Überraschung im CDU-Rennen für den Bundestag

Die Union bestimmt im Juni ihre Kandidaten für die Bundestagswahl. Spannend wird vor allem die Frage, wer dort antritt, wo bisher Sylvia Pantel ihren Wahlkreis hatte. Die besten Chancen hat ein Zugezogener: Johannes Winkel, Chef der Jungen Union. Konkurrenzlos ist er aber nicht.
Veröffentlicht am 29. Februar 2024
Johannes Winkel Junge Union
Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union, bei einer Rede auf einem kleinen Parteitag der CDU in Berlin. Rechts: Parteichef Friedrich Merz. Foto: Imago

Die Tribüne vor dem Düsseldorfer Rathaus dient am Rosenmontag vorrangig dazu, den Zug besonders gut zu sehen. Sie ist aber auch in einer anderen Hinsicht ein Schauplatz. Dort zeigt sich, wer im Umfeld des Oberbürgermeisters und in der hiesigen Politik aktuell eine Rolle spielt. Am Rosenmontag dieses Jahres war an dieser besonderen Stelle jemand neues zu sehen: Johannes Winkel war mit seiner Freundin zu Gast.

Als Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) hätte er ausschließlich ein Ehrengast aus der Berliner Politik sein können. Der Besuch scheint aber ein Zeichen darüber hinaus zu sein. Johannes Winkel ist 2023 nach Düsseldorf gezogen und könnte hier im nächsten Jahr für den Bundestag antreten. Rosenmontags-Besuche auf der Rathaus-Tribüne wären dann ein Schritt, um den Mann aus dem südwestfälischen Kreuztal in der Landeshauptstadt bekannter zu machen.

Ob es tatsächlich ein solches Signal war, wird sich bald zeigen. Die Christdemokrat:innen bestimmen am 29. Juni, wer für sie in den beiden Düsseldorfer Bundestags-Wahlkreisen ins Rennen geht. Die Ortsverbände der Union suchen im April und Mai ihre Vertreter:innen für diesen Wahlparteitag aus. Bei diesen Veranstaltungen sind deshalb gewöhnlich auch die möglichen Kandidat:innen dabei, um für sich zu werben. Neben JU-Chef Johannes Winkel kommen dafür noch andere in Betracht.

Bevor ich zu den Kandidtat:innen und ihren Chancen komme, möchte ich die Grundkonstellation in der Düsseldorfer Union erklären: Parteivorsitzender ist seit vielen Jahren Thomas Jarzombek. Beinah genauso lange ist er umstritten. Es gab immer und gibt ein Lager, das gegen ihn ist. Bisher war diese Gruppe allerdings nie stark genug, ihn zu stürzen.

Der Vorsitzende lebt mit der steten Gefahr, dass sich der gemurmelten Kritik, er sei zu oft in Berlin und tue zu wenig für die Düsseldorfer Partei, irgendwann zu viele anschließen. Machterhalt ist daher oberstes Gebot, denn der Chefposten sichert ihm den Zugriff auf die Direktkandidatur im nördlichen Bundestagswahlkreis. Thomas Jarzombek hat deshalb die Landtagsabgeordneten Angela Erwin und Peter Blumenrath als treue Stellvertreter:innen positioniert und verwendet einiges an Kraft darauf, mögliche Gegner zu erkennen und ruhigzustellen – mit Zugeständnissen oder Abwahlen. Nett oder weniger nett.

Ein neuer Beteiligter in diesem Spiel, in diesem Fall Johannes Winkel, genießt daher automatisch die Aufmerksamkeit von Thomas Jarzombek. Die Reaktion sagt deshalb viel über die Chancen des JU-Chefs, Bundestagskandidat im Düsseldorfer Süden zu werden.

Johannes Winkel
Thomas Jarzombek hat sich im Fall des 32-jährigen Wirtschaftsanwalts offenbar fürs Umarmen entschieden. Der erwähnte Stellvertreter Peter Blumenrath begleitete Johannes Winkel durch den Karneval, auch der Parteivorsitzende ließ sich in der Nähe des jungen Politikers sehen.

Umgekehrt hilft der neue Mann der hiesigen Spitze der Union, das konservative Profil zu stärken. Er wirkt moderater als sein Vorgänger, der berufsprollige Tilman Kuban. In Wahrheit ist er nur ruhiger. Johannes Winkel ist überzeugter Katholik, vertritt harte Positionen in der Migrationspolitik, schließt eine Koalition von CDU und Grünen auf der Bundesebene aus, trauerte sichtbar um die Atomenergie. Zu den weniger konservativen Punkten zählte seine Forderung, die CDU brauche einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Werteunion.

Rückhalt bei ranghohen Düsseldorfer Christdemokrat:innen ist Johannes Winkel sicher. Sein Posten auf Bundesebene erhöht den Druck, dass man ihn hier zum Kandidaten für Berlin macht. Es gibt allerdings auch Kritik. Der Neue habe sich hier noch nicht für die Partei eingesetzt und bekomme schon die Aussicht auf einen Job im Parlament, heißt es zum Beispiel. Solche Vorwürfe rücken diejenigen in den Fokus, die nicht zum Lager von Thomas Jarzombek zählen.

