Die Uhr von St. Lambertus in der Düsseldorfer Altstadt tickt bald wieder richtig

Normalerweise wird ein Blitzeinschlag nicht so eindeutig dokumentiert. Aber der, der am 21. Mai St. Lambertus traf, ist in jeder Beziehung eindeutig aufgezeichnet: Zum einen gibt es ein Video, das den Augenblick zeigt. Und zum anderen ist die Uhr am unteren Ende der Schieferverkleidung des Turms exakt zu diesem Zeitpunkt stehengeblieben – um 17.35 Uhr.
Seitdem ist es in Düsseldorfs Altstadt immer kurz nach halb sechs. Die Zeiger verharren seit Wochen unten am Ziffernblatt: der kurze etwas vor der Sechs, der lange ein Stück dahinter. Beim noch genaueren Hinsehen fällt eine zweite Besonderheit auf. Auf der Spitze des Turms steht ein Kreuz, aus dem oben eine Metallstange herausragt. Die Spitze dieser Stange ist leer. Normalerweise steht dort ein Hahn. Aber er ist weg, das ist ebenfalls eine Folge des Gewitters, und auch das muss repariert werden.
Bei der Uhr sind Zifferblatt und die beiden Zeiger unversehrt geblieben. Aber das Innere hat den Einschlag nicht überstanden. Die Technik ist anfällig für alles, was mit zu viel Strom zusammenhängt. Das Werk ist elektrisch angetrieben und befindet sich etliche Meter unterhalb des Zifferblatts. Über lange Wellen werden von dort unten die Zeiger in Gang gehalten. Da Blitze in Sekundenbruchteilen eine enorm hohe Spannung freisetzen, überstehen elektrische Geräte einen solchen Schlag nie. Also auch das Uhrwerk nicht.
Nun hat man die Firma Petit & Edelbrock aus Gescher bei Münster beauftragt, den Schaden zu beheben. Die kennen sich aus mit so etwas. Sie gießen Kirchenglocken und reparieren Turmuhren. Wann sie die in Düsseldorf fertig haben werden, darauf wollte man sich auf Anfrage nicht festlegen. Bald, so hofft man, hat es den Düsseldorfern wieder mehr geschlagen als nur siebzehnuhrfünfunddreißig.
Jedenfalls ist St. Lambertus bei diesen Spezialisten in den besten, vor allem erfahrenen Händen: Das Unternehmen gibt es seit mehreren Jahrhunderten. Auf der Website heißt es dazu: „Die Geschichte der über 325 Jahre währenden Glockengießertradition von Petit & Gebr. Edelbrock findet ihren Ursprung in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die ersten nachweisbaren Spuren tauchen mit dem zu Ende gehenden 30-jährigen Krieg in Lothringen auf, wo viele Glockengießerfamilien ansässig waren.“ Sich diese Seite anzuschauen, lohnt sich.
Der Sturm im Mai hat neben der Uhr auch das Turmkreuz beschädigt, indem er es aus der Verankerung riss. Das hatten seinerzeit Passanten bemerkt, weil es – selbst von unten sichtbar – schief hing. Die Feuerwehr musste anfangs passen: Selbst die höchste Drehleiter reichte nicht bis ganz oben. Erst der Hubwagen einer Spezialfirma machte es möglich, den Schaden zu begutachten. Man befestigte das Kreuz, das 350 Kilogramm wiegt, provisorisch mit einem Stahlseil. Der darüber sitzende Hahn wurde jedoch vorsichtshalber demontiert und eingelagert.
Allein der Aufwand, so hoch hinauf zu kommen, war gewaltig. Für das viele Tonnen schwere Gefährt mit der Hebebühne musste sogar die Statik des unter dem Areal liegenden Rheinufertunnels geprüft werden, bevor es anrücken durfte. Die Statiker hatten aber keine Bedenken, die Decke hält auch das aus.
Zurzeit ist die Kirchengemeinde dabei, den Schaden von Experten begutachten zu lassen. Man hofft darauf, das Kreuz neu zu befestigen und den Hahn wieder darauf setzen zu können. Sollten die Schäden jedoch weiter reichen, sind umfassende Arbeiten nötig und Düsseldorfs ältestes (und schiefes) Wahrzeichen würde komplett eingerüstet.
Lambertus und der Blitz – das ist eine keinesfalls neue Schicksalsverbindung. Denn schon einmal hat ein solches Wetterphänomen die Kirche getroffen und Spuren hinterlassen. Und zwar so nachhaltig, dass sie bis heute weithin sichtbar sind: Der Turm ist schief, und das war am Ende die Folge eines Blitzeinschlags.
Auch im Jahr 1815 wurde die Spitze getroffen. Damals brach ein gewaltiges Feuer brach aus, wie eine Fackel muss Lambätes (so nennen ihn die Düsseldorfer auf Platt) ausgesehen haben. Josef Wimmer, Schlosser aus der Altstadt, sah die Gefahr für das gesamte Gotteshaus und kletterte hoch. Es gelang ihm durch geschicktes Zersägen der Balken, ein unkontrolliertes Zusammenstürzen zu verhindern. Noch heute sieht man in der Schatzkammer der Kirche seinen von Bleiresten gesprenkelten Hut liegen. Das Metall war in der Hitze geschmolzen und auf den wackeren Handwerker herabgetropft.
Nach dem Brand wurde alles erneuert, vor allem der Bleischutz erweitert. Dabei hatte man jedoch nicht bedacht, wie sehr dieses zusätzliche Gewicht auf die untere Holzkonstruktion drückt. Die verschob sich im Laufe der Jahre – und Düsseldorf bekam ein schiefes Wahrzeichen. Erst 1900 stoppten Techniker diesen Prozess durch Verstärkungen. Seitdem ist Lambertus zwar immer noch schräg, aber stabil schräg.
Als im Zweiten Weltkrieg erneute Schäden entstanden, die anschließend repariert werden mussten, hätte man die ungerade Optik leicht beseitigen können. Aber dagegen wehrten sich die Düsseldorfer.
Und so wurde alles erneuert, auch das Schiefe.