Die CDU begibt sich in Gefahr: Sie ist siegessicher

Der Düsseldorf Stadtrat geht in sein letztes Sitzungsjahr. In einer neuen Serie erörtere ich die Frage, was die Fraktionen noch erreichen können oder tun müssen. Die CDU hat vermeintlich keine großen Ziele mehr – und genau deshalb ein Problem.
Veröffentlicht am 24. Juli 2024
Stephan Keller und Rolf Tups
Ziehen gemeinsam in den Wahlkampf 2025: Oberbürgermeister Stephan Keller (links) und der CDU-Fraktionsvorsitzende Rolf Tups.

Es steht noch nicht fest, wann der Stadtrat 2025 gewählt wird, aber dass. Folglich gehen die 90 Ratsleute und Oberbürgermeister Stephan Keller nach der Sommerpause in ihr letztes Sitzungsjahr. Bevor der Wahlkampf alles prägt, bleiben noch einige Monate, um gute Entscheidungen für Düsseldorf zu treffen. In den kommenden Wochen werde ich in einer Serie analysieren, welche Themen noch auf die Tagesordnungen kommen oder kommen sollten. Im ersten Teil beschäftige ich mich mit der größten Fraktion des Rates: der CDU.

Die Christdemokrat:innen befinden sich in einer guten Ausgangsposition, wenn da nur nicht die Geschichte wäre. Die Lage: Die Partei stellt den Oberbürgermeister, der nun in knapp vier Jahren keine gravierenden Fehler gemacht hat und derzeit als Favorit im Rennen um die Rathausspitze gilt. Hinzu kommen konstant gute Umfragewerte. Auf Bundesebene liegt die Union nie unter 30 Prozent, der Abstand zur Konkurrenz beträgt im schlechtesten Fall elf Prozentpunkte. Noch besser fiel die jüngste Umfrage in Nordrhein-Westfalen aus. Ministerpräsident Hendrik Wüst und die Landespartei kamen im April sogar auf 38 Prozent.

In vergleichbaren Situationen befand sich die CDU in Düsseldorf in jüngster Vergangenheit allerdings schon öfter und erlebte dann unerwartete Niederlagen. 2014 meldete die „Rheinische Post“ das Ergebnis einer Umfrage, die man selbst in Auftrag gegeben hatte. Danach lag der damalige Amtsinhaber Dirk Elbers klar vor seinen Herausforder:innen und konnte schon im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit rechnen. Am Ende blieb er in Runde eins klar unter 50 Prozent und unterlag in der Stichwahl Thomas Geisel (SPD).

Ähnlich lief es im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Ein Jahr vor dem Termin stand die Union noch besser als heute da, bei 40 Prozent oder knapp darunter. In den Monaten vor der Wahl geriet das Ganze ins Rutschen. Olaf Scholz überholte Armin Laschet im Kanzlerrennen – und auch die Düsseldorfer CDU spürte die Folgen. Sie verlor das Direktmandat im südlichen Wahlkreis und kam bei den Zweitstimmen nur auf 24,2 Prozent.

Die Erfolge in jüngerer Vergangenheit waren bei der CDU in der Regel mit Demut verbunden. Bei der OB-Wahl 2020 wurden Stephan Keller lange nur Außenseiterchancen zugestanden. Bei der Landtagswahl 2022 traten die Christdemokrat:innen so auf, als könne ihnen die SPD wirklich gefährlich werden. Für diejenigen, die sich an den damaligen Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty noch erinnern, ein gar nicht mehr so leicht nachzuvollziehender Ansatz. Die Wahlsiege bestätigten die Strategie.

Der Düsseldorfer CDU erging es also häufiger schlecht am Wahltag, wenn sie sieggewiss war. Nun wäre es vermeintlich leicht, dem vorzubeugen, indem man agiert wie 2020 oder 2022. Dass das aber gar nicht so leicht ist, zeigt sich beim genauen Blick auf die Ratsfraktion und die nächsten zwölf Monate – vor allem in den folgenden drei Punkten:

Keine großen Ziele mehr
Stephan Keller ist mit fünf Versprechen in den OB-Wahlkampf gegangen. Wenn er nach diesen gefragt wird, kann er schon jetzt eine vernünftige Bilanz aufweisen und belegen, dass die noch offenen Punkte in Arbeit sind. Er hat die Ordnungskräfte aufgestockt, um für mehr Sicherheit insbesondere in der Altstadt zu sorgen. Mit einem neuen Dezernenten bringt er die Digitalisierung voran. Staus gibt es nicht mehr in dem Maße wie einst auf den Umweltspuren – auch weil die Menschen in der Stadt insgesamt weniger Auto fahren. Kinder sind nach wie vor gut betreut. Und für den Klimaschutz stehen jedes Jahr 60 Millionen Euro im städtischen Haushalt bereit.

