Die Rückkehr der Schallplattensammlerin
Schallplatten kosten Geld, das Brigitte Querl nicht hat. Trotzdem versucht die Rentnerin, zum zweiten Mal eine Sammlung aufzubauen.

Du kennst doch diese Leute, die Schallplatten sammeln, oder sagen wir, du hast eine Vorstellung von ihnen. Männer über 40, die relativ blaue Jeansjacken tragen und limitierte Sneaker und Kopfbedeckungen jeder Art, auch wegen des schwindenden Haupthaars, und auf jeden Fall ein ausgewaschenes Band-T-Shirt. Sie verfügen über ein solides Einkommen und haben mindestens ein Musikmagazin abonniert, „wegen der Haptik“. Brigitte Querl aus Angermund ist nicht diese Leute. Brigitte ist eine Frau. Damit geht’s ja schon los.
Wir treffen uns an einem Samstag im Mai, es ist kurz vor elf auf dem Parkplatz am Grotenburg-Stadion in Krefeld, vor uns ein Flohmarkt mit dem üblichen Gebrauchtwarenangebot. Brigitte, 71, trägt eine Patchwork-Jacke und Jeans, die hellen Haare hat sie zum Zopf gebunden. Der Flohmarkt läuft seit 7 Uhr. Brigitte weiß, die Profis waren schon da, aber vielleicht findet sie trotzdem ein paar Schallplatten. Ein Mann begleitet sie. Er sieht aus wie Klaus Kinski an einem guten Tag und er heißt auch Klaus. Er wird sie in den nächsten Stunden regelmäßig „Maus“ nennen.
Mit ihren Händen arbeitet sich Brigitte durch die ersten Kartons und Kisten. Eine Platte der britischen Rockband The Moody Blues gerät ihr zwischen die Finger, „Doldinger ist eigentlich auch nicht verkehrt“, sagt sie. Klaus Doldinger, der Musiker, der die Titelmusik für den Tatort geschrieben hat. „Pass mal auf, was jetzt passiert“, sagt sie zu mir. Sie wendet sich zum Verkäufer. „Kann ich kurz was fragen? Was sollen die denn kosten?“ Drei Euro pro Platte werden verlangt. Sie möchte, nein kann aber nur zwei zahlen. „Moody Blues kann man nehmen, wenn sie günstig ist“, sagt Klaus. Er kennt den Markt für gebrauchte Schallplatten, er hat sie sein Leben lang gekauft und verkauft. Brigitte überlegt. Drei Euro sind viel. Also schlägt sie dem Verkäufer vor: Fünf Euro für beide zusammen? Einverstanden. „Danke dir“, sagt sie. Das sagt sie nach jedem Kauf. Klaus packt die beiden Schallplatten in seinen Rewe-Jutebeutel. In der nächsten Kiste stecken die Platten zusätzlich in Plastikhüllen. Viele kosten zehn Euro und mehr. „Das kannst du dir als Rentnerin nicht leisten“, sagt Brigitte.
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