Kunst an zweiter Stelle

Sie ist einfach da und steht selten im Mittelpunkt. Viele, die jeden Tag durch die Gänge gehen oder in Sälen und Büros sitzen, nehmen sie vielleicht noch nicht einmal richtig wahr. Doch wenn man erst einmal anfängt, auf die vielen Kunstwerke im Landtag zu achten, würde wahrscheinlich ein ganzer Tag nicht ausreichen, um alle anzusehen. Etwa 800 Werke – Gemälde, Skulpturen, auch Wandteppiche – gehören zur Sammlung des Landtags. Nur knapp 250 davon ruhen im Depot oder warten auf ihre Restaurierung.
Elfi Zimmerling ist Kunsthistorikerin und verwaltet die Sammlung seit etwa vier Jahren. Diese Aufgabe erledigt sie nebenbei, hauptsächlich organisiert sie Veranstaltungen. Sie kennt die Sammlung genau. Seit sie hier arbeitet, hat sie schon den ein oder anderen vergessenen Schatz gehoben. Sie ist froh um jedes Stück, das nicht im Depot liegt, sondern einen Platz im Gebäude gefunden hat. „Kunst will gesehen werden“, sagt sie.

Schon kurz nach seiner Gründung 1946 hat der Landtag begonnen, Kunst zu sammeln. In einem dicken alten Buch ist noch feinsäuberlich und handschriftlich vermerkt, was wann angeschafft wurde und wer es sich in welchem Zeitraum für das eigene Büro ausgeliehen hat. Mittlerweile gehören einige große Namen dazu. Ein besonders eindrückliches Werk ist wohl das an der prominentesten Stelle: „Interferenzen“, eines der berühmten Nagelreliefs von Günther Uecker. Mehrere Kreise, die sich überschneiden sind auf fünf Holzplatten angebracht. Das Werk findet sich direkt am Eingang zum Plenarsaal. Es ist nicht das einzige Stück, das speziell für den Landtag angefertigt wurde. An der selben Wand hängt auch die „Malrede“ von Jörg Immendorff, das 2006 gekauft wurde und Leon Löwentrauts „Together for the Future“, das Anfang 2020 dazu kam.

Für die Stücke, die der Landtag auswählt, gibt es bestimmte Kriterien. Fast alle Bilder haben auf die eine oder andere Art einen Bezug zum Land Nordrhein-Westfalen. Entweder, weil die Künstler*innen, die dahinter stecken, von hier kommen oder hier leben und schaffen. Aber auch, weil die Motive einen Bezug zum Bundesland haben.
Elfi Zimmerling ist es dabei wichtig, dass die Werke nicht elitär sind. Sie zeigt etwa „Ohne Titel“, eine Anordnung von Hohlspiegeln des Künstlers Adolf Luther. Steht man davor, spiegelt man sich darin auf immer unterschiedliche Weise. Elfi Zimmerling sagt, dieses Bild sage jedem und jeder irgendetwas.
Besonders die Werke, die für den Landtag erstellt wurden, nehmen sich das Gebäude zum Thema. Seinen Inhalt oder seine Architektur. Immer wieder sind Kreise und andere runde Formen zu sehen, die die charakteristische Bauweise des Parlaments aufgreifen. Genau die wird für Elfi Zimmerling immer wieder zur Herausforderung. Werke, die der Landtag anschafft, müssen nicht nur thematisch in die Sammlung passen, sondern auch physisch. Viele Wände, an denen sie ein großes Bild aufhängen kann, gibt es nicht. Zu viele sind abgerundet.
Wie viele Werke der Landtag pro Jahr anschafft, ist unterschiedlich. Verantwortlich für die Sammlung und Einkäufe ist der Landtagspräsident. Der aktuelle, André Kuper, hat sich vorgenommen, mehr Werke von Künstlerinnen einzukaufen. Auch der künstlerische Nachwuchs soll gefördert werden. Der Landtag lobt dazu den „Kunstpreis des Landtags“ aus und versucht auch sonst, Werke von jungen Künstler*innen zu kaufen.
Über das Budget für die Kunst spricht Elfi Zimmerling nicht. Aus Presseberichten rund um die Übergabe des Immendorff-Bildes geht hervor, dass das Gemälde 2006 etwa 100.000 Euro gekostet haben soll. In Zusammenhang mit der Anschaffung des Löwentrauts hieß es, es sei günstiger gewesen, als seine Gemälde normalerweise sind – häufig im oberen fünfstelligen Bereich. Elfi Zimmerling sagt, man versuche „steuerzahlerbewusst“ zu kaufen. 2020 waren es fünf Werke, die dazu gekommen sind. In anderen Jahren aber auch mal nur eines oder zwei.
Die Kunst ist auch in den Büros zu finden. Die Abgeordneten und jede*r Angestellte im Landtag wählen aus einem Katalog aus und bestellen die Werke, die ihnen gefallen. Im Depot zeigt Elfi Zimmerling ihnen die Bilder, bevor sie ihnen ins Büro gebracht werden. Das Depot liegt in einem Bürogebäude etwa zehn Minuten zu Fuß vom Landtag entfernt und ist eher unspektakulär. In zwei kahlen Räumen stehen in Luftpolsterfolie verpackt die gelagerten Kunstwerke auf Regalen. Bis vor kurzem war das Depot noch im Keller des Landtags untergebracht. Doch dort wurde der Platz zu knapp.

Einen festen Ort im Landtag bekommen die wenigsten Werke zugewiesen. Auch eine Garantie für die Künstler*innen, dass ihre Stücke permanent oder an einer bestimmten Stelle ausgestellt werden, gibt es nicht. Man sei in erster Linie ein Parlament, alles andere müsse sich dem unterordnen. Wenn Räume im Betrieb anders genutzt werden müssen und die Kunst dann nicht mehr dort hin passt, darf das kein Hindernis sein.
Immer wieder wechseln Kunstwerke ihren Platz. Weil sie etwa nicht dauerhaft an einer Stelle hängen können, an der sie viel Sonne abbekommen. Aber auch, um immer wieder andere Stücke in den Vordergrund zu bringen. Bald steht wieder eine größere Umhäng-Aktion an. Wenn nach der Landtagswahl neue Abgeordnete einziehen und die Büros neu verteilt werden, bedeutet das für Elfi Zimmerling Arbeit. Aber auch, dass vielleicht noch ein paar mehr Kunstwerke das Depot verlassen.
Weiterführende Links und Informationen
Der Landtag bietet Führungen zu seiner Kunstsammlung an: bei besonderen Besuchstagen (hier zu finden) oder auf Anfrage für Gruppen bis zu 20 Personen. Anfragen gehen an die Adresse [email protected].
Bei den offenen Wochenenden des Landtags können Bürger*innen das Haus ohne Anmeldung besuchen (Personalausweis reicht) und ohne Führung die Kunstsammlung anschauen.