Politikerin mit 83 in den Rat – warum Düsseldorfs CDU keinen Draht zu jungen Frauen hat

Vor wenigen Tagen verkündete die CDU-Fraktion, für den wegen interner Querelen ausgeschiedenen Ratsherren Pavle Madzirov werde eine Frau nachrücken. Im Hinblick auf die schlechte Frauenquote der Union im Düsseldorfer Stadtparlament war dies jedoch nur anfangs eine gute Nachricht. Denn die Nachrückerin ist Annelies Böcker. Innerparteilich verursacht das aus zwei Gründen erhebliche Skepsis: Erstens ist Böcker als sehr selbstbewusste, kritische und laute Querdenkerin (im positiven Sinne des Wortes) bekannt. Und zweitens ist sie 83. Letzteres laut als Malus anzusprechen traut sich offen keiner, aber unter der Hand ist das Alter der neuen alten (im Sinne von altgedienten) Ratsfrau durchaus ein Thema. Aus Angst vor dem Vorwurf der Altersdiskriminierung äußert sich niemand laut, viele aber diskret. Weil man weiß, ohnehin ein Problem mit weiblicher Präsenz in der Parteispitze zu haben. Vor allem bei jüngeren Frauen gibt es bei der Düsseldorfer CDU, wie auch in der Gesamtpartei, offenbar einen eklatanten Mangel. Da erscheint die Re-Aktivierung einer Seniorin wie Böcker, bei allem stets betonten Respekt vor ihrer Lebensleistung und ihrem Ansehen, als das falsche Signal. Wo liegen die Gründe für dieses Dilemma?
Männer dominieren
Die CDU-Parteispitze wird geprägt von einer Riege aus Männern. Fraktionsvorsitzender ist Rolf Tups (66), Parteivorsitzender ist Thomas Jarzombek (49), Josef Hinkel (63) Erster Bürgermeister. Nach außen präsent sind außerdem die Ratsherren Giuseppe Saitta (62), Andreas Hartnigk (58) und Andreas-Paul Stieber (56). Durchweg ehrgeizige und karriereorientierte Alphatiere, von denen kaum das Signal ausgeht, Nachwuchs zu fördern und schon gar nicht weiblichen. Dass Angelika Penack-Bielor (60), Dagmar von Dahlen (62) und Aletta Mansheim (mit 39 die Jüngste) zum Vorstand der Gruppe im Rat gehören, wird öffentlich weitaus weniger wahrgenommen.
Abschreckend für Frauen
Kenner bescheinigen der CDU seit längerem, ein Problem mit jüngeren Frauen zu haben. Die Partei gelte insgesamt als nicht modern genug, entspreche nicht dem derzeit attraktiven Mainstream. Entsprechende Wahlergebnisse auf allen Ebenen bestätigen das. Manche Christdemokraten stellen sich ernsthaft die Frage „Muss sich die Partei verändern? Oder müssen sich die Mitglieder verändern?“ Eine Antwort gibt es nicht, noch nicht. Allen ist klar: Im Rückwärtsgang mit Männern ist keine Zukunft zu machen. Dabei sieht diese zurzeit düster aus, vor allem mit Blick auf die Wahl 2025. Dann sind der Hauptgegner nicht wie bisher die Sozialdemokraten, sondern die Grünen. Und in deren Spitze sieht es völlig anders als aus als in der Union: Clara Gerlach (45) nutzt als Bürgermeisterin ihren Job zur eigenen Profilierung und der der Partei. Die Düsseldorferin Mona Neubaur (45) feilt am frauenfreundlichen Image der Grünen als Landesministerin (Wirtschaft, Klimaschutz, Energie) und stellvertretende Ministerpräsidentin NRW. Vergleichbare Talente bei Düsseldorfs CDU? Fehlanzeige!
Wenig attraktive Aufgaben
Anders als bei Grünen und SPD gelingt es der CDU offenbar nicht, jüngere Frauen mit guter Ausbildung an sich zu binden und für sich zu aktivieren. Dabei gibt es im Umfeld der Partei reichlich Frauen mit anspruchsvollen Berufen, deren Kompetenz die Partei gut brauchen könnte: Ärztinnen, Architektinnen, Juristinnen. Aber sie haben schlicht nicht die Zeit, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Da sie selten in Nine-to-Five-Jobs sind, wollen und können sie nicht ihre wenige Freizeit für die Partei opfern, zumal viele auch Familie haben. Das alles für das häufig nervtötende Klein-Klein der Kommunalpolitik oder parteipolitisches Hickhack zu vernachlässigen, passt nicht in ihre Lebenswirklichkeit.
Grüne Nachwuchsförderung
Bei der CDU sieht man eines genau: Besonders der derzeitige Kooperationspartner, die Grünen, fördern und unterstützen ihren Nachwuchs, nicht nur den weiblichen, weitaus geschickter und effizienter. Bei ihnen sind potenzielle weibliche Führungskräfte oft in Arbeitsverhältnissen der öffentlichen Hand oder praktischerweise gleich bei der Partei angestellt. Das sichert Toleranz beim Engagement für politische Ambitionen. Eigentlich müssten Arbeitgeber die Arbeit im Rathaus nicht nur tolerieren, sondern sogar Einschränkungen bei der Arbeitszeit hinnehmen. Das jedoch ist in der Realität bei privaten Firmen de facto nur schwer zu realisieren. Grüne, so die Einschätzung altgedienter CDU-Leute, schaffen für ihre weiblichen Nachwuchskräfte ein System „des doppelten Bodens“. Gemeint ist: Klappt die politische Karriere nicht, garantiert ein sicherer Job im öffentlich-rechtlichen Dienst oder in einer partei-politischen Struktur das Auskommen. Dass dies manchen sauer aufstößt („Versorgung durch Staatsknete“) scheint nicht zu stören, da man damit den Nachwuchs und die eigenen politischen Ziele fördert. Zwei Beispiele: Clara Gerlach ist Lehrerin, Mona Neubaur war Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung, bevor sie Politik zum Hauptberuf machte. Sara Nanni (35), Grüne aus Düsseldorf, sitzt seit der letzten Wahl im Bundestag. Vorher war sie in einer Stiftung und an zwei Hochschulen tätig, arbeitete außerdem für den Bundesarbeitskreis Frieden und Internationales der Grünen, also durchweg Politik-kompatible Jobs.
Fraglich ist allerdings, ob ihnen der Nachteil dieser Konstellation bewusst ist: Sie bewegen sich stets in ihrer Blase und verlieren den Kontakt nach draußen. Das kann mittel- und langfristig zum Problem werden.
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