Gucci-Tasche oder Goldbarren: Charly kauft fair und bezahlt besser

Wer geht ins Pfandhaus und versetzt dort Wertgegenstände? Die Kunden kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Manche aus Not, um ihre Miete zu bezahlen. Und manche, weil sie sich an der Rolex sattgesehen haben und sie lieber zu Geld machen.
Von Andrea Kohlert (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 10. Oktober 2025
Charly’s Leihhaus Oststrasse 1Foto: Andreas Endermann
Leihhaus-Inhaber Charly hat seine Internet-Bewertungen gut im Blick und richtet auch danach seine Ankauf-Preise aus.

Sein Handy klingelt unaufhörlich. „Charlys Leihhaus“, höre ich ihn sagen, während sein Zwergspitz Tiffy neben ihm auf dem Stuhl liegt und ein Nickerchen hält. Wieder ein Anruf: „Handys kaufe ich nicht. Damit kenne ich mich nicht gut genug aus. Tut mir leid.“ Charly ist ein Mann mit Prinzipien, davon weicht er nicht ab. Keinen Zentimeter. Seit fast 30 Jahren ist er in diesem Business tätig und man merkt schnell, dass er straight und erfahren ist, aber auch, dass er ein gutes Herz hat. Eigentlich kauft er nur Schmuck, Uhren, Taschen, Gold und Alt-Gold. „Neulich kam ein Mann mit zwei Sonnenbrillen in den Laden. Fest überzeugt, dass die noch einen hohen Wert haben. Als ich ihm sagte, dass dem nicht so ist, war mir klar, wie dringend er das Geld braucht. Also habe ich sie zu einem Spitzenpreis angekauft.“ Er lächelt.

In Fjordor Dostojewskis Roman-Debüt „Schuld und Sühne“ von 1866 ist die Pfandleiherin das fleischgewordene Böse, der Inbegriff von Raffgier, die die Not der Besitzlosen skrupellos ausnutzt und für Wertgegenstände nur einen Bruchteil des Wertes zahlt und sich über die Armen lustig macht.

Damals und auch heute noch ist der Beruf des Pfandleihers gesellschaftlich negativ behaftet. Aber das Bild hängt schief und vor allem wandelt es sich. Denn in einer Zeit höchsten Konsumgenusses, in der es plötzlich normal geworden ist, dass Modebrands nicht mehr zwei, sondern sieben Kollektionen in kurzer Zeit nach- oder nebeneinander auflegen, in der Designertaschen in allen Gesellschaftsschichten gesammelt werden und man bei Gucci, Louis Vuitton und Co einen Termin machen muss und dann wahnsinnig gerne noch zwei Stunden draußen in der Schlage steht, da feiern Vintage, DIY und Nachhaltigkeit eine dicke, fette Party. Irgendwo muss das Zeugs ja hin, wenn es ausgedient hat.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

Unser Journalismus ist werbefrei und unabhängig, deshalb können wir ihn nicht kostenlos anbieten. Sichern Sie sich unbegrenzten Zugang mit unserem Start-Abo: die ersten sechs Monate für insgesamt 1 Euro. Danach kostet das Abo 10 Euro monatlich. Es ist jederzeit kündbar. Alternativ können Sie unsere Artikel auch einzeln kaufen.

Start-Abo: 6 Monate für 1 Euro

Artikel einzeln kaufen (2 EUR)

Schon Mitglied, Freundin/Freund oder Förderin/Förderer?

Hier einloggen


Lust auf weitere Geschichten?