Derendorfer Jonges nehmen erstmals eine Frau auf

Eine Frau will Mitglied in einem Verein werden und wird das auch. Dass diese Nachricht überhaupt eine ist, ist im Grunde die Nachricht: Da nimmt ein traditioneller Heimatverein eine Frau als Mitglied auf, und normalweise würde man sagen „Na und?“. Aber nicht in Düsseldorf.
Der Grund ist ebenso klar wie skurril: Weil es nicht die Regel ist. Denn es gibt hier noch reine Herren-Klubs. Passender wäre es übrigens, sie Alt-Herren-Klubs zu nennen, da ihr Altersdurchschnitt eher hoch ist. Der bekannteste ist die Vereinigung, die sich Heimatverein Düsseldorfer Jonges nennt und rund 3400 Mitglieder hat.
Das Wort Jonges entspricht dem Plural des hochdeutschen Begriffs „Jungen“. Allerdings nur ungefähr. Denn: Junge begrenzt das Alter auf höchstens 16 Jahre. Danach ist Schluss, aus dem Jungen wird ein junger Mann. Bei den Jonges ist das anders: Jong (so der Singular) ist man von Geburt bis zur Bahre. Anders gesagt: Ein Jong altert zwar nach Jahren, aber nicht nach Bezeichnung. Das Wort umreißt eher eine geographische Zugehörigkeit.
Nämlich zu Düsseldorf – und Umgebung. Denn es gibt zum Beispiel auch einen Klub dieses Namens in Ratingen. Die dortigen Jonges haben um die 1000 Mitglieder und ihrer Satzung heißt es in Paragraph 5, Absatz 1: „Mitglied des Vereins kann werden wer männlich und volljährig ist.“ Kurz und klar. Bei Veranstaltungen ist man allerdings großzügig. Ausdrücklich wird da erwähnt, dass Frauen mitkommen dürfen. Ob die das wollen bei einem Event, das unter „Schiet wat drop“ auf der Internetseite beschrieben wurde? Es war die Besichtigung eines Klärwerks.
Regelmäßig verleihen die Ratinger Jonges eine Ehrung für ehrenamtliches Engagement, die sich Dumeklemmer-Plakette nennt. Die haben auch schon mehrere Frauen erhalten. Dumeklemmer heißt die Auszeichnung in Erinnerung an den Heiligen Suitbertus, der sich im Mittelalter mal den Daumen im Stadttor eingeklemmt haben soll.
Zurück zum Verein Düsseldorfer Jonges. Der ist inzwischen über 90 Jahre alt und hat turbulente Zeiten hinter sich. Heute legt man Wert auf Toleranz gegenüber Religion und politischer Ansicht, die sexuelle Neigung interessiert nicht, Herkunft, Job und ähnliches sollen ebenfalls keine Rolle spielen. Lediglich mit der AfD lehnt man jede Berührung ab.
Apropos: Bewusst offen geht man seit Jahren auch mit den Peinlichkeiten der Nazi-Zeit um. Erst vor wenigen Wochen hat man die Fotos einiger zwischen 1933 und 1945 aktiver Baase und Ehrenbaase im Jonges-Haus diskret von der Wand genommen und ihre Namen aus den Annalen gestrichen. Posthume Aberkennung ihrer Würdigung, sozusagen. Und ohne es an die große Glocke zu hängen.
Aber mit der Änderung eines besonderen Fossils aus frühen Zeiten tut man sich schwer: der Regel, ausschließlich Männer aufzunehmen. Diese Frage, in heutigen Zeiten schwer vermittelbar, entzweit die Truppe zutiefst. Der Kern der Frauengegner ist erstens hart und zweitens keineswegs eine Minderheit.
Nun wird man die Nachricht, dass die Freunde aus Derendorf das anders sehen, garantiert zur Kenntnis nehmen, sich aber nach außen unbeeindruckt zeigen. Obwohl man weiß, dass eine solche Nachricht der Diskussion, die im Hintergrund seit Jahren in steigender Intensität geführt wird, neuen Schub geben dürfte.
Allerdings ging auch in Derendorf die Zustimmung für das erste weibliche Mitglied seit der Gründung 1956 nicht ganz so glatt über die Bühne. Die Derendorfer Ratsfrau Aletta Mansheim war im August vorigen Jahres zu einem politischen Vortrag zu Gast – und nicht nur thematisch gut vorbereitet. Denn im Laufe des Abends zückte sie zur Verblüffung der Herren ein komplett ausgefülltes Antragsformular und überreichte es dem Vorstand. Der war offenbar verunsichert, wie man damit umgehen soll und verschob die Entscheidung auf die nächste Jahreshauptversammlung.
Die war über ein halbes Jahr später. Von den 43 anwesenden Mitgliedern stimmten jetzt 39 für die Aufnahme, vier dagegen. Die Gegner argumentierten mit Historie, die Befürworter – unter anderem der gerade neu gewählte Vorsitzende (Baas) Piet Keusen – mit dem Hinweis, es sei schlicht nicht zeitgemäß, die Hälfte der Bevölkerung auszuschließen.
Inzwischen hatte man sich auch die Satzung angesehen. Dort steht lediglich, dürfe Mitglied jeder werden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat. Also auch Frauen. Und so wurde dann auch entschieden: Aletta Mansheim ist jetzt Derendorfer Jong.
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