Grüne können auch Erfolg – zumindest, wenn sie Bezirksbürgermeister sind

Im Spätsommer 2025 wählt Düsseldorf einen neuen Stadtrat. Die jetzigen Mitglieder des Gremiums gehen also nun in ihr letztes Sitzungsjahr. Was wollen, können und müssen die Fraktionen noch erreichen? Welche Kompromisse sind noch möglich, bevor der Wahlkampf die Debatten prägt? Diese Fragen beantworte ich in unserer neuen Politik-Serie. Im zweiten Teil geht es um die Grünen. Die erste Folge zur CDU finden Sie hier.
Die Fraktion erinnert in den Tagen der olympischen Spiele an einen Schwimmer, der bei der ersten Wende im Becken mit Vorsprung anschlägt, im Laufe des Rennens immer weiter zurückfällt und am Ende keine Medaille bekommt. Die Grünen haben bei der Kommunalwahl 2020 ein starkes Ergebnis geholt. Der Kooperationsvertrag mit der CDU trägt klar ihre Handschrift. Und gleich zu Beginn der Legislaturperiode wurde beschlossen, einen 60-Millionen-Euro-Etat pro Jahr für den Klimaschutz zu reservieren.
Im Sommer 2024 ist von dieser anfänglichen Euphorie wenig geblieben. Die Verkehrswende kommt nicht voran, in der Wohnungspolitik bestimmen SPD und CDU das Programm, in der Kultur geht es viel um die Oper und wenig um die Freie Szene – die Liste ließe sich fortsetzen. Die Grünen haben in den vergangenen Monaten viele Frustmomente gehabt. Und die nahe Zukunft droht ähnlich bitter zu werden.
Dabei gerät aus dem Blick, dass sie sehr wohl erfolgreich Politik machen können. Zumindest, wenn sie Bezirksbürgermeister:in sind. Die Partei stellt in den Stadtbezirken 1 (Nördliches Zentrum), 2 (Flingern/Düsseltal) und 3 (Südliches Zentrum) jeweils die Spitze der dortigen politischen Vertretung. Diese Posten haben die folgenden drei Personen inne:
Annette Klinke, Stadtbezirk 1 Die 60-Jährige arbeitet als Referentin beim Verband der Evangelischen Studierendengemeinden. Sie ist 2014 Mitglied der Bezirksvertretung (BV) geworden, 2020 zusätzlich auch in den Stadtrat und ins Amt der Bezirksbürgermeisterin gewählt worden. Letzteres macht sie zur politischen Generalistin. Im Rat liegt der Fokus neben den Fragen ihres Bezirks auf Umweltschutz und Stadtplanung.
Philipp Schlee, Stadtbezirk 2 Der IT-Experte kam vor 44 Jahren in Düsseldorf zur Welt und ist ein kommunalpolitischer Quereinsteiger. 2018 wurde er Mitglied der Grünen, zwei Jahre später in die BV gewählt und nach dem Rückzug von Bezirksbürgermeister Patrick Schiffer Anfang 2022 zu dessen Nachfolger. Philipp Schlee ist kein Mitglied des Stadtrats, gehört aber dessen Fachausschuss für Digitalisierung an.
Dietmar Wolf, Stadtbezirk 3 Vor zehn Jahren schaffte „der grüne Wolf“ etwas Historisches. Er gewann als erster Grüner ein Direktmandat für den Stadtrat. Das wiederholte er 2020 und arbeitet dort in den Ausschüssen für Kultur und für Wirtschaftsförderung. Der Schwerpunkt der politischen Arbeit des Rentners (Jahrgang 1958) liegt im großen und einwohnerstarken Bezirk, der von Oberbilk bis Hamm reicht.
Was die Grünen von ihren Bezirksbürgermeister:innen lernen können
1. Bekannte und anerkannte Repräsentant:innen
Wenn Vereine und Institutionen in den zentralen Stadtteilen zu ihren Veranstaltungen einladen, wenn Bürgerinnen und Bürger dort Ansprechpartner:innen für ihre Probleme suchen – dann landen sie bei den genannten Grünen. Die drei sind bekannt, und ich höre in den Bezirken viel Positives über ihr Engagement. Man sieht sie bei den großen und den kleinen Anlässen, man kennt ihre Namen, selbst wenn man nicht genau erklären kann, was Bezirksbürgermeister:innen genau machen.
Repräsentant:innen mit vergleichbarem Bekanntheitsgrad haben die Grünen auf Stadtebene nicht. Am ehesten gilt dies noch für Clara Gerlach. Sie ist zweite Bürgermeisterin. Das impliziert allerdings, dass es einen ersten Bürgermeister und einen Oberbürgermeister gibt. Stephan Keller und Josef Hinkel bekommen entsprechend viel Aufmerksamkeit. Clara Gerlach muss sich vielfach selbst mit Terminen und Gesprächsrunden versorgen, um bekannter zu werden und ihre Partei zu repräsentieren.
Für diese Aufgabe kämen zudem die Fraktionsvorsitzenden in Betracht. Mirja Cordes und Frank Schulz haben dafür das Potential, mehr kann man über sie aber noch nicht sagen. Die Fraktion hat sie erst in diesem Sommer an die Spitze gewählt und nicht wie meist üblich schon in der Mitte der Legislaturperiode. Deshalb müssen sie sich nun Aufmerksamkeit erarbeiten, während es schon fast in die Wahlkämpfe geht. Warum die Vorgänger Angela Hebeler und Norbert Czerwinski noch ein Jahr länger im Amt blieben, können im Rückblick mindestens Außenstehende nur schwer erklären.
