Andreas Ruch
Andreas Ruchs Begeisterung für „Die drei ???“ ist vermutlich älter als Geweih und Tapete im Hintergrund. Foto: Andreas Endermann

Der unwahrscheinliche Aufstieg eines Drei-Fragezeichen-Fans

Andreas Ruch hat sich einen Traum erfüllt, von dem er nie wusste, dass er ihn hatte. Seit 40 Jahren ist er Fan von „Die drei ???“. Nun ist das erste Hörspiel erschienen, für das der Düsseldorfer das Cover gestaltet hat. Wie hat er das hinbekommen?
Veröffentlicht am 23. November 2022

Andreas Ruch sorgt sich. Darum, dass es keinen so guten Eindruck macht, wenn hier jetzt zu lesen ist, dass er das Ende des Hörspiels „Im Netz der Lügen“ von „Die drei ???“ noch nicht kennt, weil er jedes Mal nach ein paar Minuten eingeschlafen ist. Dabei ist es doch ausgerechnet die Folge, für die er das Cover gestaltet hat. Seine Sorge ist ein großer Blödsinn, beweist seine Unfähigkeit wach zu bleiben schließlich, dass er ein echter Fan ist. Eher erreicht Drew Barrymore das Ende von „Scream“ als ein Drei-Fragezeichen-Anhänger abends im Bett den Abschlusslacher einer Folge. Die Hörspiele gehören zu den beliebtesten Einschlafhilfen des Landes. Nicht, weil sie so langweilig sind, sondern weil die bekannten Stimmen Wohlsein hervorrufen.

Andreas Ruch, 47, hat sich einen Traum erfüllt, von dem er nicht wusste, dass er ihn hatte. Vielleicht, weil er selbst für einen Traum zu unrealistisch war. Wie hätte er es auch anstellen sollen? Die Kassetten der drei Detektive hört er schon seit der Grundschule, nun ist zum ersten Mal ein Hörspiel mit einem Cover erschienen, das er gestaltet hat. Irgendwann im September kam ein Paket mit der Post vom Kosmos-Verlag, der die Rechte für die Reihe besitzt und die Bücher veröffentlicht. Darin waren drei Kassetten, drei CDs und eine LP von „Im Netz der Lügen“, Folge 218. Trotzdem bestellte er noch zwei weitere Exemplare als Kassette, so wie er es immer macht. Eine Kassette bleibt in der Originalverpackung.

Er wusste schon lange, dass dieses Paket kommen würde, und doch sagt er: „Es war immer noch ein Überraschungsmoment.“ Das Cover zeigt die Silhouette eines Einbrechers, genauer: seine Rückseite, mit Sturmhaube und Brecheisen. Der Mann schaut von einem Hügel auf eine in der Dunkelheit liegende Stadt, dahinter versinkt die Sonne im Meer. Die Stadt ist Rocky Beach, die fiktive Heimat der drei Ermittler in der Nähe von Los Angeles.

Aber wie hat er es denn nun angestellt?

Ruch ist ein eher unauffälliger, gemütlicher Typ, einer, den man sich auch gut mit Freunden und ein paar Flaschen Craft-Beer an der Playstation vorstellen kann. Ich besuche ihn in seiner Altbauwohnung in Bilk, wo er mit Frau und Hund wohnt. Beide sind gelernte Grafikerdesigner:innen. Sogar das Spülmittel muss hier auch optischen Kriterien genügen. Nach kurzem Geplauder in der Küche führt mich Ruch in ein Zimmer mit einer riesigen Regalwand. Darin stehen alle Bücher der „Drei Fragezeichen“. Er weiß genau, nach welcher Folge die amerikanischen Autoren ihre Arbeit einstellten und die deutschen Autoren ihre Arbeit aufnahmen. Warum auf dem Buchrücken plötzlich für eine Folge Alfred Hitchcocks Gesicht fehlte, dann zurückkehrte und schließlich für immer verschwand. Als der Regisseur verstarb, hielt man es zunächst für angemessen, auf ihn zu verzichten. Dann wollte man ihn doch zurück. Irgendwann liefen die Nutzungsrechte für sein Gesicht aus, eine Verlängerung war zu teuer. Der Bezug auf Hitchcock diente ohnehin nur dem Marketing, er selbst beteiligte sich nie an der Reihe. Im Regal steht auch eine Boombox aus den 80ern. Die Drei-Fragezeichen-Kassetten hat Ruch allerdings mit vielen anderen Hörspielen seiner Kindheit in mehreren Alukoffern einen Raum weiter untergebracht. Ein Zugeständnis an seine Frau, die die Hörspiele eher aus Liebe zu ihm, aber nicht aus Liebe zur Serie mithört.

