Eine Adresse an der Kö ist für Banken nicht mehr wichtig

Düsseldorf mochte diesen Spruch, weil er die Lage so schön griffig beschrieb: „Auf der einen Seite der Kö wird das Geld ausgegeben, auf der anderen wird es verdient.“
Gemeint war, dass auf dem östlich gelegenen Teil – zwischen Corneliusplatz und Graf-Adolf-Straße – der pure Luxus im Angebot war, und immer noch ist: Prada, Dior, früher Eickhoff, Franzen (nur noch einige Monate), Louis Vuitton, Gucci. Auf der anderen, der westlichen Seite, saßen die großen deutschen Banken in ihren eindrucksvollen Niederlassungen. Paläste hatten sie sich dort errichtet, wie Kathedralen, in denen dem Gott Mammon gehuldigt wurde. Wer in die gigantischen Hallen ging, dem wurde klar, wer dort das Sagen hatte: die D-Mark, am liebsten in Form von 1000-DM-Scheinen. Der Euro kam erst später.
Die drei Top-Häuser waren Nachbarn: Dresdner Bank (Kö 37), Deutsche Bank (Kö 45), die Commerzbank residierte um die Ecke. Nebenan und dicht am Breidenbacher Hof saß über viele Jahre Trinkaus & Burkhardt (Kö 21), ein aufs Renommee bedachtes Institut für betuchte Menschen. Die Bank hatte kein Problem damit, Kunden sehr eindringlich um Kündigung des Kontos zu bitten, wenn die Umsätze nicht bestimmte Grenzen erreichten. Davon ist außer dem Namen der benachbarten Straße und einer inzwischen ebenfalls verschwundenen Ladengalerie nichts geblieben.
Was bis vor wenigen Monaten noch als Commerzbank-Haus bezeichnet wurde, verschwindet derzeit in großen Haufen Schutt und unter gigantischen Staubwolken. Im Gebäude, in dem bis zur Fusion mit der Commerzbank einst die Dresdner Bank ihren Sitz hatte, war vor wenigen Tagen ein besonders kurioses Relikt einstiger Größe zu sehen: ein wuchtiger Brocken aus Beton, seinerzeit die Attraktion der Schalterhalle und einem Felsen nachempfunden. Drinnen hatte das Institut seine Tresore untergebracht. Sicherheit und Solidität im wahrsten Sinne des Wortes. Die beeindruckende Wucht dieses vermeintlichen Steins allein ließ jeden Besucher vor Ehrfurcht verstummen. Das mediale Echo bei der Präsentation damals, in den 1980er Jahren, war gewaltig. Düsseldorf war stolz auf diese buchstäblich in Stein gemeißelten Sinnbilder deutscher Wirtschaftskraft.
Aber mit den Jahren wurde es ruhiger um die Top-Adressen. Die Deutsche Bank, obwohl noch vorhanden, hat sich vor allem personell erheblich verkleinert, die anderen sind an den Stadtrand gezogen. Aus vielfältigen Gründen: Nicht erst seit der Finanzkrise der 2000er Jahre waren solche einst imageträchtigen Paläste nicht mehr zeitgemäß. Aufgrund der digitalen Revolution haben sich auch die Abläufe geändert. Der Kunde, auch der mit Konto an der Kö, kann vieles von daheim erledigen. Neue Kommunikations- und Datenverarbeitungstechniken verlangten neue Räume mit neuen Zuschnitten – und dafür waren diese Gebäude schlicht nicht geeignet. Allein die Eingangsbereiche, mit edlem Holz, feinen Böden und blankem Metallzierrat den Foyers von Luxus-Hotels sehr ähnlich und viele Meter hoch, widersprachen in ihrer Raumverschwendung jeder ökonomischen Vernunft. Zudem ließ digitale Technik den Personalbedarf schrumpfen. Fazit: Man hatte mehr Platz, als man brauchte, und den auch noch an der falschen Stelle.
Die Kö als Adresse spielt bei den neuen Kunden-Generationen ohnehin keine Rolle mehr. Wer daheim am PC Überweisungen erledigt oder Aktien kauft, dem ist es wurscht, ob seine Bank mitten in der Stadt oder auf der grünen Wiese ihre Adresse hat. Hinfahren wird er oder sie in den seltensten Fällen. Und so entstanden draußen Rechen- und Verwaltungszentren, wenig glamourös, aber effizient. Die HSBC-Bank, in der die einst vornehme Trinkaus-Bank aufging, zog immerhin noch nach Oberkassel und hat heute ein sehr funktionales Gebäude an der Hansaallee – dort, wo früher die Rheinbahn in einem abgrundtief hässlichen Waschbetonbau ihre Verwaltung betrieb.
Auf der Kö besann man sich auf die wahren Werte der Immobilien in 1-A-Lage und begann, sie zu vermarkten. Die Folgen werden für die Shopping-Meile tiefgreifender sein als alles, was bisher geplant und – vielleicht – realisiert wird. Denn der über die Jahrzehnte eher dröge Teil der Allee gleicht sich der gegenüberliegenden Seite an und wird zur Top-Adresse für Geschäfte. Das hat an der Ecke Breidenbacher Hof bereits begonnen und setzt sich Schritt für Schritt Richtung Süden fort, wenn aus dem Abriss Kö, Ecke Benrather Straße demnächst eine neue und nach Aussagen des Investors sehr transparente Einkaufsadresse wird.
Das oben genannte Sprichwort muss also umgeschrieben werden: Künftig wird auf beiden Seiten der Kö das Geld ausgegeben. Und verdient wird es woanders.
Dass es knapp wird, ist nicht zu erwarten.