Machtkampf um den Job des Chef-Karnevalisten

Spätestens, wenn die Asche des verbrannten Hoppeditz weggefegt, das letzte Helau verhallt und der letzte Kater in ein paar Bloody Marys ertränkt ist, spätestens dann wird für den Narren ein Thema akut, das für die nächsten Jahre im Düsseldorfer Karneval wegweisend ist: die Neuwahl des Präsidenten des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC).
Diesen Posten hatte bis vor einigen Monaten Michael Laumen inne. Er musste aber aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten, was kaum Außenwirkung hatte, da er ohnehin keinen Wert auf übergroße Präsenz legte. Die wahren Machthaber bei allem, was für die sogenannten fünfte Jahreszeit zu regeln ist, sind zwei andere Männer: Vize-Präsident Stefan Kleinehr und Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann. Sie haben diesen Satz nie gesagt, aber er würde passen: Uns ist egal, wer unter uns Präsident ist.
Wie gut das Ansehen der beiden im Karneval wirklich ist, kann man schwer sagen: Auf solchen Posten macht man sich nicht nur Freunde, gleichgültig, wie gut man den Job erledigt. Und sie haben ihre Arbeit – das müssten auch Gegner zugeben – gut gemacht. Ein Beispiel: In einem Kommunikations-Coup haben sie den Sonntags-Straßenkarneval gerettet. Sie kündigten an, ihn mangels Kostendeckung einstellen zu wollen, und erreichten maximale Aufmerksamkeit. Die Stadt wurde aktiv und half, den Schaustellerbund zu bewegen, das Event künftig zu organisieren.
Das CC arbeitet effizient, trotz widriger Umstände schafft man es, den Rosenmontagszug zu organisieren und zu finanzieren, weil man über die Jahre vom wichtigen Partner WDR große Summen für die Übertragung der TV-Sitzung kassiert hat. Diese Veranstaltung hat Kleinehr rund 15 Jahre moderiert, nun will er nicht mehr und man sucht einen neuen Sitzungspräsidenten für das Format. Wer auch immer das wird, er/sie wird sich etwas Neues überlegen müssen, denn das Interesse an Karneval im Fernsehen lässt nach. Soweit die derzeitige Lage.
Nun also muss sich das CC turnusgemäß eine neue Spitze geben. Was die Frage aufwirft: Weiter so mit der alten oder etwas Neues mit neuen Leuten? Mehrere Namen tauchen auf:
Martin Meyer
Er war Prinz in der Session 2018/2019, verdient sein Geld als Versicherungsmakler, ist Baas der Derendorfer Jonges, Leiter des internationalen U19-Osterturniers des BV04 Düsseldorf und Mitglied bei den Weißfräcken. Er hat bereits vor Wochen signalisiert, CC-Präsident werden zu wollen. Sollte er es werden, will er vor allem den Außenauftritt des hiesigen Karnevals verbessern. Sein Grundsatz: „Wir sind besser, als es nach außen scheint.“
Er vermisst heimische Künstler auf den Düsseldorfer Bühnen zwischen dem Elftenelften und Aschermittwoch und fordert eine intensive Förderung des Nachwuchses. Zudem missfällt ihm die Undurchsichtigkeit bei manchen Entscheidungen des bisherigen CC – beispielsweise bei der Auswahl von Prinz und Venetia. Sein Amt als Baas der Derendorfer Jonges wird er im März niederlegen, um mehr Zeit für den Karneval zu haben.
Meyers Stärke könnte zugleich seine Schwäche sein. Er hat ein großes Herz und geht die Dinge positiv an, die er verändern möchte. Ob diese Haltung zum Machtzentrum des Karnevals passt, in dem es nicht unbedingt immer herzlich zugeht, und ob er sich damit einen Gefallen tut, ist zumindest fraglich.
Stefan Winkler-Nottscheidt
Der Anwalt hat vor wenigen Tagen öffentlich angekündigt, an die Spitze zu wollen. Die Nachricht verkündet er seitdem in einer Serie von Social-Media-Beiträgen: „Ich mache die Dinge anders und ich will neue Wege gehen.“ Die Aussage auf der Webseite seiner Kanzlei: „Ich bin im Herzen Düsseldorfs mit meiner Kanzlei für Sie tätig. Mein Fokus liegt auf Menschen aus der LGBTI-Community, die ich gerne bei allen Rechtsfragen gerichtlich oder außergerichtlich unterstütze.“ Offen bekennt er sich zu seiner Homosexualität: „Ich bin seit dreimal elf Jahren mit meinem Mann zusammen.“
Damit dürfte ihm die Rückendeckung der starken KG Regenbogen sicher sein. Das allein jedoch wird nicht reichen, denn zum CC gehören rund 70 Vereine und Gesellschaften. Auch er vermisst junge, neue Leute auf den Bühnen und kann nicht glauben, dass es in Düsseldorf nicht mehr Talente gibt. Man müsse sie nur entdecken. Nah dran am Thema ist er regelmäßig: Er betreut ehrenamtlich das Haus des Karnevals.
Stefan Kleinehr
Der Chef des Allgemeinen Vereins der Karnevalsfreunde und Vize im CC ist der mögliche, aber nicht sichere dritte Bewerber. Auf die Frage nach seinen Absichten reagiert Kleinehr dünnhäutig. Er wolle sich erst nach der Session entscheiden, wie und ob es für ihn weitergeht, und lehnt jede Spekulation ab. Außerdem sei er genervt von den sich wiederholenden Shitstorms, die er zu ertragen habe.
Kleinehr ist Inhaber der Künstler-Agentur „Lust und Laune“. Zahlreiche Büttenredner und Karnevalsmusiker sind bei ihm unter Vertrag, oft wird ihm vorgeworfen, berufliches Interesse und Einfluss mit seinem Engagement im Karneval zu vermischen. Anders gesagt: Dass hier viele Künstler auftreten, die von seiner Firma betreut werden, scheint einigen zumindest fragwürdig. Der Vorwurf: Er nutze seine Macht, um bestimmte Künstler (im eigenen Interesse) zu fördern und andere auszugrenzen. Kleinehr streitet das ab und verweist darauf, dass selbst in seinen eigenen Veranstaltungen Frauen und Männer auftreten, mit denen er keine geschäftlichen Kontakte hat. Ruhig stellt er seine Kritiker damit nicht.
Sein Problem: Sollte der neue Präsident des CC ein neuer sein, der bisher nicht zum engeren Kreis gehörte, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seiner bisherigen Machtposition vorbei. Da ist für manche der Gedanke naheliegend, dass er es dann lieber gleich selbst macht. Aber: CC-Präsident kann niemand sein, der gleichzeitig an der Spitze einer Gesellschaft oder eines Vereins steht, so will es die Satzung. Die würde dann eben geändert, argwöhnen jene, die ihm Ambitionen unterstellen, an die Spitze zu wollen.
So oder so: Im Hintergrund und in Sozialen Netzwerken gibt es schon heftige Rangeleien. Die Anhänger der jeweiligen Kandidaten liefern sich hitzige Wortgefechte und werfen einander Unsachlichkeit vor. Immer wieder gibt es Andeutungen, wo wirklich gekungelt wird. Kandidat Winkler-Nottscheidt hat in einem Kommentar versucht, die Gemüter zu beruhigen. Und mit einem Satz beweist er, dass er das Winterbrauchtum kennt: „Ich weiß, organisierter Vereinskarneval ist keine lustige Angelegenheit.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
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