Bar-Tipp: Studieren mit Probieren bei Dr. Pfeiffer

Getränke, die Funken sprühen oder große Luftblasen tragen, Popcorn statt Nüsschen und Studienbuch statt Cocktailkarte – im „Institut für höhere Trinkkultur“ läuft einiges anders.
Veröffentlicht am 22. Mai 2023
Bar Dr. Pfeiffer Düsseldorf
So strahlt der Cocktail Marie Curie in der Bar Dr. Pfeiffer an der Merowingerstraße. Fotos: Andreas Endermann

Ich erlaube mir, ein Zitat des Mit-Düsseldorfers Heinrich Spoerl ein ganz kleines Bisschen anzupassen: Diese Bar ist ein Loblied auf die Schule. Aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt.

Nahezu denselben Satz hat der Autor vor 90 Jahren seinem Roman „Die Feuerzangenbowle“ vorangestellt – und er passt wunderbar zu der Bar, die den Namen der Hauptfigur trägt: Dr. Pfeiffer. Wer dort war, wird sich ärgern, früher keinen Chemie-Leistungskurs belegt zu haben oder wie Barchef Marc Hermann einen lebenslangen Erdkunde-LK zu besuchen.

Marc Hermann ist viel gereist, hat viel gesammelt und macht nun für einige Zeit (vermutlich noch zweieinhalb Jahre) Station in Düsseldorf. Hier hat er das Lokal an der Merowingerstraße in Bilk übernommen, in dem früher die Bar Alexandra war, und ihm eine sehr gute neue Geschichte verpasst: Das Logo besteht aus Zylinder, wohlgepflegtem Schnäuzer und Fliege, die Inhaber Kevin Köhler und Marc Hermann verteilen an ihre Gäste keine Karten, sondern Studienbücher, und nennen das Ganze „Institut für höhere Trinkkultur“.

Auf der Theke steht ein uraltes Telefon, das tatsächlich noch funktioniert. Am Abend unseres Testbesuchs ringt es regelmäßig, weil Menschen anrufen und fragen, ob sie noch eine Chance auf einen Platz haben. Das passt insofern gut zur Verfilmung der „Feuerzangenbowle“ von 1944, weil eine der wenigen Abweichungen von der literarischen Vorlage und ein Zugeständnis an die Zeit tatsächlich das Telefon war.

Das Studienbuch ist mehr als eine Hülle, es macht wirklich klüger. Alle Cocktails sind nach Wissenschaftler:innen oder Künstler:innen benannt, die bestimmte Fächer lehren. Deshalb stehen dort neben den Zutaten auch Zitate und anderes Wissenswertes zu den Berühmtheiten. Es bleibt ein Leistungskurs, aber der entspannteste aller Zeiten.

Klassiker und temporäre Lieblinge stehen nicht im Buch, das Team hinter der Bar macht aber den sicheren Eindruck, auf Wunsch viel möglich zu machen. Von Moscow Mule und Kollegen würde ich dennoch abraten, weil man dann einfach zu viel verpasst. Denn jedes Getränk ist eine kleine Show. An dieser Stelle sei nochmal Heinrich Spoerl zitiert. Der schafft es mit vier Wörtern, sein titelgebendes Getränk vor Augen und Nase seiner Leser:innen zu bringen: „Eine blutrote, dampfende Flüssigkeit“, schrieb er über die Feuerzangenbowle. Dieses Kunststück möchte ich mit den Getränken versuchen, die wir studiert haben:

Die unendliche Dunkelheit schimmert (Stephen Hawking, 13 Euro)
Unter dem Namen des großen Physikers kommt ein Schwarzes Loch im Glas auf den Tisch. Der Cocktail ist düster wie Lakritze, Teer und Pech zusammen. Wenn man allerdings sein Handy herausholt, die Taschenlampe einschaltet und das Licht über die Oberfläche des Getränks gleiten lässt, dann strahlen einem viele kleine Schimmer entgegen. Das Ganze ist nicht nur chemisch ein kleines Wunder, sondern auch geschmacklich. Marc Hermann bringt darin nämlich den (mir sonst zu) torfigen schottischen Whisky Ardberg mit Zitrus-Noten in eine ungeahnte Balance.

Eiskalte Birne lindert Schmerzen (Thomas Edison, 12,50 Euro)
Der Erfinder wird gleich doppelt geehrt: mit dem schlichten, aber sehr schönen Beleuchtungskonzept der Bar und einem Drink, der nach ihm benannt ist. Dieser wird in einer eiskalten Kupfer-Birne serviert, deren Anblick allein schon die Bestellung wert ist, die aber auch wieder zeigt, wie gut der Barchef bei den Lektionen seines Lebens aufgepasst hat. Diesmal steht ein Bourbon aus Kentucky im Mittelpunkt (Woodford Reserve), er findet geniale Partner in Birne und Eisenkraut. Letzteres ist bekanntlich gut gegen Schmerzen. Wer weiß, wofür das nach diesem Abend noch gut sein kann. Denn ein Getränk muss ich auf jeden Fall noch bestellen.

Der Schokoladen-Vulkan spukt Funken (Alexander von Humboldt, 14 Euro)
Der Entdecker hätte eine Menge Vorlagen liefern können, Marc Hermann hat sich für die Besteigung des Chimborazo in Ecuador entschieden. Einziger kleiner Unterschied: Als Alexander von Humboldt ihn um 1800 erforschte, war er bereits erloschen. In Bilk bricht er dagegen regelmäßig aus. Eine kleine Fruchthülle bringt brennenden Alkohol ins Getränk, darüber schüttet der Barchef dann ein geheimes Pulver und schon fliegen die Funken – die Ouvertüre zu einem Cocktail, der das Hochprozentige auf wunderbare Weise mit Kakao und Orange kombiniert.

Nicht probiert, sondern ausschließlich bewundert haben wir Marlene Dietrich. Für diesen Cocktail wird Dampf in einer Luftblase gefangen und auf das Glas gesetzt. Und da wir zu Fuß da waren, haben wir keinen der alkoholfreien Cocktails bestellt, obwohl auch diese einen passenden Platz im Konzept haben. Sie stehen im Kapitel „Die Nachmittags-AGs“.

Bar Dr. Pfeiffer Düsseldorf
Bar Dr. Pfeiffer Düsseldorf
Eine der Besonderheiten des Cocktails Marlene Dietrich: Dampf wird in einer Luftblase gefangen und auf das Glas gesetzt, wo diese zerplatzt. Foto: Andreas Endermann

Adresse, Öffnungszeiten und Literatur
Dr. Pfeiffer, Merowingerstraße 18 (Bilk), Nummer des alten Telefons: 0211 15869466, E-Mail: [email protected]

Geöffnet: Mittwoch, Donnerstag und Sonntag 19 bis 1 Uhr, Freitag und Samstag 19 bis 3 Uhr

Literatur: „Die Feuerzangenbowle“ gibt es in einer schönen neuen Ausgabe (übrigens die 106. Auflage) mit einem umfangreichen Nachwort. Sie ist im Düsseldorfer Droste-Verlag erschienen.


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