Die zwei Welten Düsseldorfs
Im Oberkasseler Schwimmbad Rheinblick 741 wird das Namensversprechen nur durch die Sonntagssonne gestört. Die scheint nämlich direkt über dem gegenüberliegenden Ufer und blendet beim Schwimmen die Augen. Nebenan, in Planschbecken und Whirlpool, tummeln sich die Familien. Eltern rufen auf Deutsch, Englisch, Schwedisch und Japanisch ihre Wünsche nach Zurückhaltung durch die Halle, während sich im Hintergrund der Rhein gemächlich durch sein Bett treiben lässt.
Bei Jumpers in Hassels Nord sitzen zwei Mädchen auf einem Sofa und hören Musik. Gerade erklingt „Leben, Life, Hayat“ aus den Boxen, die dreisprachige Hook eines Haftbefehl-Songs über seinen Alltag als Vierzehnjähriger. „Die Straße nahm mich in den Arm und ließ nie wieder los. Warum bin ich nur gebor’n?“ Ein kleiner Junge kommt um die Ecke gelaufen und fragt: „Ist heute der Boxraum auf?“
Düsseldorf ist eine sozial gespaltene Stadt. Wie sehr, lässt sich im Quartiersatlas nachgelesen. Dort ist Düsseldorf in 171 Raumeinheiten unterteilt, die das unmittelbare Wohnumfeld der Menschen abbilden sollen. Geordnet sind diese dann nach sozialem Handlungsbedarf. Der ist nirgends so gering wie im Sozialraum 041006, einem schmalen Streifen entlang der Rheinallee und des Kaiser-Wilhelm-Rings in Oberkassel. Dort, wo die Familien am Sonntag mit ihren Kindern im Hallenbad planschen. Der ist nirgends so hoch wie im Sozialraum 098002, einer Hochhaussiedlung nördlich der Altenbrückstraße in Hassels Nord. Dort, wo das Kinderhilfswerk Jumpers Perspektiven bieten will, die ohne sie oft undenkbar wären.
Wer nacheinander durch die beiden Sozialräume spaziert, sieht schnell die Unterschiede. Villen mit freiem Blick auf Wiese und Rhein auf der einen, bunt angemalte Wohntürme mit Blick auf andere bunt angemalte Wohntürme auf der anderen Seite der Stadt. Die Autodichte dazwischen ist an beiden Orten groß, nur die Modelle unterscheiden sich deutlich. Ebenso die wilden Müllkippen, die nur in Hassels Nord zu finden sind.
Noch eindrucksvoller als der subjektive Eindruck ist jedoch der Vergleich der objektiven Zahlen zwischen beiden Räumen. In der Hochhaussiedlung in Hassels Nord erhält jeder Zweite Mindestsicherung, entlang des Rheins in Oberkassel ist es knapp jeder Hundertste. In Hassels Nord ist knapp jeder Dritte arbeitslos, in Oberkassel jeder 27ste. In Hassels Nord hat jede:r Bewohner:in rund 21, in Oberkassel rund 76 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. „Das sind schon zwei Welten“, sagt CDU-Stadtrat Dirk Angerhausen, zu dessen Wahlbezirk große Teile des Sozialraums 098022 gehören. „Ein Düsseldorf-Gefühl ist bei den Menschen hier sehr schwierig.“
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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