Eigentümer kündigt, Mieter kämpfen vor Gericht um ihr Zuhause

Drei Seiten, unterschrieben von einem Anwalt. Laura Knapp hält die Kündigung in der Hand. Ihre Wohnung, die Menschen im Haus, die Nähe zur Nordstraße mit ihren Geschäften und Cafés – plötzlich scheint alles brüchig.
Vor 18 Jahren zog sie als Musikstudentin ein. Ausziehen wollte sie nie. Gründe gab es genug: Wasserschäden, Schimmel, gesperrter Balkon. „Der Vermieter hat sich nie gekümmert“, sagt sie. Trotzdem mag sie ihre Wohnung in Golzheim, auch weil die Nachbarn gern zuhören, wenn sie Geige spielt.
Im April 2024 dann die Nachricht: Der Eigentümer will Wohnungen zusammenlegen, sanieren und neu vermieten. Für 20 Euro pro Quadratmeter. Alle müssen raus. Er beruft sich auf Paragraph 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dieser ermöglicht die Kündigung, wenn der Vermieter an einer „angemessenen wirtschaftlichen Verwertung“ gehindert wird. Das Schreiben mit dieser Begründung liegt mir vor, auf eine Anfrage reagierte der Vermieter nicht.
Eigenbedarfskündigungen werden inzwischen strenger geprüft. Für Vermieter:innen bleibt aber ein Schlupfloch: Die Verwertungskündigung. Was „angemessen“ bedeutet, beurteilen Gerichte sehr unterschiedlich.
Im Januar erhielten alle vier Altparteien in Laura Knapps Haus eine Räumungsklage. Alle entschieden sich, vor Gericht zu ziehen. Ihre eigene Gerichtsverhandlung und die einer Nachbarin stehen noch aus. Die beiden anderen Parteien haben ihre Prozesse bereits hinter sich. Urteile liegen noch nicht vor, es hat in beiden Prozessen einen so genannten Hinweisbeschluss gegeben. Das heißt, das Gericht hat einen Gutachter bestellt.
Laura Knapp war in den Prozessen mit dabei. Sie erinnert sich an die Wortwahl des Richters: Der Eigentümer habe das Haus 50 Jahre lang „verramschsacken“ lassen. Von „Luxussanierung“ und „kalter Entmietung“ sei die Rede gewesen.
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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