Der Uerige hat eine neue Leitung

Künftig will die Hausbrauerei weitgehend auf Holzfässer verzichten. Das hat einige Gäste irritiert, weil sie einen Qualitätsverlust fürchteten. Dabei ist das Bier auch bisher nie mit Holz in Berührung gekommen.
Veröffentlicht am 25. Mai 2023
Das Ender der Holzfässer im Uerige
Uerige-Baas Michael Schnitzler vor den neuen Stahltanks, aus denen sein Bier jetzt direkt an Zapfhähne gepumpt wird. Foto: Andreas Endermann

Wenn’s ums Bier geht, wird es emotional – vor allem in den Hausbrauereien. In Treue fest verbunden steht der Stammgast zu seinem Haus, ist mit seiner Marke eine Art Bund fürs Leben eingegangen. Entsprechend empfindlich reagiert man da auf vermeintlich tiefgreifende Änderungen.

So wie jetzt im Uerige. Als der Düsseldorfer Express vor ein paar Wochen als erster berichtete, die Brauerei wolle künftig auf Holzfässer verzichten, schäumte der Protest hoch in den Kommentarspalten verschiedener Portale. Um im Bild der Ehe zu bleiben: Einige gar nicht mehr fröhliche Zecher drohten mit Scheidung und Liebesentzug, einige waren empört, etliche irritiert. Dabei ist der Zwist im Grunde keiner, sondern nur ein großes Missverständnis.

Was ist passiert? Tatsächlich werden im Uerige die Produktionsabläufe an einer grundlegenden Stelle geändert – wohlgemerkt: die Abläufe, nicht die grundsätzliche Machart oder gar Rezeptur des Bieres. Neu ist: Anders als bisher wird das Gebräu am Ende der Herstellung nicht mehr aus riesigen Stahltanks in hunderte von Fässern aus Eichenholz umgefüllt, sondern geht nun als fertiges Produkt in drei neue Behältnisse, ebenfalls aus Stahl, und von dort zu den hauseigenen Zapfanlagen. Mit anderen Worten: Es entfällt der Zwischenschritt über die Holzfässer. Das hat mehrere Gründe.

Das Ende der Holzfässer im Uerige
Ausrangierte Holzfässer im Uerige dienen als Tische. Foto: Andreas Endermann

Erstens gibt es schon lange Diskussionen mit der Berufsgenossenschaft wegen Belastung und Gefährdung der Köbesse. Gewarnt wurde immer wieder vor der Verletzungsgefahr beim Rollen der schweren Fässer quer durch die Brauerei zu den Zapftischen. Ein volles 50-60-Liter-Fass wiegt knapp einen Zentner und will mit viel Vorsicht fußschonend bewegt, gelenkt und gebremst werden. Ein direkter Transport vom Keller auf die Theke per Aufzug ist aus baulichen Gründen nicht möglich. Am Ende war das Fass dann auf den Bock zu wuchten. Zwei Männer sind dazu nötig, manchmal drei.

Zweitens werden die Fässer nach jeder Leerung gereinigt. Dazu gibt es eine spezielle Anlage, die mit sehr viel Wasser das Innere gründlich ausspült und von Resten befreit. Allein der Wegfall dieses Schrittes erspart eine enorme Menge an Wasser.

Drittens sind die Fässer beim Kauf teuer (Eiche!) und reparaturanfällig. Sie leiden immer dann besonders stark, wenn sie eine Weile nicht genutzt werden – wie zuletzt in der Corona-Zeit.

Angesichts dieser Faktoren entschied sich Uerige-Baas Michael Schnitzler vor einigen Monaten für die Modernisierung, die ihn 750.000 Euro kostete. Die neuen Tanks – jeder fasst rund 4600 Liter – wurden durch ein eigens in die Kellerdecke gestemmtes Loch nach unten geschafft, eine digital gesteuerte Anlage nebst dicken, isolierten Leitungen nach oben installiert. Diese Isolation ist wichtig, weil das Alt so gekühlt bis an den Zapfhahn kommt. Ein weiterer Fortschritt, wie der Chef sagt.
Weil das Haus aber bei aller Modernisierung voller Traditionen steckt, sollen die Holzfässer nicht ganz verschwinden. Im Außenbereich (Forum) wird aus ihnen nach wie vor das Bier gezapft, und innen stehen sie auch weiterhin auf den Theken. Aber dort sind sie leer: Die Leitung aus dem Keller endet am Zapfhahn im Holzfass. Wer das nicht weiß, der wird den Unterschied nicht bemerken.

Überhaupt basiert die Irritation mancher Gäste ohnehin auf einem Missverständnis. Anders als beim Wein kommt Bier nie mit dem Holz der Fässer in Verbindung, der Geschmack wird also durch das natürliche Material nicht beeinflusst. Denn die Behältnisse sind innen mit einem pechartigen Material versiegelt. Und in anderen Brauereien ist der Verzicht auf Holzfässer seit Jahren normal. Allerdings gehen sie bisweilen einen ganz anderen Weg: Sie verwenden Holzimitate mit einem Stahlkern, zu erkennen nur bei sehr nahem Hinsehen.
Anders gesagt: den Holzweg haben die meisten Betriebe längst verlassen. Allerdings haben sie das diskret gemacht, so dass es nicht auffiel. Beim Trinken des Bieres ohnehin nicht.

In eigener Sache: Die Hausbrauerei Uerige hat VierNull einmal als Sponsor und einmal bei einer karitativen Aktion unterstützt.


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