Seine Liebe zu Hörspielen begann mit Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg, ging aber zügig zu den „Drei Fragezeichen“ über, als seine Cousine ihm einige Folgen auf Kassette überließ. Er hat irgendwann beschlossen, dass es 1982 gewesen sein muss. Ruch war sieben, acht Jahre alt. „Hinlegen, Augen zumachen und zuhören“, das hatte ihm schon immer an Hörspielen gefallen. Er hörte auch TKKG, Funkfüchse, Fünf Freunde, aber die drei Detektive sind ihm bis heute erhalten geblieben. Für ihn ist es nicht nur die beste Serie. „Die drei Fragezeichen sind für mich auch die besten Menschen.“ Sie seien frei von Vorurteilen, nicht ausländerfeindlich, nicht frauenfeindlich. „Kein Zeitgeist, der dich heute umfallen lässt.“ Ja, auch in Rocky Beach tauchten Zigeuner auf, ein paar fragwürdige Akzente gab es auch, aber nie sollte das die Figuren abwerten wie bei TKKG, wo ein ausländischer Akzent gleich den Kriminellen markierte. Justus, Peter und Bob ermittelten auch nicht in Deutschland, sondern an der amerikanischen Westküste, nicht gegen Drogendealer, Entführer und Terroristen, sondern gegen Geister, Dämonen und Kunstdiebe. „Es war nie der Hauptaufhänger der Serie, möglichst zeitgemäß zu sein.“

Früh begeisterten ihn auch die Cover, Karpatenhund, Geisterschloss, fast schon ikonisch gestaltet von Aiga Rasch, von deren Existenz er damals selbstverständlich noch nichts wusste. Der Hintergrund war schwarz, das ganze Cover wirkte bedrohlich, ungewöhnlich für eine Jugend-Reihe. „Die Optik hat mich unfassbar abgeholt.“ Ein früher Hinweis auf seinen späteren Beruf, ohne dass es ihm bewusst war. Im Gegensatz zu vielen anderen Fans legte er nicht mit der Pubertät eine Pause ein, um als Erwachsener wieder nach Rocky Beach zurückzukehren, sondern blieb einfach. Für jede neue Folge ging er in den Elektroladen in Sinzig, einer Kleinstadt in Rheinland-Pfalz, um das neue Hörspiel zu kaufen. Das änderte sich auch nicht in der Phase, die er als schwierig bezeichnet – schwierig nicht für ihn, sondern für seine Eltern und Lehrer. Skateboard, Zigaretten, Punk, das ganze Programm. Vom Gymnasium ging es auf die Hauptschule. Als er merkte, dass er nicht viele andere Talente hatte als zu zeichnen, machte eine Ausbildung zum Mediengestalter. 2007 zog er für seinen Job in einer Werbeagentur nach Düsseldorf. Heute arbeitet er als Art Director bei Grey, Abteilung Handelsmarketing. Er soll also dafür sorgen, dass die Leute im Geschäft die Produkte bestimmter Unternehmen auch kaufen.

