CDU Kreisparteitag 2022
Angela Erwin auf dem Kreisparteitag der CDU im vorigen Jahr. Foto: Andreas Endermann

Angela Erwin hat den Job des NRW-Innenministers im Visier

Die Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordnete klettert auf der politischen Karriereleiter beharrlich nach oben. Geschickt besetzt sie die richtigen Themen und übernimmt Posten, die ihr den Weg bereiten für künftige höhere Aufgaben in der NRW-Regierung.
Veröffentlicht am 5. Januar 2023

Angela Erwin hat viel von ihrem Vater gelernt. Personen, die sie kennen und ihn kannten, entdecken eine Menge Parallelen. Die 43-Jährige hat zu seinen Lebzeiten gesehen, wie der auch in seiner Partei umstrittene Erwin damals Karriere machte und von Ende 1999 bis zu seinem Tod 2008 der Chef im Düsseldorfer Rathaus war. Zu seiner Strategie gehörte es, sehr präsent zu sein. Also ging er zu Schützenfesten und Platt sprechend in den Karneval, besuchte Seniorenheime. Er trat in Kindergärten auf und ließ sich bei sogenannten Ersten Spatenstichen fotografieren. Das wurde ihm hoch angerechnet. Auf Bauschildern vor Projekten der Stadt stand nicht mehr wie früher, „Hier baut die Landeshauptstadt Düsseldorf“ sondern „Hier baut Oberbürgermeister Joachim Erwin“. Das stieß viele ab, aber andere beeindruckte es. So oder so war er im Gespräch.

Nun ist seine Tochter auf der Spur des Vaters. Erste kommunalpolitische Aktivitäten endeten schnell, längst ist sie – seit 2017 – im Landtag. Dort ist sie gut vernetzt, mit Ministerpräsident Hendrik Wüst war sie vor Jahren privat liiert, der Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordnete Olaf Lehne gehört schon lange zu ihren Steigbügelhaltern. Die beiden sind Teil einer Gruppe (zu der auch der Düsseldorfer CDU-Vorsitzende Thomas Jarzombek gehört), die sich in Düsseldorf gegenseitig zu attraktiven Jobs verhelfen. In der Partei selbst wird das alles sehr aufmerksam registriert – und diskutiert. Fazit vorab: Man traut Erwin einiges zu.

Standing in der Fraktion
In der Gruppe der CDU-Abgeordneten ist man der Meinung, Erwin habe sich sehr schnell in die Themen Wirtschaft, Inneres und Recht eingearbeitet. Ihr wird dort ein starker Ehrgeiz bescheinigt, was viele mit Respekt, einige aber mit Skepsis sehen. Anfangs geriet sie mit der damaligen Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking aneinander („Da gab es Reibereien“), aber nachdem die wegen einer Affäre um einen angeblichen Hackerangriff auf ihr Haus zurücktrat, konnte Angela Erwin sich nach vorn arbeiten und besetzte Themen wie Kinder- und Jugendschutz.

Nachdem Ministerpräsident Hendrik Wüst ihr half, seine Nachfolge als Vorsitzende der NRW-Mittelstandsvereinigung (MIT) der CDU anzutreten, hat sie sich auch dort starken Rückhalt erarbeitet, heißt es aus dem Umfeld der Partei. Das sei hilfreich für weitere Karriereschritte. „Eins ist klar – nur Landtagsabgeordnete zu sein, reicht ihr nicht“, sagt einer aus dem inneren Zirkel. Der MIT-Job helfe, öffne ihr weitere Türen. Zumal „sie sich gut verkauft“.

Nächste Schritte
Nach der gewonnenen Wahl im Mai 2022 soll Erwin als Vorsitzende der Fraktion im Gespräch gewesen sein. Dazu habe es konkrete Gedanken gegeben, nicht zuletzt, um eine Frau in diese Position zu bringen. Den Job des Justizministers habe sie sich wohl auch zugetraut, aber daraus wurde nichts. Dennoch soll man ihr da bereits signalisiert haben, dass sie „beim nächsten Mal“ dran sei. Und das könnte der Fall sein, wenn die Spitze des NRW-Innenministeriums frei wird, wo derzeit Herbert Reul einen – auch bei der politischen Konkurrenz – anerkannt guten Job macht.

