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Klerikale Beziehungskisten

Der Pfarrer von St. Antonius in Oberkassel ist immer noch wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen beurlaubt. Demnächst kann sein Fall beim amtierenden Bischof landen – dem Ex-Stadtdechanten von Düsseldorf, Rolf Steinhäuser.
Veröffentlicht am 13. Oktober 2021
Stadtdechant Rolf SteinhŠuser
Der damalige Düsseldorfer Stadtdechant Rolf Steinhäuser (Mitte) bei einer Messe in der Kirche St. Lambertus in der Düsseldorfer Altstadt. Foto: Andreas Endermann

Für die Gemeinde St. Antonius ist die Zeit ohne Pfarrer ein quälend lange. Zwar hat man sich inzwischen arrangiert, bekommt Hilfe aus einer Nachbargemeinde und die Aufgaben des beurlaubten Pfarrers sind auf andere Geistliche und Laienkräfte verteilt worden. Der Gemeinde-Alltag funktioniert, dennoch wünscht man sich eine baldige Entscheidung, wie es weitergehen soll. Und die wird im Vatikan getroffen. Dort gibt es demnächst ein Votum, und man geht davon aus, dass es keine Rückkehr des früheren Priesters an den Altar des Gotteshauses an der Luegallee geben wird. 

Aber wenn der Vatikan entschieden hat, wird der Vorgang zwecks Umsetzung auf dem Schreibtisch des Kardinals in Köln landen. Das ist offiziell derzeit noch Rainer Maria Woelki, der allerdings vor wenigen Wochen den Papst um eine Auszeit bis März nächsten Jahres gebeten hat. Dem hat Franziskus zugestimmt. Woelki ist im Rahmen der Vorwürfe gegen die katholische Kirche selbst unter Druck geraten und hat will nun in einer monatelangen Pause, wie er selbst sagt, im Gebet einen Weg finden, im Sinne der Diözese weiter zu machen. Ob es dazu kommt, ist offen. 

Weil aber der Stuhl des obersten Kirchenfürsten in Köln nicht unbesetzt sein soll, hat die Kirche eine weitere Entscheidung getroffen: Woelki wird in dieser Zeit vertreten von Weihbischof Ralf Steinhäuser, der vom Vatikan als kommissarischer Bischof eingesetzt wurde. Ein an sich normaler Vorgang – im Zusammenhang mit dem Fall des Oberkasseler Geistlichen jedoch pikant. Denn der betroffene Geistliche in Oberkassel und Steinhäuser kennen sich sehr gut aus gemeinsamen Düsseldorfer Zeiten, als Steinhäuser in Düsseldorf Stadtdechant war. Sie sollen einerseits Konkurrenten, andererseits eng miteinander vernetzt gewesen sein. 

Das zeigt sich an einer Personalie, die sechs Jahre zurückliegt, aber noch heute nachwirkt: Im Jahr 2015 wurde Steinhäuser von seinem Amt als Stadtdechant abgelöst und nach Köln versetzt. Schnell war ein Name für seine Nachfolge im Gespräch – Wolfgang Picken (heute 54), damals Pfarrer in Bad Godesberg. Der Priester schien vielen als gute Besetzung für den Job in Düsseldorf, und ihm wurde – so hieß es damals wie heute aus seinem Umfeld – von Kardinal Woelki selbst diese Stelle angetragen. 

Doch aus der vermeintlich schnellen Entscheidung wurde eine Hängepartie. Und am Ende musste Picken erfahren, dass nicht er, sondern Ulrich Hennes, damals in Hilden als Seelsorger tätig, Stadtdechant der Landeshauptstadt wurde. Eine offizielle Begründung dafür gab es nicht. 

Hennes, mit guter Beziehung zu seinem Jugendfreund Rainer Maria Woelki und zudem ein Vertrauter von Rolf Steinhäuser, hatte zuvor aber Picken über Wochen beraten, wie man sich klugerweise verhält, um in Düsseldorf Stadtdechant zu werden. Gleichzeitig verhandelte er selbst im Hintergrund daran, diesen Job zu bekommen – ein Verhalten, das den damaligen Mitbewerber Picken tief geschockt haben muss, weil er davon nichts ahnte. Hennes bekam die Stelle also, und wenig später wurde der Oberkasseler Pfarrer, ebenfalls mit dem Trio Woelki, Steinhäuser und Hennes verbunden, dessen Stellvertreter. 

Dass sowohl Hennes als auch sein Freund und Kollege von St. Antonius dann 2019 und 2021 wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Knaben ins Visier der kirchlichen Ermittler gerieten, ist eine der merkwürdigen Fakten in dieser Story. Der Kardinal wiederum, der mehrfach behauptete, von alldem nichts gewusst zu haben, war zumindest mit Hennes sehr gut bekannt: Schon zu seinem 18. Geburtstag richtete er ihm ein besonderes Geschenk aus – und füllte dessen Zimmer mit Luftballons, wie kirchenintern berichtet wird. 

Dass damals die Personalie Picken torpediert wurde, interpretierten seinerzeit (und auch heute immer noch) einige Insider als konzertierte Aktion der Beteiligten. Ihnen wurde (und wird) unterstellt, verhindern zu wollen, dass ein Externer in Düsseldorf eine machtvolle Position bekommt und womöglich Dinge – über die damals schon kirchenintern getuschelt wurde – ausgraben könnte, die man aber zu vertuschen versuchte. Was, wie wir heute wissen, am Ende nicht gelang. 

Nun also treffen die Kollegen von damals wieder aufeinander: Hennes, gegen den die Ermittlungen eingestellt wurden, versetzte man in die Krankenhausseelsorge in Kliniken der Diözese. Damit untersteht auch er seinem früheren Kollegen Steinhäuser. Der Oberkasseler Priester ist beurlaubt, und wie seine Ex-Gemeinde wartet auch er auf eine Entscheidung aus Rom. Sollte die vor der Rückkehr Woelkis von seiner Auszeit in Köln ankommen, hat Steinhäuser sie umzusetzen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sie das berufliche Ende für den früheren Mitstreiter bedeuten. Steinhäuser müsste das durchziehen. Handlungsspielraum bleibt ihm nicht, wie mir ein hoher Vertreter des deutschen Klerus darlegte. 

In einer Mail vom Erzbistum teilte Steinhäuser auf meine Anfrage mit, er wolle sich zu den Vorgängen nicht äußern. Seit 12. Oktober leitet er als Apostolischer Administrator (plena sede) im Auftrag des Papstes das Kölner Erzbistum bis zum 1. März 2022. Ihm werden ab damit alle Rechte und Pflichten zur Leitung des Erzbistums übertragen, obwohl der Bischofsstuhl offiziell noch mit Woelki besetzt ist.  Steinhäuser soll, so heißt es in einer Mitteilung des Vatikan das Erzbistum Köln nicht nur ordnungsgemäß verwalten, sondern auch die Erzdiözese auf einen „inneren Weg der Umkehr, der Versöhnung und Erneuerung“ bringen.


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