Warum ich die SPD vermisse (Teil 1) – Die Vergangenheit

Düsseldorfs SPD – einst eine starke, in der Stadt tief verwurzelte Partei. Ich habe sie seit 1981 beobachtet, ihre starken und nicht so starken Figuren kennengelernt. Dass sie mal in die Nähe der Bedeutungslosigkeit abgleiten und blass werden würde, war damals unvorstellbar. Im Rückblick wird aber klar, an wem und an was es gelegen hat oder haben könnte. In drei Texten beschreibe ich hier auf VierNull, wie ich es erlebt habe, und wie ich die SPD – der ich als Arbeiterkind viel verdanke – heute wahrnehme. Im ersten Teil blicke ich zurück in die Vergangenheit:
Erinnerungen, vor allem lange zurückliegende, sind oft mit Bildern verbunden. Bei der Düsseldorfer SPD sind es vor allem zwei Gesichter – Klaus Bungert und Marlies Smeets.
Bungert war in den 1970er Jahren Oberbürgermeister der Stadt, verlor das Amt gegen Josef Kürten (CDU) und bekam es 1984 zurück. Nicht per Wahl, sondern durch Losentscheid. Im Rat gab es damals aufgrund einer Grünen-Abgeordneten (sie weigerte sich, für Bungert zu stimmen) ein Patt, also musste gelost werden. Bungert gewann. Ausgerechnet der CDU-Mann Anton Ulrich, als ältestes Ratsmitglied zur (Un-)Glücksfee gemacht, zog den Namen des SPD-Mannes aus dem Hut. Tragisch für beide.


Bungert dürfte es über die Jahre gewurmt haben, nur so und nicht durch klare Mehrheiten gekürt worden zu sein. Dass er mit den Grünen kooperieren musste, hat ihm – durch und durch Gewerkschaftssekretär – nicht wirklich gepasst. Aber der Mann mit der beeindruckenden Statur war das, was die Partei heute so dringend braucht: profiliert, aufrecht, glaubhaft. Weil er im Vorstand des Mietervereins saß, verlor er nie die Bodenhaftung, da er wusste, welche Sorgen die Menschen hatten. Und dass er 2002 aus der SPD austrat, weil ihm die Politik des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder nicht mehr gefiel, war ein Donnerschlag bei den Sozis. In Düsseldorf nahm die Partei es achselzuckend zur Kenntnis. Einige schoben den Entschluss auf die Krankheit, an der Bungert 2006 starb.
Seine Nachfolgerin Marlies Smeets war aus ähnlichem Holz. Zutiefst verwurzelt im ur-sozialdemokratischen Gefüge wurde sie zu einer Art sympathischer Stadtmutter, Kümmerin und blieb ebenfalls authentisch. Der Personalreferentin der Rheinbahn nahm man ab zu wissen, wie es den Leuten in Lierenfeld und Oberbilk ging. In die Wahl 1999 startete sie als absolute Favoritin – und verlor gegen den CDU-Außenseiter Joachim Erwin, weil die Großwetterlage sich binnen weniger Wochen deutschlandweit gegen die Genossen gewandt hatte.
Damals, bei dieser Wahl, begann der Niedergang der SPD Düsseldorfs. Ob es einer geahnt hat? Kaum. Aber man hätte es ahnen können, wie Beobachter der damaligen Ereignisse wissen.
Die Partei fasste jedenfalls nie wieder Fuß, stattdessen haderte sie mit ihrem als ungerecht empfundenen Schicksal. Sie schickte zwei Frauen als Herausforderinnen in die beiden nächsten Kommunalwahlen – Gudrun Hock und Karin Kortmann – aber beide (obwohl aus heutiger Sicht mit guten Ergebnissen) hatten keine Chance gegen den umtriebigen und machtbewussten Amtsinhaber Erwin und seinen Nachfolger Dirk Elbers. Schon damals liefen in den Kulissen der Sozis Macht- und Richtungskämpfe, beide Frauen – einander in tiefer Feindschaft verbunden – fanden am Ende nicht wirklich Rückhalt, schon gar nicht beieinander. Dass eine von beiden später auf einen einträglichen Job bei einer städtischen Tochtergesellschaft weggelobt wurde, schien den Entscheidern in der SPD normal, aber vertiefte die Lücke zu Teilen der eh schwindenden Basis, an der es auch wegen dieser Schieberei brodelte.
