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Jonges an die Stadt: Danke für gar nichts

Der Heimatverein hat sich acht Jahre lang dafür eingesetzt, den rheinischen Köbes mit einem Denkmal zu ehren. Bei der Enthüllung der Statue wurde sein Vorsitzender deshalb ungewöhnlich deutlich. Die Geschichte eines Geschenks, das (fast) keiner haben wollte.
Veröffentlicht am 8. März 2024
Köbes-Denkmal der Düsseldorfer Jonges
Hinter einem Zaun auf der Terrasse des Weinlokals "En de canon" steht das Köbes-Denkmal. Künstler Peter Rübsam, Jonges-Baas Wolfgang Rolshoven und Bürgermeister Josef Hinkel (von links) enthüllten.

Wolfgang Rolshoven ist ein Meister der Danksagung. Auf seinem Zettel stehen alle, die bei einem feierlichen Anlass erwähnt werden sollten, einige Namen liest er vorsichtshalber zwei Mal vor. An diesem Donnerstagvormittag dankt er großzügigen Stiftern und wichtigen Helfern, Mitgliedern und Vorstandskollegen, Anwesenden und Nicht-Anwesenden, den Organisatoren des anschließenden Umtrunks und dem Mann, der die Platte unter dem Sockel unter dem Denkmal gegossen hat. Dann sagt er einen überraschenden Satz: „Ich danke Bürgermeister Josef Hinkel für seine freundlichen Worte, obwohl die Stadt nichts getan hat.“

Diese undiplomatische, aber sicher nicht ungeplante Äußerung ist eng mit dem Denkmal verbunden, das bei dem Anlass enthüllt wird – und dem langen Weg dorthin. 2016 hatten die Düsseldorfer Jonges*, deren Vorsitzender Wolfgang Rolshoven ist, die Idee, den rheinischen Köbes zu ehren. Jene Männer also, die bei der Erfindung der wertschätzenden Kommunikation verhindert waren und die „‘Nen Lappen dazu?“, fragen, wenn jemand ein Wasser bestellt.

Diese Eigenarten bereiten Gästen, die nicht aus dem Rheinland stammen, große Freude – und spätestens dann wird auch den Einheimischen wieder bewusst, dass es ein besonderer Schlag Menschen ist, der in ihrer Stadt das Bier verkauft. Das auf die eine oder andere Weise zu betonen und für die Nachwelt festzuhalten, ist also eine durchaus schlüssige Idee.

Leider hatten Wolfgang Rolshoven und seine Mitstreiter größere Begeisterungsstürme erwartet. Sie planten ihr Denkmal selbstbewusst für den Burgplatz oder am Eingang der Altstadt, später immerhin noch für die Mühlenstraße, auf jeden Fall aber an einer prominente Stelle im öffentlichen Raum. Die Begeisterung bleib aus. Bei den Hausbrauereien (bei der Enthüllung nicht vertreten) und den Verantwortlichen im Rathaus begann die inoffizielle Meisterschaft des Herumdrucksens.

Ein medaillenwürdiges Beispiel lieferte Oberbürgermeister Stephan Keller im Podcast der Jonges. Wolfgang Rolshoven fragt ihn in der Folge, die im April 2021 veröffentlicht wurde, wann man denn mit einem Beschluss des Stadtrats rechnen könne. Die Antwort: „Ich glaube, dass es grundsätzlich wirklich eine schöne Idee ist, den Köbes zu ehren und ihn in Form eines Denkmals zu würdigen. Wir haben in Düsseldorf eine Kunstkommission, die darüber entscheidet, wenn Kunst im öffentlichen Raum aufgestellt werden soll. Diesen Prozess würde ich gerne auch durchlaufen. Wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir das anstoßen können, damit wir hier ein Votum bekommen können. Und auf der Basis dieser Entscheidung, die ja nur eine beratende Empfehlung sein kann, würden wir dann die Gremien des Rates befassen.“

Damit hatte die Kulturpolitik das Thema gewonnen, dort nahm das Ganze endgültig bizarre Züge an. So machten zum Beispiel die Grünen zur Bedingung für eine Zustimmung, der Auftrag für den Schöpfer der Statue müsse europaweit ausgeschrieben werden. Vermutlich wussten sie, dass die Jonges den Job längst dem Bildhauer Peter Rübsam versprochen hatten.