Doch niemals kam ihm in den Sinn, dass es sein Job sein könnte, Cover für sein Lieblingshörspiel zu gestalten. Als 2018 in Deutschland ein Blutmond am Himmel stand, fragte er sich, warum es eigentlich noch keine Folge mit so einem Blutmond gegeben hatte. Also zeichnete er das Cover einfach selbst, fand Gefallen daran, illustrierte zu einigen Folgen alternative Cover, die ihm im Original nicht so gut gefallen hatten. Aiga Rasch war damals bereits verstorben, ihre Nachfolgerin hatte übernommen. Den Folgen verpasste er auch einen alternativen Titel und postete die Cover in Fangruppen auf Facebook. Na klar, ein bisschen Lob wollte er einheimsen, aber eine Strategie verfolgte er damit nicht, sagt er heute. Es war einfach die Liebe zu einer Serie, keine Berechnung. Eines Tages meldete sich ein Mann namens Matthias Bogucki bei ihm. Der Name sagte ihm nichts. Er stellte sich als Nachlassverwalter von Aiga Rasch vor und war begeistert von seinen alternativen Covern. So muss sich für einen Illustrator und Drei-Fragezeichen-Fan wohl der Himmel anfühlen. Als Ruch einige Cover auch an den Kosmos-Verlag schickte und keine Rückmeldung bekam, leitete der Nachlassverwalter das Ganze noch mal weiter. In Ruchs Erinnerung dauerte es nur wenige Tage, bis er vom Verlag hörte. „Aus einer Schnapsidee wurde eine Strategie. Ich habe nichts von dem, was passiert ist, eingeplant.“ Der Verlag hatte gerade vor, die Gestaltung zu verändern, außerdem die Cover einiger früher Folgen aufzufrischen. Ruch war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und gehörte plötzlich zum Team. Neben seiner Kollegin Silvia Christoph ist er nun für die Cover verantwortlich. Er nennt sie „ein Appetithäppchen, das man hingeworfen bekommt“, etwas, das im besten Fall Spannung erzeugt. Ein Kreis hat sich geschlossen, von dem er immer gedacht hatte, es sei bloß eine Linie. Sogar ein eigenes Drei-Fragezeichen-Buch außerhalb der regulären Reihe hat er schon geschrieben und hofft, dass daraus auch ein Hörspiel wird.

Nostalgie, die Reise in seine Kindheit, das spielt eine große Rolle für Ruch. Zügig hat er aber gelernt, dass Nostalgie nicht bloß ein schönes Gefühl sein, sondern auch in Ärger umschlagen kann. Viele Fans waren nicht einverstanden mit den veränderten Illustrationen, sogar die vertraute Schrift wurde ersetzt. Einer habe ihm sogar geschrieben, er sei der Totengräber von Aiga Rasch. Ruch aber weiß, dass der Verlag Achtjährige von heute, nicht die Achtjährigen von damals ansprechen möchte, damit die Serie überlebt. Er selbst hört die Folgen nur mit der alten Musik, die später aufgrund der Rechte ausgetauscht wurde, aber Kinder aus den 90ern haben diese nostalgische Verklärtheit nicht. Die wundern sich dann über den Krautrock. Ruch hat begriffen, dass jede Generation ihre eigenen Erinnerungen schafft, die morgen eine neue Nostalgie werden. Ich zum Beispiel habe die Hörspiele erst als Erwachsener gehört und mag die Stimmen der volljährigen Sprecher lieber als ihre Kinder-Versionen aus den frühen Klassiker-Folgen.

Auch eine andere Sache stört ihn nicht, die gerade einige Fans umtreibt. Vor einigen frühen Folgen läuft bei den Streaming-Diensten neuerdings ein Hinweis, dass das Hörspiel ein Produkt seiner Zeit und jegliche Art von Diskriminierung heute wie damals falsch sei. Durch diese 40 Sekunden fühlten sich einige Fans bevormundet und in eine falsche Ecke gestellt. „Fan der drei Fragezeichen zu sein bedeutet nicht automatisch, dass du ein reflektierter Mensch bist“, sagt Ruch. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich manche Leute in meinem Alter nicht mit dem Thema auseinandersetzen möchten.“ Er vermutet, dass sie sich in ihrer Nostalgie gestört fühlen, fragt aber: „Wie schwach sind deine Erinnerungen, wenn dir so was das kaputt machen kann? Nichts kann das kaputt machen, außer ich selbst.“

Weiterführende Links

Der Instagram-Account von Andreas Ruch

Die Folge „Im Netz der Lügen“ ist unter anderem auf Spotify zu hören.


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