Sie hier.


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