Dabei gab es Köpfe mit Ecken und Kanten. Fraktions-Chef Hans Otto Christiansen hielt über Jahre die Fahne der Genossen tapfer nach oben, wirkte aber gegen Erwin wie ein VW-Passat, der einen Golf GTI überholen soll. Es folge Günter Wurm, ein gestandener Parteisoldat, aber am Ende nur der unglückliche Dompteur einer zerstrittenen Truppe, die im Rennen gegen den Chef der Verwaltung noch nicht einmal den zweiter Sieger stellen durfte. Echte Opposition kam in diesen Jahren von der FDP und den Grünen, ein paar irrlichternde Extreme von rechts und links wurden hilflos ignoriert oder als unterhaltsame und manchmal nervige Folklore abgetan.
Dass aber aus diesen Randgebieten für die SPD echte Konkurrenz erwachsen sollte, wollte oder konnte in diesen Zeiten keiner bei den SPD-Politikern sehen. Man hing alten Vorstellungen nach, sah seine Wählerschaft bei den vermeintlich einfachen Leuten und begriff nicht, dass verschwurbelte Parteitagstexte von denen nicht gelesen und schon gar nicht verstanden wurden. Ihr Hang, allen helfen zu wollen, wurde der SPD zum Verhängnis: Wer durch die Erfolge der Sozialdemokraten in den 60er und 70er Jahren die versprochenen Chancen genutzt hatte, den beschlich nun das Gefühl, von der eigenen Partei regelrecht bestraft, in seinen Sorgen nicht mehr verstanden zu werden – und wandte sich ab. Und die Zurückgebliebenen, die, die wirklich Hilfe brauchten, fühlten sich buchstäblich missverstanden und abgeschreckt, als ihre Partei begann, sich mehr um Gendersternchen zu kümmern. Hinzu kam, auch in Düsseldorf, eine gut gemeinte, aber größtenteils skandalös erfolglose Ausländer- und Integrationspolitik. Legendär ein Pressegespräch mit mehreren Düsseldorfer SPD-Sozialpolitikern in den 2000er Jahren, in dem sie – sichtlich rat- und fassungslos – berichteten, man habe zwar Millionen in unterschiedliche Projekte Düsseldorfs gepumpt, aber am Ende keinen Erfolg gesehen. Ursachenforschung? Fehlanzeige!
Wer bei diesem Gespräch dabei war, konnte ahnen, dass er vor sich führende Köpfe einer Partei auf der Reise in die Orientierungs- und Erfolglosigkeit sah. Was sich am Ende bestätigte.
Als die Düsseldorfer Genossen dann 2014 mangels eigener Namen einen Kandidaten von draußen – den Schwaben Thomas Geisel – gegen den Erwin-Nachfolger Dirk Elbers ins Rennen schickten, war die Erleichterung greifbar. Immerhin hatte man jemanden gefunden, der den vermeintlich aussichtslosen Kampf kämpfen wollte. Dass Geisel aus dem oberen (aber nicht höchsten) Management des Energie-Konzerns Ruhr-Gas kam, dort seinen Job verloren hatte und kaum als klassischer Sozialdemokrat gelten konnte, interessierte keinen – jedenfalls äußerte sich niemand öffentlich.
In Wahrheit hätte diese Prozedur als Armutszeugnis erkannt werden müssen. Hannelore Kraft (SPD), zu dieser Zeit NRW-Ministerpräsidentin, wollte die Landeshauptstadt unbedingt wieder unter rotem Zepter sehen und hatte den Genossen Geisel als Nothelfer geschickt. Obwohl sie, die gebürtige Mülheimerin, mit der Stadt nie viel am Hut hatte. Aber es ging ums Image.
Dass Geisel es nach einem fulminanten Wahlkampf tatsächlich schaffte, wurde natürlich bejubelt. Beobachter, die damals zu sagen wagten, nicht Geisel habe die Wahl gewonnen, sondern Elbers habe sie verloren, wurden böse beschimpft und von Geisel mit einem Bann belegt.
Dabei war exakt das passiert: Elbers, zweite oder dritte Wahl bei der CDU für die Nachfolge des im Mai 2008 verstorbenen Erwin (mehrere andere hatten abgewinkt), fühlte sich nie wohl im ungeliebten Job und hüpfte am Ende von Fettnapf zu Fettnapf. „Wir haben den Kontakt zu ihm verloren,“ sagte damals ein hochrangiges CDU-Mitglied im kleinen Kreis kurz vor der Wahl und Böses ahnend. Er sollte richtig liegen.
Die Sozis jedoch, wie besoffen vom überraschenden Erfolg des Außenseiters, sahen sich wieder am vermeintlich angestammten Platz, nämlich vorn. Dass sie dort keineswegs waren, wollten oder konnten sie nicht sehen. Die Chance auf einen echten Neuanfang wurde vertan.
Der zweite Teil dieser Geschichte steht hier, der dritte Teil hier.