Die schweigsame Welt der Düsseldorfer Honorarkonsuln

20 Düsseldorfer vertreten ehrenamtlich fremde Staaten. Die Öffentlichkeit bekommt davon in der Regel nicht viel mit. Eine Recherche entlang von Klingelschildern, Briefkästen und geplatzten Gesprächen.
Von Marc Latsch (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 2. Mai 2024
Honorarkonsulat Jordanien
Das Honorarkonsulat von Jordanien ist in einem der Gehry-Gebäude im Medienhafen zu finden. So leicht und eindeutig ist es bei vielen Honorarkonsulaten in Düsseldorf hingegen nicht.

Werner Dornscheidt war immer ein vielbeschäftigter Mann, vor allem in seinen 16 Jahren als Düsseldorfer Messechef. Als er im Dezember 2019 in den Ruhestand ging, blieb ihm ein Amt: das des Honorarkonsuls von Mexiko. Darüber wollte ich mit ihm sprechen. Es dauerte ein paar Wochen, bis wir einen Termin vereinbart hatten. Stunden vorher sagte er endgültig ab. Ich solle lieber mit einem noch amtierenden Kollegen darüber sprechen.

Honorarkonsulate sind so etwas wie die verborgene dritte Liga zwischenstaatlicher Beziehungen. Wir alle kennen die Botschaften, die oft prunkvollen offiziellen Vertretungen eines Staates, die in Deutschland vor allem in Berlin zu finden sind. Dann gibt es Generalkonsulate. Sie haben einen regional begrenzten Zuständigkeitsbereich, werden aber zumindest von hauptberuflichen Beamten des jeweiligen Landes geleitet.

Honorarkonsuln sind hingegen einfache Ehrenamtler. Sie sind meist Bürger des jeweiligen Konsulatssitzes und werden einfach nur ernannt. In Düsseldorf gibt es aktuell 20 solcher Honorarkonsulate. Ihre Aufgaben kann man auf der Seite des Konsular Korps Deutschland nachlesen. Sie sollen Mittler zwischen den Staaten sein, die Staatsangehörigen ihres Entsendestaates und Unternehmensaktivitäten vor Ort betreuen.

Wer sie im Stadtbild sucht, sollte sich die exakte Adresse notieren und dann sehr genau hinschauen. Das Honorarkonsulat Guatemalas beispielsweise teilt sich mit fünf weiteren Unternehmen und Gesellschaften den Briefkastenschlitz 19 eines unscheinbaren Bürogebäudes an der Grafenberger Allee. Um die Vertretung des Inselstaats Madagaskar reihen sich zwar repräsentative Villen im Zooviertel, sie ist jedoch nur durch einen weißen Klebezettel unter dem Briefkasten des Sitzes mehrerer Bauverbände zu erkennen.

Wer Honorarkonsul wird, profitiert von rechtlichen Privilegien. Im Zusammenhang mit ihren diplomatischen Aufgaben sind sie vor Strafverfolgung geschützt. Das führt zu Grenzfall-Diskussionen bei Verkehrsdelikten im Rahmen offizieller Dienstfahrten und lockt offenbar auch Straftäter an. Das legt zumindest eine große internationale Recherche aus dem Jahr 2022 nahe. Demnach waren weltweit mehr als 500 aktuelle oder ehemalige Honorarkonsuln in Straftaten, Skandale oder staatliche Entwicklungen verstrickt, auch diejenigen, die in Deutschland tätig oder von Deutschland entsandt waren. Unter ihnen befanden sich verurteilte Drogenhändler, Mörder, Sexualstraftäter und Betrüger, die sich auf ihren diplomatischen Status beriefen, um Durchsuchungen und Verhaftungen zu vermeiden.

Von keinem der 20 Düsseldorfer Honorarkonsuln ist derartiges bekannt. Doch ein gewisser zwielichtiger Ruf hängt dem Amt seitdem an. Mit der Recherche im Hinterkopf hilft es auch nicht wirklich, dass viele Konsulate wie Briefkastenfirmen aussehen. Denn Guatemala und Madagaskar sind keine Einzelfälle. Bei meinem stichprobenartigen Rundgang durch die Stadt sind die meisten Honorarkonsulate kaum zu finden. Auf den Senegal weist das Schild einer Sprachschule und zahlreicher weiterer Firmen hin, auf Malta ein Drittel eines Briefkastens in einem Bürogebäude an der Kö. Am angeblichen belgischen Konsulatssitz am Kö-Bogen finde ich überhaupt keinen Hinweis auf unser Nachbarland.

Nach Dornscheidts Absage versuche ich auf seine Empfehlung hin telefonisch und per Mail Kontakt zu Claus Gielisch herzustellen. Er ist Honorarkonsul von Jordanien und Vize-Doyen des diplomatischen Korps in Nordrhein-Westfalen. Ich versuche es auch bei Ute Ohoven, Ehefrau des verstorbenen Mittelstands-Präsidenten Mario Ohoven und, wie schon ihre Eltern, Honorarkonsulin des Senegal, sowie bei Klaus Nielen, dem Honorarkonsul Angolas. Keiner der drei reagiert auf meine Anfragen. Erst Rolf Herpens, Zahnarzt, Karnevalist und Honorarkonsul der Seychellen, antwortet wieder auf meine Mails.

Es gibt auch Honorarkonsulate in Düsseldorf, die so angelegt sind, dass die Menschen sie finden können. Dass die schwedische Honorarkonsulin in einem Bürogebäude mit leicht morbidem Charme nahe der Berliner Allee sitzt, ist durch ein großes Wappen über der Haustür leicht erkennbar. Am Schweizer Honorarkonsulat an der Kasernenstraße prangen deutlich sichtbar eigene Klingel, eigener Briefkasten, eigenes Blechschild und das Schweizer Wappen. Die entsprechenden Hoheitszeichen sind auch am luxemburgischen Honorarkonsulat an der Heinrich-Heine-Allee zu sehen – wenn auch leicht versteckt hinter den Gebäudesäulen.

Honorarkonsuln wurden klassischerweise auch Handelskonsuln genannt. Was daher kommt, dass der Job früher vor allem Kaufleuten angeboten wurde, um die Handelsbeziehungen zwischen den jeweiligen Staaten zu stärken. Heute ist der berufliche Hintergrund der Düsseldorfer Konsuln deutlich vielfältiger. Viele stammen nach wie vor aus der freien Wirtschaft, andere sind Anwälte, Parteipolitiker oder Strategieberater. Rolf Herpens ist der einzige Zahnarzt unter ihnen.

Trotz mehrfachen Mailkontakts kommt auch mit Herpens am Ende kein Treffen zustande. Erst verweist er auf seinen nahenden Urlaub, dann auf eine spontane diplomatische Mission, für die er auf die Seychellen gerufen worden sei. Auf die Bitte, doch für danach schonmal einen Termin zu vereinbaren, reagiert er jeweils nicht. Dennoch gehört er nicht zu jenen Honorarkonsuln, die ihre Aufgabe verstecken. Vor sechs Jahren, Herpens war gerade zwölf Monate im Amt, sprach er mit der „Rheinischen Post“ darüber. In dieser Zeit hatte er vor allem Fragen deutscher Urlauber beantwortet und nur zwei Mal auch die wenigen Seycheller betreut, die überhaupt nach Deutschland kommen.

Auf dem Foto zum Artikel ist eine große Plakette mit dem Wappen des 120.000-Einwohner-Staates zu sehen – an Herpens‘ Haus in Stockum.

Weiterführender Link

Eine Übersicht alle konsularischen Vertretungen in NRW


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