Wie sich Düsseldorfer Politiker auf TikTok präsentieren

Soziale Medien gehören in der modernen Wähleransprache wie selbstverständlich dazu. Doch mit der Plattform, die die meisten jungen Menschen nutzen, tun sich die Parteien noch schwer.
Von Marc Latsch (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 14. August 2024
TikTok-Accounts der Düsseldorfer Politiker
Sieben Beispiele für politische TikTok-Kanäle aus Düsseldorf: Özlem Demirel, Grüne Jugend, Christine Rachner und Andrea Kraljic (obere Reihe von links), Berit Zalbertus, Sabrina Proschmann und Marco Schmitz (untere Reihe von links).

Ein Mann lehnt an einem Schreibtisch. Er trägt ein weißes Hemd, eine beige Hose und hält ein kleines Mikro zwischen seinen Fingern. Er sagt: „Hey Leute, ich bin der Marco und ich starte heute auf TikTok. Wir wollen das einfach mal ausprobieren. Keine Ahnung, ob das funktioniert oder nicht.“ Was er sagt, ist gar nicht so einfach zu verstehen. So laut ist die Musik, die dem Clip von Marco Schmitz unterlegt ist. Der CDU-Politiker ist das einzige Düsseldorfer Mitglied des Landtags, der derzeit auf TikTok aktiv ist.

Nach offiziellen Angaben nutzt in etwa jeder vierte Deutsche die umstrittene chinesische Kurzvideo-Plattform. 21 Millionen Menschen, etwas weniger als bei Facebook und Instagram, deutlich mehr als bei X. TikTok erreicht vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie sind es, die hier die meisten Beiträge veröffentlichen. Doch mittlerweile hat auch die große Politik die Kurzvideos für sich entdeckt. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz ist neuerdings bei TikTok.

Sabrina Proschmann ist die lokalpolitische TikTok-Pionierin in Düsseldorf. Die SPD-Stadtverbandsvorsitzende ist hier bereits seit vier Jahren aktiv. In ihren Videos geht es oft unpolitisch zu. Eine Modelleisenbahn ist zu sehen, Proschmann in Schlittschuhen mit einem Neujahrsgruß, als EM-Volunteer und halb-poltisch mit der SPD im Düsseldorfer Karneval.

Hochpolitisch ist hingegen ihr erfolgreichstes Video. Es zeigt eine stillliegende Großbaustelle in Düsseldorf. „Das passiert, wenn Unternehmen mit Boden spekulieren…“, steht darübergeschrieben. Dazu läuft „Oh No“ von Kreepa – ein Sound, der bei TikTok viel genutzt wird, um Situationen zu untermalen, die suboptimal sind. Häufig genutzte Sounds belohnt der Algorithmus mit mehr Reichweite.

In der Düsseldorfer Lokalpolitik ist TikTok noch nicht verbreitet. Proschmann ist eine von nur drei Ratsfrauen, die dort bereits ein oder mehr Videos veröffentlicht haben. Mit Schmitz kam im Juni der erste Düsseldorfer Landtagsabgeordnete dazu. Für die meisten Politikerinnen und Politiker ist TikTok ganz weit weg von der eigenen Lebensrealität. Doch es ist auch die wohl beste Möglichkeit, potenzielle Jungwähler zu erreichen. Wenn denn die eigene Reichweite dafür groß genug ist. Proschmann hatte Anfang August 369, Marco Schmitz 231 Follower. Bei FDP-Ratsfrau Christine Rachner sind es bislang 50 Follower. Sie hat allerdings auch erst ein Video hochgeladen, das sie bei einer Rede zum Weltfrauentag zeigt.

Ein Selfie, dazu ein Schlagersong mit dem Text „Das bin ich, ich lasse mich nicht verbiegen“. So simpel startet im April dieses Jahres der erfolgreichste TikTok-Account in der Düsseldorfer Lokalpolitik. Er gehört AfD-Ratsfrau Andrea Kraljic, der auf der Plattform mehr als 2500 Menschen folgen. Kraljic beginnt mit vielen Bildern – von sich und der Wahlwerbung ihrer Partei. Mit der Zeit folgen Videos. Unter den erfolgreichsten Beiträgen ist ein Hund, der gegen ein Grünen-Wahlplakat pinkelt (unterlegt mit dem Lied „Der beste Hund“) und ein Video von einem Wahlkampfstand der Landtagsfraktion.

