Ich, ich, ich – warum Menschen protestieren

Egal, ob U81-Rheinquerung, A-59-Baustelle, die neue Theodor-Heuss-Brücke oder Wohnungsbau in Kalkum: Widerstand wächst, wo Neues entstehen soll. Oder muss. Protestierende sind fast ausschließlich unmittelbar Betroffene – offenbar steht Eigen-Interesse gegen Allgemeinwohl.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 8. August 2025
Protest gegen Baugebiet Nördlich Kalkumer Schlossaallee

Foto: Andreas Endermann
Das Neubaugebiet in Kalkum wollen die bereits dort lebenden Menschen verhindern.

Es zieht sich durch Düsseldorfs Historie der Stadtentwicklung: Bau der neuen Messe in den 1970er Jahren? Protest der Anwohner wegen Grünflächenversiegelung. Rheinufertunnel 1990er Jahre? Nachbarn waren dagegen wegen des befürchteten jahrelangen Baulärms. Heute preisen sie den Bau vom Balkon ihrer im Wert explodierten Häuser in Top-Lage mit Rheinblick. Alle Phasen des U-Bahn-Baus? Dito. Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012? Linksrheinisch kochte die Seele einiger, weil das olympische Dorf für Lörick vorgesehen war. Sie fürchteten um ihre Grundstücke, obwohl die im Wert gestiegen wären. Die Liste ließe sich fortsetzen. Ihnen allen rein private Interessen zu unterstellen und keineswegs altruistische Motive lag nahe, wurde aber empört zurückgewiesen.

Jüngstes Beispiel: Linksrheinisch hat sich vor wenigen Tagen der Verein „Rettet die Rheinauen“ gegründet. Sein Ziel ist es, die U81-Rheinquerung zwischen Flughafen/Messe/Arena und der anderen Rheinseite zu verhindern.

Das ist ein Projekt, das schon seit den 1980er Jahren mehr oder weniger in der Planung ist. Anfang der 2000er Jahre war die Überführung sogar Teil der erwähnten Olympia-Bewerbung Düsseldorfs. Es wurde auch danach weiter verfolgt und stetig konkreter. Der Gedanke dahinter ist, vom Flughafen, der Messe und der Arena eine Verbindung zu den linksrheinischen Verkehrsnetzen zu schaffen.

Wohlgemerkt: Es geht nur um eine ÖPNV-Verbindung, die Brücke wird also lediglich von Straßenbahnen befahren. Zusätzlich wird man voraussichtlich Raum für Fußgänger und Radler schaffen. In Zeiten von E-Bikes wäre es Pendlern möglich, mit diesen Fahrzeugen an ihre Arbeitsplätze zum Beispiel in der Airport City zu kommen. Das ist bisher nur über die Umwege Flughafen- oder Theodor-Heuss-Brücke möglich. Die Bahnverbindung würde den Weg erheblich verkürzen, weil es eine Querachse für die Linien Richtung Krefeld und Neuss gäbe.

Doch der Protest, den es unorganisiert schon immer gab, hält sich nicht mit solchen übergeordneten Interessen auf. Die Rheinauen seien zu schützen, ein weiterer Eingriff in diese Landschaft nicht akzeptabel, heißt es. Auch dort sind die Anlieger auf der Zinne. Eine Betroffene kontaktierte mich, um über das Thema zu sprechen und rechnete mit Zustimmung meinerseits. Die bekam sie nicht, was die Frau arg erstaunte, weil ich doch ebenfalls in der Nähe lebe. Sie wohnt in einem Haus nahe der Stadtgrenze zwischen Düsseldorf und Büderich. Würde die neue Verbindung kommen, verliefe die Trasse nicht weit hinter ihrem Grundstück vorbei. Was für sie ein schlagendes Argument gegen das Projekt ist.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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