Das Herz der Düsseldorfer Innenstadt ist eine Höhle der (Bau-)Löwen
Eins vorab: Das hier soll keine Wertung sein, sondern nur eine Beschreibung des Ist-Zustandes. Einer Lage, die es so im Herzen der Düsseldorfer Innenstadt noch nie gab. Kurz zusammengefasst: Viele der prägenden Bauvorhaben der vergangenen Jahre (nach Fertigstellung des Kö-Bogens I mit Breuninger) bis in die nächste Zeit laufen unter der Regie von zwei der Großen im Immobiliengeschäft – René Benko (unter anderem Signa Properties) und Uwe Reppegather (Centrum). Beide sind erfolgreiche Immobilien-Unternehmer, beide sind – in dieser Branche nicht ungewöhnlich – umstritten, und beiden wird von Kennern der Szene eine gewisse Robustheit beim Durchsetzen der eigenen Interessen bescheinigt. Das ist nicht illegal und kann hilfreich sein, wenn es um wertvolle Grundstücke einer Stadt wie Düsseldorf geht und auf der anderen Seite des Verhandlungstischs Menschen (ehrenamtliche Kommunalpolitiker, Beamte aus dem Rathaus) sitzen, deren Stärken – sagen wir, auf anderen Gebieten liegen.
Nachdem das Pokerspiel um Kaufhof, Karstadt und Carschhaus eröffnet, aber längst noch nicht beendet ist, hat René Benko signalisiert, gern zu helfen, wenn man sich dazu entschließt, die Oper am Wehrhahn zu bauen. Praktischerweise hat er dort Kaufhof und Karstadt übernommen. Eine Oper könnte Teil einer neuen Bebauung sein. Als diese Ideen vor einigen Wochen präsentiert wurden, brachte CDU-Ratsherr Alexander Fils sogar einen Tausch ins Gespräch: Grundstück Wehrhahn gegen Grundstück Oper am Hofgarten. Benko pauschal als „Eigentümer“ zu bezeichnen ist übrigens nicht korrekt. Meist gehören die Projekte einer Firma aus einem sehr komplexen Geflecht von Unternehmen. Allerdings ist der Österreicher sozusagen das Gesicht dieser Konstruktionen.
Der andere, Uwe Reppegather, sieht im Opern-Neubau ebenfalls eine weitere Chance, in der Innenstadt ein prestigeträchtiges Projekt zu realisieren. Über seine Firma Centrum ließ er kürzlich die Nachricht in geneigte Medien lancieren, er habe Architekten gebeten, sich Gedanken zu machen für einen Neubau am heutigen Standort. Dass er das tut, weil er ein großer Fan von Wagner oder Verdi ist, gilt als unwahrscheinlich.
Wieso das Interesse an der Oper?
Egal, wo dieses neue Kulturzentrum für Musik entsteht – Düsseldorf wird damit ein Zeichen setzen in Sachen Architektur und neuem Konzept für alte und neue Musik. Es geht also – siehe Elbphilharmonie in Hamburg – um ein Bauwerk mit enormem PR-Wert. Allein das ist mit Geld kaum zu bezahlen. Wer dieses Haus realisiert, der wird in Medien sehr präsent sein, was den weiteren geschäftlichen Erfolg befeuert. Auf jeden Fall winkt viel Profit, wenn man ein Abkommen schließt, das neben der öffentlichen kulturellen Nutzung auch Büros, Wohnungen oder Geschäfte erlaubt. Ein Neubau an dieser Stelle mit einem gemixten Konzept (Kultur, Büro, Wohnen) wäre also hoch profitabel.
Gibt es bereits eine Entscheidung für den Standort?
Nein, anfangs waren vier Adressen in der engeren Wahl. Die heutige an der Heine-Allee, der Rheinpark, eine im Bereich Wehrhahn und eine im Hafen nahe der Kesselstraße. Zuletzt hat man sich festgelegt auf die Adressen Heinrich-Heine-Allee oder Wehrhahn. Welcher es am Ende wird, soll nicht vor Ende 2023 entschieden werden.
Zeichnet sich ein Favorit ab?
Offiziell nicht, aber es gibt Anzeichen für die Präferenz des heutigen Standortes.
Was spricht gegen diesen Standort?
Er ist zu klein. Eine neue Oper, vor allem mit einem neuen Konzept für ein Zentrum der Musikkultur, hätte einen deutlich größeren Platzbedarf als das derzeitige, marode Haus.