Nun kann man niemandem vorwerfen, dass er macht, was er angekündigt hat, und diese Themen mit merklich mehr Druck versieht als andere. Es birgt aber eine Gefahr. Sie heißt Selbstverständlichkeit. Beispiel Altstadt: Die Lage ist dort zuletzt wieder ruhiger geworden. Käme es im nächsten Sommer wieder zu mehr Straftaten und Krawall, würde niemand mehr dem Oberbürgermeister zugutehalten, dass er eine Menge dagegen unternommen hat.

Ähnlich schaut es bei der Digitalisierung und der Kinderbetreuung aus. Die Düsseldorfer:innen sehen Glasfaser und starkes WLAN in Schulen als normal an. Folglich kommen ihnen Stephan Keller und die CDU nur in den Sinn, wenn etwas nicht läuft.

Bei der Sauberkeit in der Stadt ist die Gefahr schon zu spüren. Auch da wurde einiges getan von der Einstellung so genannter Mülldetektive bis zum Kauf moderner Kehrmaschinen. Aber ich höre in Gesprächen mit unseren Leserinnen und Lesern regelmäßig ein Murren darüber, wie es an den Containerstandorten aussieht oder dass an anderen Stellen Müll herumliegt.

Die Christdemokrat:innen brauchen also neue Themen – und man könnte meinen, der 89 Seiten starke schwarz-grüne Kooperationsvertrag würde dafür noch etwas bereithalten. Der Umfang des Werks war aber vor allem der Detailliebe der Grünen geschuldet. Die CDU-Schwerpunkte waren im Wesentlichen die ausformulierten Versprechen von Stephan Keller.

Es ist also gar nicht so leicht, im nächsten Sitzungsjahr noch etwas neues Vorzeigbares zu erreichen. Möglich wäre das bei den fehlenden Pflegeplätzen (das Thema scheint der OB-Kandidat der SPD, Fabian Zachel, aufgreifen zu wollen), mit weiteren Schritten für die Sauberkeit oder mit der Oper. Sollte man im Sommer 2025 schon ein Modell eines architektonisch herausragenden Gebäudes haben, könnte das einen Teil der Wählerschaft beeindrucken.

Thematische Überraschungen möglich
Die vergangenen Jahre waren in Düsseldorf von Krisen geprägt. Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine und seinen Folgen, unter anderem die hohen Energiepreise. Letztere scheinen überwunden, es könnte nun eine Phase ohne neue große Krisen anbrechen.

In solchen Phasen rücken oft Themen ins Zentrum von Debatten (und Wahlentscheidungen), die vorher nicht absehbar sind. Meist geschieht dies mit großem Tempo. Ein Beispiel waren im Jahr 2019 die Fridays-for-future-Bewegung und der Klimaschutz. Sie brachten die Grünen in Düsseldorf nah an die 30-Prozent-Marke.

Die CDU und ein Amtsinhaber erfahren in Krisenzeiten oft zusätzliches Vertrauen. Thematische Überraschungen kosten sie hingegen meist Prozentpunkte. Neben Dingen, die noch keiner absehen kann, erscheinen mir die hohen Wohnkosten als ein Anliegen, aus dem eine solche (Protest-)Bewegung werden könnte.

Keine neuen Gesichter
Die CDU-Fraktion ist von Politikerinnen und Politikern geprägt, die schon lange im Rathaus und in den Stadtbezirken aktiv sind. Der Vorsitzende Rolf Tups ist mit seinen 68 Lebens- und rund 40 Politikjahren auch in dieser Hinsicht erster Repräsentant der Christdemokrat:innen. Im Laufe der Legislaturperiode deutete die Fraktion immer mal wieder an, dass es nach der Wahl 2025 einen personellen Umbruch geben werde. Zu erkennen ist dieser nicht.

Vielmehr mehren sich inzwischen die Gerüchte, dass Rolf Tups nochmal zwei oder zweieinhalb Jahre als Vorsitzender weitermacht. Es gibt in der Fraktion jüngere Mitglieder, die nachrücken könnten, etwa die Derendorferin Aletta Mansheim oder die Ausschussvorsitzenden Philipp Thämer (Umwelt) und Christian Rütz (Öffentliche Einrichtungen). Bisher ist aber nicht absehbar, ob die bisher dominierenden Freunde des Posten-und-Einfluss-Verteilens in der Fraktion ihren Kurs noch fortsetzen.

Fazit
Die Düsseldorfer CDU hat gute Gründe, optimistisch ins Wahljahr 2025 zu gehen. Sie muss sich dafür aber noch besser wappnen. Dies gilt umso mehr, als die Kommunal- mit der Bundestagswahl zusammenfällt. Das heißt, der Kanzlerkandidat der Union wird Einfluss auf das hiesige Ergebnis haben. Und der aktuelle Favorit Friedrich Merz scheint durchaus veranlagt, noch einigen Schaden anrichten zu können.

Für die Christdemokrat:innen wäre es am besten, wenn sich die Stimmung des EM-Sommers wiederholt. Die großen Konzerte von Ed Sheeran können einen kleinen Beitrag dazu leisten, ein Aufstieg der Fortuna einen großen. Dafür braucht es allerdings höhere Mächte als die politischen.

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