Sylvia Pantel
Wenn sich irgendwo Menschen gegen Thomas Jarzombek verbündeten, musste man Sylvia Pantel meist nicht lange suchen. Die Politikerin aus Wersten ist die jahrelange Gegenspielerin des Parteichefs. Der kalte Friede zwischen ihnen bedeutete, dass er im Norden und sie im Süden antrat. 2013 und 2017 kam sie so in den Bundestag, 2021 unterlag sie dann Andreas Rimkus (SPD). Ihr Listenplatz reichte nicht für eine Rückkehr in die Hauptstadt aus.

Seitdem erscheinen die Signale von Sylvia Pantel widersprüchlich. Manches sieht nach endgültigem Rückzug aus, anderes wiederum lässt eine erneute Bewerbung vermuten. Für politischen Ruhestand spricht zum Beispiel, dass die 63-Jährige einen Teil ihrer Hausmacht abgegeben hat: den Vorsitz der Düsseldorfer Frauenunion. Der stand sie 18 Jahre vor, nun wurde Arantza Bößem ihre Nachfolgerin. Es gibt allerdings auch Beobachter, die darin einen Schachzug sehen, um sich weiter die Unterstützung der Frauenunion zu sichern.

Für einen letzten Versuch sprechen zudem die anderen Aktivitäten. Als Hans-Georg Maaßen die Gründung der Werteunion als Partei anbahnte, erklärte sie eindeutig, kein Interesse daran zu haben und der CDU treu zu bleiben. Zudem veröffentlicht sie weiterhin sehr konservative Beiträge im Internet, etwa gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Beziehungen sowie die Grünen. Und sie teilt Posts von Menschen, die sich Mühe geben, noch konservativer zu sein.

Ein Umstand könnte Sylvia Pantel bei einem Comeback behilflich sein. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat den regionalen und lokalen Verbänden vorgegeben, sie mögen für die nächsten Wahlen so viele Frauen wie Männer nominieren. Streng genommen könnten in Düsseldorf also nicht Thomas Jarzombek und Johannes Winkel kandidieren.

An dieser Stelle hat der hiesige Parteichef allerdings ein weiteres Beispiel für seine hohe Kunst des Machterhalts bewiesen. Als der CDU-Bezirksverband Bergisches Land, zu dem Düsseldorf zählt, jemanden für die Europawahl aufstellte, bemühte sich Thomas Jarzombek sehr darum, dass Miriam Viehmann diese Möglichkeit erhält. Ohne allzu viele Rücksprachen und Wahlverfahren brachte er die 33-Jährige zur Kandidatur und auf Platz 7 der NRW-Liste fürs EU-Parlament. Damit hat er mindestens ein gutes Argument für den Fall, dass der Ministerpräsident nachfragt, was eigentlich aus seinem Wunsch geworden ist.

Dieses demokratie-theoretisch eher suboptimale Vorgehen brachte einen anderen Kontrahenten wieder ins Rampenlicht.

Mathias Höschel
Der Kieferorthopäde saß schon einmal ein knappes Jahr im Bundestag. Nach dem Tod des früheren Generalsekretärs Peter Hintze Ende 2016 rückte er aufgrund seines Listenplatzes nach. Bis zur Bundestagswahl 2017 gehörte er dem Verteidigungs- und dem Tourismusausschuss an.

Sehr auffällig war Mathias Höschel weder vor diesem Jahr noch danach. Er hat in der Düsseldorfer Partei keine Hausmacht, aber immerhin wird ihm eine gute Beziehung zu Sylvia Pantel nachgesagt. Das bedeutet: Sollte Sylvia Pantel eine eigene Kandidatur für aussichtslos halten, aber gegen die Parteispitze rebellieren wollen, könnte sie Mathias Höschel unterstützen – unter anderem mit ihren guten Kontakten zu einigen der hiesigen Parteiorganisationen, etwa der Frauenunion.

Ein Moment in der jüngsten Vergangenheit spricht für diese Annahme: Als Thomas Jarzombek wie beschrieben seine Machtsicherung als vermeintlicher Vorreiter der Gleichstellung betrieb, war Mathias Höschel der lauteste Kritiker. Er vermisste Transparenz und Demokratie bei der Aufstellung von Miriam Viehmann – und sendete ein Signal an alle, die mindestens leise am Parteichef zweifeln.

Fazit
Die Favoriten für die CDU-Bundestagskandidaturen in Düsseldorf sind Thomas Jarzombek (Nord-Wahlkreis) und Johannes Winkel (Süd-Wahlkreis). Angesichts ihrer Parteiämter wäre es eine nach CDU-Maßstäben mittlere Revolution, wenn man sie nicht aufstellte. Meine Analyse zeigt auch, dass beide sich keineswegs zu sicher sein sollten.

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