Reul-Nachfolge 
Theoretisch könnte Erwin das Amt des Innenministers übernehmen. Sie ist Juristin, und sie hat nach offizieller Kommunikation als Anwältin in verschiedenen Kanzleien gearbeitet. Sicherheitspolitik gilt als ihr Thema, jedenfalls kommuniziert sie das nach draußen. Als Vorsitzende des Innenausschusses des Landtags sitzt sie außerdem in der allerersten Reihe, wenn es um dieses Ministeramt geht. Dass der Job an der Spitze des vor allem für die Polizei zuständigen Ministeriums bald frei werden kann, ist denkbar. Denn Amtsinhaber Reul ist 70 und wird zur nächsten Landtagswahl 2027 womöglich nicht erneut antreten. Dass er mitten in der Legislatur sein Amt zur Verfügung stellt und seinem Chef, Ministerpräsident Hendrik Wüst, damit die Chance für eine Kabinettsumbildung verschafft, ist ebenfalls nicht auszuschließen. Dann wäre der Weg frei für Angela Erwin – wenn sie denn ausreichend Unterstützung in der Landes-CDU findet.

Intern wird Reuls Position allerdings differenzierter gesehen. Obwohl er ursprünglich nicht als Unterstützer des jungen Hendrik Wüst galt, ist Reul inzwischen eine wichtige Stütze im NRW-Kabinett. Gut möglich, dass Wüst im kommenden Wahlkampf auf keinen Fall auf das politische CDU-Urgestein verzichten will. Das muss er auch nicht. Ein Politstratege macht folgenden Plan auf: Reul bleibt, macht mit ihm Wahlkampf, tritt aber – falls Wüst gewinnt – nicht mehr in dessen Kabinett ein. Auch dann wäre der Job frei für die Frau aus Düsseldorf.

Wüst-Nachfolge
In den kommenden Jahren wird die Landes-CDU noch eine weitere Personaldiskussion auf höchster Ebene haben. Als die „Welt am Sonntag“ Ende des Jahres ein Ranking bundesdeutscher Politiker präsentierte, die im ganzen Land mit wachsender Zustimmung wahrgenommen werden, war auch Wüst darunter. Der NRW-Ministerpräsident hat es vor allem in seiner Zeit als Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz (er hatte das Amt 2021 inne, kurz nachdem er Armin Laschet im Amt gefolgt war) durch seinen Umgang mit der Corona-Pandemie zu Ansehen gebracht. Prompt rückte er nach oben in der Liste der Politiker, denen man mehr zutraut. In der Union, in der natürlich schon lange über den nächsten Kanzlerkandidaten geredet wird, gibt es einige, die dort den Düsseldorfer Regierungschef sehen, und das in direkter Konkurrenz zu Friedrich Merz. Wüst ist deutlich jünger als der Sauerländer, Vater eines kleinen Kindes und hat in NRW bewiesen, Stimmen holen zu können.
Aber was macht die hiesige CDU, wenn er dem Ruf nach Berlin folgt?

Auch dann könnte Erwin eine Rolle spielen. Weil die Grünen in NRW in Mona Neubaur eine populäre Frau an der Spitze haben, könnte die CDU ebenfalls eine Herausforderin ins Rennen schicken. Allerdings gibt es eine Konkurrentin: Ina Scharrenbach (47), unter anderem Ministerin für Kommunales, hat aufgrund ihres Amts eine starke Basis im ganzen Land, da sie – so ein Insider – immer wieder Bürgermeister und Landräte mit Förderungsprogrammen für sich einnimmt: „Sie ist tief verwurzelt bei den kommunalen Entscheidungsträgern.“ Scharrenbach galt bereits im vergangenen Jahr vor dem Abtritt Laschets als Konkurrentin für Wüst. Es ist kaum anzunehmen, dass sie die nächste sich bietende Chance für das Spitzenamt verstreichen lässt.  

Karriere im Düsseldorfer Rathaus
Dass Erwin Ambitionen hat, in einigen Jahren auf lokaler Ebene Karriere zu machen, wird ebenfalls nicht ausgeschlossen. Vor der Kommunalwahl 2020 hatte sie angeblich kurz erwogen, als OB-Kandidatin anzutreten, aber aus eigener Einsicht und auch auf Rat enger Partei-Freunde hin verzichtet. Das Hauptargument: zu jung und noch zu sehr im Schatten ihres 2008 verstorbenen Vaters. Müsste sie sich zwischen Landespolitik und Kommunalem entscheiden, würde sie vermutlich das Land vorziehen.

Weiterführender Link
Über die Karriere Angela Erwins und die Verbindungen in der CDU haben wir im vergangenen Jahr unter dem Titel „Alte Liebe rostet nicht“ berichtet.


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