Wie kann man das lösen?
Unter Beibehaltung der heutigen Grundstückgrenzen gar nicht. Die Idee, in die Höhe zu bauen, hat offenbar keine Chance. Eine Oper über mehr als zwei Stockwerke gilt als nicht praktikabel. Aber es sind weitere Vorschläge in Arbeit.
Also im Umfeld Platz abknapsen?
Ja, denkbar, aber heikel. Denn unmittelbar an die Oper grenzt der Hofgarten. Und der ist den Düsseldorfern heilig. Wie sehr sie dagegen sind, ihn anzugreifen, haben sie in der Vergangenheit mehrfach gezeigt.
Wissen die potenziellen Investoren das?
Ja, auf jeden Fall. Aber es gibt erste, sehr diskrete Versuche, die Öffentlichkeit auf mögliche Raumverluste des Parks einzustimmen. Womöglich wissen die Jonges, sonst stets konsequente Kämpfer für den Hofgarten, bereits mehr. Denn in einer Umfrage zum Opernneubau, die sie gerade machen, gibt es eine Frage, in der nach der Akzeptanz von Verlust am Hofgarten im Bereich von „bis zu 4500 Quadratmeter“ gefragt wird. Das ist fast ein halber Hektar – und wirklich viel Land. Zum Vergleich: Ein Bundesliga-Fußballfeld hat 7140 Quadratmeter. Der oben erwähnte Entwurf von Centrum, der offiziell noch nicht vorgestellt worden ist, scheint darauf einzugehen und versucht diesen Konflikt durch eine offene, gläserne Bauweise zu entschärfen.
Die Stadt hat den Neubau anfangs noch je nach Standort mit 636 bis 716 Millionen Euro kalkuliert. Inzwischen ist man bei 770 Millionen, dass man die Milliarden-Grenze knackt, gilt als sicher. Wie könnte ein Neubau am alten Standort für die Stadt günstiger als bisher kalkuliert umgesetzt werden?
Denkbar wäre ein Abkommen mit einem Investor, dem man das Grundstück zur Verfügung stellt (Verkauf, Erbpacht) und der die Möglichkeit bekommt, seine Ideen umzusetzen – allerdings unter Berücksichtigung der vertraglich festgelegten städtischen Bedürfnisse. Das heißt: es entsteht eine wie auch immer konzipierte Oper, aber drum herum gibt es eine andere Nutzung, deren Bewirtschaftung oder Vermarktung beim Investor liegt. Die Stadt mietet den Teil, den sie braucht, für einen sehr langen Zeitraum zurück – und muss kein oder auf jeden Fall viel weniger eigenes Geld investieren. Das wäre eine Art PPP – Privat-Public-Partnership. Und hätte durchaus Vorteile, nicht nur für den Investor.
Wie funktionieren solche Partnerschaften grundsätzlich?
Investoren entwickeln die Projekte bis zur Baureife und beantragen irgendwann eine Baugenehmigung. Oft wird aber für große Investitionen ein bereits vorhandener Bebauungsplan geändert, um die erlaubte Nutzung des Geländes auszuweiten. Das ist in der Regel die Voraussetzung für das Investment: Mehr Platz bedeutet zuerst die Wirtschaftlichkeit und am Ende Profit aus dem Bauvorhaben.
Hat die Stadt Einflussmöglichkeiten?
Ja, die hat sie. Sie kann auf Einhaltung von Vorgaben achten, kann diese sogar selbst gestalten. Außerdem ist es die Verwaltung, die einen Bebauungsplan ändert und am Ende die Genehmigung zum Bauen erteilt. Aber sie kann einen Grundstückeigner nicht zwingen, nach ihren Vorgaben zu bauen. Würde man sich nicht einigen, sitzen die Investoren meist am längeren Hebel: Sie bauen nicht, wenn es sich nicht lohnt, und haben genug Kapital, um ein ungenutztes Bauwerk/Grundstück notfalls Jahre einfach liegen zu lassen. Das jedoch widerspricht den Interessen der Stadt. Im konkreten Fall will die Stadt unbedingt am Wehrhahn eine Weiterentwicklung, um diesen Standort nach Jahren mit Baustellen wieder attraktiver zu machen. Und auch bei der Oper ist sie in Zugzwang: Das alte Gebäude ist marode, es muss auf jeden Fall ein neues her.
