Zwei Düsseldorfer Zahnärzte und ihr Lehrling aus Vietnam

Den Spruch von den „Fachkräften aus dem Ausland“ hören wir seit langem. Idealerweise würden oder sollen sie unsere Jobkrise zu lindern helfen, freie Stellen besetzen und am Ende unser demographisches Problem lösen. Aber offenbar sind sie auch die Alternative zu Deutschen, die für bestimmte Berufe nicht mehr zu begeistern sind.
Wie das in der Realität aussieht, erleben die Düsseldorfer Zahnärzte Christian Sampers und Jens Dauben seit einiger Zeit. Sie kennen die Schwierigkeiten, geeignete Leute zu finden, und haben für sich und ihre Praxis einen Weg gefunden, der offenbar funktioniert. Der Betrieb würde locker unter den Begriff „multikulti“ passen. Es arbeiten dort eine Frau aus Kenia, eine mit ghanaischen Wurzeln, zwei Tadschikinnen, eine Russin – und nun ein junger Mann aus Vietnam.
Vuong Ban kam im Juni nach Düsseldorf. Und seine Geschichte ist besonders berührend, weil sie von einem in jeder Beziehung harten Weg erzählt.
Die Praxis hat ihn mit Hilfe einer in Hamburg sitzenden Agentur gefunden. Die stellte den Kontakt nach Vietnam her, am Ende kamen sieben Bewerber in die engere Auswahl. Bei einer Video-Konferenz stellten sie sich vor, so fand die erste Kommunikation zwischen den potenziellen Ausbildern in Deutschland und den möglichen neuen Kollegen statt. Am Ende entschied man sich für Ban.
Die Ärzte geben zu, die Modalitäten dieser Arbeitskraftvermittlung nicht bis ins letzte Detail zu durchschauen. Man wisse nur, dass die Familien der Interessenten rund 5000 Euro aufbringen müssen, um Visagebühren, einen Sprachkurs und andere Kosten zu tragen. Außerdem sind der Flug und die Vermittlungsagentur zu bezahlen. Für die künftigen Arbeitgeber, in diesem Fall die Praxis, entstehen keine Kosten. Was da im Hintergrund abläuft, ist zumindest diffus. Von einer längeren Reise durch den Norden Vietnams weiß Sampers jedenfalls, wie viel Geld diese Summe bedeutet für die Menschen. Vermutlich legt die gesamte Familie zusammen, um den Sohn nach Europa zu schicken und darauf zu hoffen, dass er später mit dem dort verdienten Geld in der Heimat helfen kann.
So oder so – das Team erlebt den jungen Vietnamesen als Glücksfall. Zurückhaltend, freundlich, höflich und von enormer Energie sei er. Bereits nach wenigen Wochen habe Ban um mehr Verantwortung gebeten und die Kollegen verblüfft, als er die Begriffe für sämtliche Geräte bereits kannte. Er hatte Fotos gemacht, sich alles von Kollegen erklären lassen und die Namen auswendig gelernt.
Beeindruckend ist die Zähigkeit, mit der Ban hier sein Leben angeht. Nach einem Sprachkurs in Hanoi hatte er nur rudimentäre Sprachkenntnisse und musste sich auf eine völlig andere Kultur einlassen. Über die Agentur fand er eine Bleibe in Krefeld, die Sampers spürbar zurückhaltend als „sehr einfach“ beschreibt. Inzwischen hat Ban gemeinsam mit drei Freundinnen in Düsseldorf eine Wohnung bekommen, bei deren Einrichtung die Chefs halfen. Sie spendierten die Küche und bauten sie mit Freunden auf, andere schenkten Geschirr, Lampen und andere Dinge. Lernen musste der junge Mann auch, dass sein künftiger Job von Frauen geprägt ist. In seiner Berufsschulklasse ist er der einzige Junge neben 21 Schülerinnen.
Sampers hört aus seinem Umfeld, dass er mit diesem Engagement zwar nicht allein, aber doch nicht die Norm ist. In anderen Branchen würden junge Leute aus dem Ausland regelrecht ausgebeutet. Viele Betriebe begriffen nicht die Chance, die sich ihnen mit Blick auf die Zukunft und weitere Personalknappheit böte. Aus Gesprächen mit Berufsschullehrern weiß er zudem, wie schwer sich diese jungen Menschen tun, wenn sie ohne umfassende Sprachkenntnisse dem Unterricht folgen sollen.
Trotz aller Hürden: Das Interesse an Jobs in Deutschland sei hoch, haben die Mediziner gelernt, vor allem in ihrem Bereich. Es kommen vor allem Bewerbungen aus der Türkei und aus den früheren Republiken der kollabierten Sowjetunion. Wie die beiden Lehrlinge aus Tadschikistan: Eine von ihnen kam als Au-Pair nach Deutschland und bewarb sich um eine Lehrstelle. Wenig später vermittelte sie eine Freundin. In ihrem Heimatland, erzählen sie, verdient ein Lehrer umgerechnet 100 Euro im Monat.
Für die beiden Zahnärzte jedenfalls sind auch sie ein Glücksfall. Deutschen Nachwuchs zu finden haben sie beinahe aufgegeben. Weil sie die Erfahrung machten, dass es denen nicht mehr zu vermitteln sei, was es bedeutet, einen Vertrag zwecks Ausbildung abzuschließen – nämlich die Verpflichtung beider Seiten, Verantwortung zu übernehmen.
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