2. Funktionierendes Zusammenspiel mit der Verwaltung
Jeder Stadtbezirk hat eine Verwaltungsstelle. Die Bezirksbürgermeister:innen werden also von Mitarbeitenden dieser Rathaus-Außenstellen unterstützt. Das sind keine großen Abteilungen oder Apparate, aber ein paar Menschen, die einem bürokratische Arbeit abnehmen und sich im Rathaus auskennen. Das erleichtert vieles.
Dieser Vorteil lässt sich nicht eins zu eins auf die Ratsfraktion übertragen, macht aber dennoch ein Problem sichtbar. Den Grünen fehlen auf der höheren Ebene Personen, mit denen sie ihre Politik umsetzen können. Die Ratsleute sind als Gesprächspartner:innen geschätzt und/oder gefürchtet, aber von den Inhalten wird wenig sichtbar. Da hat es die CDU-Fraktion mit einem CDU-Oberbürgermeister deutlich leichter.
Um zumindest bei einigen Themen einen kurzen Dienstweg zu haben, haben die Fraktionen Vorschlagsrechte für die Beigeordneten, also die Minister:innen der Stadtregierung. Auf dem Ticket der Grünen kamen so Miriam Koch (Kultur und Integration) und Jochen Kral (Umwelt und Verkehr) ins Amt – jedoch ohne die erhoffte Wirkung.
Miriam Koch macht einen guten Job, allerdings eher nach Einschätzung des Oberbürgermeisters als in den Augen ihrer Fraktion. Und Jochen Kral ist insbesondere im Verkehr eher Ursache für den Frust als Teil der Lösung. Mehr dazu habe ich in der Geschichte „Wer mit dem Oberbürgermeister die Stadt regiert – und wer nur dabei ist“ beschrieben.
3. Praxis statt Programmatik
Wenn man die Bezirksbürgermeister:innen der Grünen nach aktuellen Themen aus ihrem Vierteln fragt, bekomtm man ausführliche Antworten. Sie nennen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, aktuelle Projekte und Ideen, empfehlen Veranstaltungen und Orte. Ein Beispiel: Ich bin im vergangenen Jahr mit Dietmar Wolf die Friedrichstraße entlanggegangen. Er hat zu beinah jedem Geschäft dort etwas über die Inhaber:innen, die Historie und die momentane Lage berichtet.
Auf den ersten Blick scheint es in diesem Punkt keinen Unterschied zur Ratsfraktion zu geben. Schließlich ist diese wesentlich für die Länge des Kooperationsvertrags (89 Seiten) verantwortlich. Der entscheidende Unterschied: Davon ist wenig Wirklichkeit geworden. Die Vielzahl der Vorhaben hat mindestens die Priorisierung erschwert, in vielen Fällen auch die Umsetzung (siehe „Grünen Fleiß sorgt für Grünen Frust“).
Die Themen der Grünen auf der gesamtstädtischen Ebene sind merklich abstrakter. Man merkt den Beteiligten an, dass sie viel wissen. Dies führt aber oft zu unnötiger Freude an Details und Anfragen an die Verwaltung statt sichtbarer Praxis. Die Agenda der Bezirksbürgermeister:innen ergibt sich hingegen vielmehr aus den Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger. Sie halten sich wenig mit Programmatik auf, sondern konzentrieren sich aufs Zuhören und möglichst Lösen.
In dieser Hinsicht spielt vielleicht noch ein Aspekt eine Rolle: Während viele Ratsmitglieder auch im Hauptberuf für die Grünen oder in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, haben Annette Klinke und Philipp Schlee ganz normale Jobs. Das bringt sie vermutlich zusätzlich mit alltäglichen Fragen in Kontakt.
Was die Grünen noch erreichen können
Trotz allem lohnt sich ein weiterer Blick in den Kooperationsvertrag, um zu schauen, welche der dort genannten Vorhaben sich noch verwirklichen lassen könnten. Aus meiner Sicht kommen die folgenden Themen dafür in Betracht:
- Verkehr Da gibt es viele Möglichkeiten, etwa mindestens Teile der Radleitrouten umsetzen, sich stärker mit dem Erfolg der Mobilitätsstationen verknüpfen, doch noch einen Kompromiss bei höheren Gebühren für Anwohnerparkausweise erzielen oder Nachbarschaftszonen einrichten.
- Klimaschutz Hier wären es schon Fortschritte, wenn die CO2-Emissionen in der Stadt messbar und so aktuell wie möglich dargestellt würden und wenn das Geld aus Förderprogrammen für klimafreundliches Verhalten schneller bei den Menschen ankäme.
- Haushalt In der Operndiskussion betonen die Grünen die hohe Investition für den Neubau und die Folgen für die restliche Stadt. Mit einem eigenen Investitionskonzept oder Ideen für neue Einnahmen könnten sie sich profilieren.
- Bürgerbeteiligung Eigentlich ein Lieblingsthema der Grünen, das bisher aber vorrangig bei jungen Menschen (Kinderparlament, Jugendrat) umgesetzt wurde. Bei Erwachsenen ist deutlich mehr möglich. Ein Beispiel wäre ein Bürger:innen-Entscheid zur Oper.
Fazit
Die Düsseldorfer Grünen werden im letzten Sitzungsjahr des Stadtrats nicht mehr viel ändern können. Aber sie können sich jetzt darum kümmern, dass sich der Frust nach der Kommunalwahl 2025 nicht wiederholt. Dafür haben sie drei Bezirksbürgermeister:innen, von denen man lernen kann, wie zuhören statt senden und Praxis statt Programmatik funktioniert.
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