Welche anderen Projekte laufen unter der Regie von Benko und Reppegather?
Reppegather
Sein Unternehmen hat den Kö-Bogen II (Ingenhoven-Tal) gebaut. Details über den Deal mit der Stadt sind nur in Teilen bekannt. Offiziell hieß es, das Grundstück sei für 70 Millionen verkauft worden. Um den Investor, dem man das Areal ursprünglich für 30 Millionen angeboten hatte, zu überzeugen, habe man ihm aber einige Zugeständnisse im Bereich Schauspielhaus-Vorplatz gemacht. Der damalige OB Thomas Geisel (SPD) pries die Verhandlungen mit seinem Duz-Freund Reppegather („Lieber Uwe“) damals als fair. Man habe 100 Millionen gefordert, schließlich habe man sich auf 70 geeinigt. Diese Einigung kann man auch in Zusammenhang mit der Tour de France sehen: Reppegather trat als Sponsor für den Start der Tour auf, den Geisel unbedingt wollte. Reppegather hat finanzielle Hilfe eingebracht, indem er Bauzäune als Werbeflächen vermarkten durfte und ein Teil der Einnahmen daraus an die Stadt zurück floß.
Reppegather ist außerdem engagiert an den Kö-Adressen 28, 36, 44 und 46. Über diese Projekte wurde jeweils in den Medien berichtet. Darüber hinaus entwickelt er gerade die Bebauung der Tuchtinsel. Einen Hochhaus-Plan für dieses zentrale Areal, der – wie ein Versuchsballon – medial präsentiert wurde, nahm man zurück, als sich sofort massiver Widerstand aufbaute.
Benko
Er ist in Düsseldorf (vermutlich unter anderem) engagiert in den Immobilien Kaufhof Wehrhahn, Karstadt am Wehrhahn, Kaufhof an der Kö und Carschhaus. Aus letzterem macht er ein KaDeWe 2.0, pocht aber darauf, den Vorplatz (benannt nach Heinrich Heine) komplett neu nach den Bedürfnissen des Kaufhauses zu gestalten. Am Ende will er dort eine Art Mulde haben, die in den unteren Eingang des Carschhauses mündet. Das ist städtebaulich strittig, weil solche Konstruktionen mit großen Freitreppen oft zu Treffpunkten nicht erwünschter Party- oder anderer Szenen werden. Derzeit holt die Stadt durch eine Bürgerbefragung Meinungen ein, bis Ende des Jahres soll es einen politischen Beschluss geben.
Der Österreicher Benko ist in Düsseldorf seit vielen Jahren im Geschäft. Seitdem sein Immobilienunternehmen Signa 2005 vom hiesigen Finanzdienstleister Ideenkapital (einer Ergo-Tochter) führende Mitarbeiter übernommen hat, gehörte Düsseldorf zu einer wichtigen Adresse im Imperium Benkos. Damit übernahm er einen engen Kontakt zur Rheinischen Post Mediengruppe, denn mit den Ex-Ideenkapitalmitarbeitern gingen u.a. die Veranstaltungen Düsseldorf-In und Ständehaus-Treff zum Benko-Imperium. Das ist eine Veranstaltung im Ständehaus, zu der jeweils Prominente aus Politik und Wirtschaft interviewt werden, derzeit von RP-Chefredakteur Moritz Döbler. Gäste sind rund 500 Personen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Diese Kooperation hat Benko aber aktuell beendet.
Wie Benko mit den anderen Immobilien künftig umgeht, ist offen. Den Kaufhof an der Kö hat er kürzlich als sehr erfolgreich gepriesen. Das Gebäude wird er nur schwer verändern können, denn es steht unter Denkmalschutz. Aber das gilt nicht für das unmittelbar daneben liegende Parkhaus – eine riesige, optisch aus der Zeit gefallene Immobilie. Derzeit vermutlich rentabel, weil Parkhäuser in solchen Lagen immer profitabel sind – aber ob das angesichts eines neuen Mobilitätsverhaltens und neuer Innenstadt-Konzepte mit weniger Autos auch künftig so sein wird, bleibt abzuwarten.
Seite dem Erscheinen dieses Textes haben sich einige Einzelheiten – Kostenkalkulation, Standortentscheidung – verändert. Wir haben den Beitrag an den betreffenden Stellen daher aktualisiert. Ältere Versionen zeigen noch die damals aktuellen Fakten.