China bleibt, das Fest geht

Hinter einem traditionellen roten Tor wartete der Ferne Osten. Klassische Tanzeinlagen und bunt geschmückte Essensstände boten die Kulisse für eine unkritische Feier chinesischer Kultur und deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen. Zuletzt in Duisburg im September 2022, zu einer Zeit als die Zusammenarbeit der beiden Partner längst kriselte. Sören Link war als Oberbürgermeister der Gastgeberstadt das einzige Stadtoberhaupt bei diesem Fest, seine Kollegen aus Düsseldorf und Köln waren nicht dabei. Die Landeshauptstadt vertrat Bürgermeister Josef Hinkel – und lud alle Beteiligten zum Chinafest 2023 nach Düsseldorf ein.
Jetzt ist klar: Josef Hinkel hat damals zu viel versprochen. Ein Chinafest 2023 wird es nicht geben. Die Stadt erklärte auf meine Anfrage, man habe sich gegen eine Fortführung der Veranstaltung entschieden, die ab 2011 zunächst nur in Düsseldorf, später im jährlichen Wechsel auch in Köln und Duisburg durchgeführt wurde. Mit den angespannten deutsch-chinesischen Beziehungen habe all das allerdings nichts zu tun, so die offizielle Sprachregelung. „Ungeachtet der aktuellen Situation“ gebe es schon länger Überlegungen, das Chinafest in seiner alten Form zu überdenken. Nun gelte es „Formate zu finden, die stärker auf China-interessierte Zielgruppen eingehen“.
Dass die Stadt Düsseldorf einmal freiwillig auf ihr Chinafest verzichten würde, konnte sich am 29. März 2014 wohl noch niemand vorstellen: Für die Region ist es ein großer, ein stolzer Tag. Der chinesische Präsident Xi Jinping ist zu Gast und wird am Duisburger Hafen von einer prominent besetzten VIP-Tribüne empfangen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wartet ebenso wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf den hohen Besuch, der sich das Ende der Neuen Seidenstraße aus nächster Nähe ansehen möchte. Kaum jemand hinterfragt damals die pure Freude über den Staatsbesuch, zu sehr überwiegt die Hoffnung auf noch engere Wirtschaftsbeziehungen beider Länder. Die Düsseldorfer Stadtverwaltung ist lediglich enttäuscht, nicht noch mehr von Xi Jinping abzubekommen. Der Staatschef wohnt zwar im Interconti-Hotel, ein von Oberbürgermeister Dirk Elbers erhoffter Rathausempfang kommt jedoch nicht zustande.
Heute, neun Jahre später, hat das deutsch-chinesische Verhältnis einige Risse erlitten. Die monatelange Diskussion um den möglichen Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Hafen ist dabei nur das prominenteste Beispiel. In Duisburg ist die Euphorie von 2014 einem Pragmatismus gewichen, dass es ganz ohne China eben auch nicht geht. In Düsseldorf beendete die Universität bereits 2020 eine Kooperation mit dem hiesigen Konfuzius-Institut. Die Gefahr einer möglichen Einflussnahme aus China wurde als zu groß erachtet.
Dass das Chinafest bei den drei ausrichtenden Städten nicht mehr nur auf Zuneigung stößt, deutete sich schon 2022 an. Das Fest in Duisburg wurde so wenig beworben, dass sich kaum interessierte Besucher ohne chinesischen Background auf dem Veranstaltungsgelände wiederfanden. Aus dem Umfeld der Duisburger Stadtverwaltung hieß es damals, dass die Freude auf den Termin nicht gerade groß sei.
Auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller musste nach dem Duisburger Chinafest Kritik einstecken. Allerdings von anderer Seite. Ein empörter Top-Manager habe kurz nach der Veranstaltung bei ihm angerufen, berichtete die Rheinische Post. Er ärgerte sich darüber, dass Keller am Chinafest nicht persönlich teilgenommen hatte. Das könne man doch nicht machen, die Chinesen so abzustrafen. Beim traditionellen Empfang zum chinesischen Neujahrsfest hatte sich Keller dann aus Sicht seiner China-freundlichen Kritiker gebessert. Dort war er der Auftaktredner.
Und auch im April dieses Jahres arbeitete die Stadt daran, die Beziehungen zu China zu stärken. Gemeinsam mit einer Wirtschaftsdelegation reiste Keller nach Shanghai und Shenzhen. Keller sei der erste europäische Bürgermeister, der nach Ende des Lockdowns von seinem Shanghaier Kollegen empfangen wurde, verkündete die Stadt damals nicht ohne Stolz. „Wir müssen vermeiden, uns vollständig von China zu lösen“, ließ sich Keller in der entsprechenden Mitteilung zitieren.
Eine wirkliche Distanz kann sich die Stadt angesichts 630 chinesischer Unternehmen in Düsseldorf wohl schlichtweg nicht leisten. Da ist die Absage des Chinafestes eine simplere Alternative mit Symbolkraft. Vielleicht gefiel den Verantwortlichen aber auch einfach nur die vorherrschende Ästhetik des Festes nicht mehr. Zu viel zweitklassiger Freizeitpark, zu wenig Silicon Valley. Unter Umständen wird es 2024 dann sogar ein Chinafest 2.0 geben. Oder die Stadt Düsseldorf findet andere Wege, um ihre Nähe zur Volksrepublik zu zelebrieren. Der Findungsprozess dazu dauert wohl noch an. Nur eins scheint klar: Auch wenn nach diesem Text wieder ein empörter Top-Manager im Rathaus anruft, an den generellen Wirtschaftsbeziehungen wird keine Fest-Absage etwas ändern.