Mit jedem Jahr schrumpfte die Zahl derer, die noch an eine Verwirklichung glaubten und nicht Wolfgang Rolshoven hießen. Es wurde immer klarer, dass das Köbes-Denkmal wohl nie auf einer städtischen Fläche stehen wird. Deshalb entstand im Vorstand des Heimatvereins die Idee, Herbert Engist zu fragen. Der ist erstens Mitglied im Männerklub und zweitens der Wirt von „En de canon“. Das ist zwar eine Weinstube, die aber liegt mitten in der Altstadt und sogar in Sichtweite der Rheinuferpromenade. Herbert Engist sagte innerhalb einer Stunde zu.

Auf seiner Terrasse steht nun ein überlebensgroßer Köbes: ein volles Tablett in der linken Hand, das erste Altglas zum Servieren schon in der rechten, die Mundwinkel für den Berufsstand beinah etwas zu sehr über waagerecht. Der Standort ist privater Grund, liegt aber dennoch öffentlich gut sichtbar. Spätestens, wenn die Alte Kämmerei umgebaut ist und wieder mehr Fußgänger:innen die Zollstraße zwischen Rathausvorplatz und Rheinuferpromenade nehmen, wird der Bronze-Köbes reichlich Publikum haben. Wolfgang Rolshoven, der neben der Anfertigung gepflegter Danksagungslisten auch überfall-ähnliche Überzeugungsarbeit beherrscht, berichtete, ihm hätten bereits mehrere Stadtführer:innen zugesichert, das Denkmal zu einer festen Station ihrer Rundgänge zu machen.

Dass so lange niemand das Denkmal haben wollte, liegt auch an der Vorgeschichte. Nach eigenen Angaben hat der Verein rund 90 Plaketten, Gedenktafeln und Denkmäler gestiftet, nicht alle wussten ästhetisch vollends zu überzeugen. Mein Kollege Hans Onkelbach fasst dies 2015 in der Überschrift „Wenn die Jonges mit Geschenken drohen“ zusammen – dem kurzen Gegenentwurf zum 264 Seiten starken Buch „Sichtbare Zeichen der Düsseldorfer Jonges“

Da der Bedarf an sichtbaren Zeichen offensichtlich gedeckt war, gab sich die Stadt wenig Mühe, das Köbes-Denkmal der Verwirklichung näherzubringen. Bürgermeister Josef Hinkel hingegen gab sich bei der Enthüllung alle Mühe, diesen Umstand vergessen zu machen. Er grüßte die Anwesenden herzlich von Oberbürgermeister Stephan Keller, sagte er sei glücklich und stolz, dass das Denkmal nun enthüllt werde, und wiederholte zum besseren Verständnis mehrfach die Weisheit „Die stabilsten Bäume wachsen langsam“.

Anschließend versuchte er, dem Denkmal einen großen historischen Kontext zu verpassen. Die Bezeichnung Köbes sei eine Anlehnung an den Namen Jakob. Und das komme daher, dass früher die Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela in den Brauereien eingekehrt seien und dort von den Kellnern begrüßt und versorgt wurden. So ähnlich kann man die Legende unter anderem im Wikipedia-Artikel zum Stichwort Köbes lesen. Dort steht allerdings auch ein Satz, den Josef Hinkel vermutlich überlesen hat: „Diese Herleitung ist aufgrund anderer Quellen weder geographisch noch zeitlich haltbar.“

So blieben die Bravo-Rufe der Gäste an diesem Vormittag anderen vorbehalten, aber immerhin zeigte der Jonges-Chef sich im weiteren Verlauf milder gestimmt. Er formulierte seine Kritik am Ende wieder diplomatischer. Seinen zweiten Dank an Stifter und Spender verband er mit dem Hinweis, wie dringend erforderlich die finanzielle Unterstützung des Denkmals gewesen sei. „Es war sehr, sehr teuer“, sagte er. „Als wir mit dem Projekt angefangen haben, war es noch relativ günstig.“

* Anmerkung in eigener Sache: Hans Onkelbach und ich sind Mitglieder bei den Düsseldorfer Jonges.

Weitere Bilder von der Enthüllung

Köbes-Denkmal der Düsseldorfer Jonges
Bürgermeister Josef Hinkel beim Selfie mit einer kleinen Ausgabe der Bronze-Skulptur.

Köbes-Denkmal der Düsseldorfer Jonges
Auf dieser Bodenplatte wird das Denkmal erklärt.

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