Dass sich TikTok politisch lohnen kann, hat keine Partei so schnell verstanden wie die AfD. Ihre Beiträge werden dort ein Vielfaches häufiger angesehen als die der anderen deutschen Parteien. Der nach der Spionage-Affäre sogar für die AfD untragbare Maximilian Krah hat dies im Europawahlkampf demonstriert. Mit seinen professionell gemachten Kurzvideos generierte er viel Aufmerksamkeit (rund 59.600 Follower). Kraljic hingegen ist kein bisschen professioneller als ihre lokalen Kolleginnen, höchstens provokanter. Sie profitiert wohl vor allem von den vielen AfD-Anhängern, die sich jetzt schon bei TikTok tummeln.

Vielleicht hatte Krah auch einen entscheidenden Anteil daran, dass im Europawahlkampf TikTok in Deutschland erstmals eine größere politische Rolle spielte. Andere Parteien erkannten, dass sie dort der AfD nicht vollkommen das Feld überlassen sollten. Diejenigen, die es sich zutrauten, überlegten sich nun selbst kreative und lustige Videos. Darunter diejenige Düsseldorfer Politikerin, die sich prinzipiell alles zutraut: Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Erst seit März ist MASZ bei TikTok, schon jetzt folgen ihr dort mehr als 30.000 Accounts. Sie betrieb als FDP-Spitzenkandidatin vor allem inhaltlichen Europa-Wahlkampf, mischte diesen allerdings auch mit lustigen Videos. Mehr als 500.000 Mal wurde ein Video angeklickt, in dem Parteichef Christian Lindner auf Nachfrage bestätigte, dass er von ihren Social-Media-Aktivitäten weiß. 1,3 Millionen Mal riefen TikTok-Nutzer ein Ranking-Video auf, in dem sie aus zehn Kartoffelgerichten „Fritten mit Ketchup“ auf die Eins setzte.

Schon länger bei TikTok ist die Düsseldorfer Linken-Europaabgeordnete Özlem Demirel. Sie veröffentlicht für ihre 16.000 Follower allerdings vor allem ihre politischen Reden und produzierte im Wahlkampf kleinere thematische Videos. Am erfolgreichsten war sie bisher, wenn sie sich meinungsstark zu großen politischen Konflikten äußerte. Ihre Europaparlamentsreden zum „Massaker in Gaza“ und den Angriffen der Türkei auf Rojava haben jeweils mehr als 600.000 Aufrufe.

Berit Zalbertus hat 5 Follower, einen pro 2,8 Videos (14 insgesamt). Ihren Account hat die Düsseldorferin zum Europa-Wahlkampf aktiviert. Da wollte Zalbertus für die Partei „Tierschutz Hier!“ in das EU-Parlament einziehen. Videos, in denen sie für ihre Wahl wirbt, wechseln sich dort mit Videos süßer Hundewelpen, Schafe, Hühner und Eichhörnchen ab. In ihrem meistgesehenen Clip setzt sich Zalbertus für eine Begrenzung von Tiertransporten ein, auf Platz zwei der Rangliste landet eine Entenfamilie.

Es sind nur eine Handvoll Düsseldorfer Politiker, die bislang bei TikTok aktiv sind. Und für die, die es sind, ist die eigene Reichweite und somit der Nutzen tatsächlich oft überschaubar. Ohne großen Namen oder rechte Gesinnung scheint das Erreichen neuer Wählerschichten dort nicht ganz so einfach zu sein. Also sparen es sich viele gleich ganz. Auch von den lokalen Parteigliederungen sind neben der AfD nur die SPD und von den Nachwuchsorganisationen die Grüne Jugend Düsseldorf und die Jusos aktiv. Die Jungen Liberalen sind mit einem derzeit inaktiven Account vertreten.

An die 22.000 Follower der AfD Düsseldorf und ihr erfolgreichstes Video mit 379.000 Aufrufen kommen sie nicht ansatzweise heran. Darin bezeichnete der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk im Zoopark Gegendemonstranten als „vaterlandslose Gesellen“. Zudem drohte er damit, ihre Rechte einzuschränken, sollte die AfD mal regieren („Und dieser Tag wird kommen“). Das Ganze dürfte sich inhaltlich nicht zur Nachahmung anbieten.

Fazit: Die TikTok-Accounts von Düsseldorfer Politikerinnen und Politikern bestätigen einen Trend der Plattform. Je provokanter sie sind, desto mehr Aufmerksamkeit erhalten sie. Der Grund: Der TikTok-Algorithmus erzeugt so genannte Empörungsspiralen. Themen, die geeignet sind, sich darüber aufzuregen, werden gefördert, weil Menschen dann mehr Zeit auf der Plattform verbringen. Das können AfD-Politikerinnen und Politiker leicht bedienen. Ihren Kollegen anderer Parteien fällt das hingegen so schwer wie die Produktion brauchbarer Videos.


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