Rückschlag für den neuen Rheinbahn-Kurs

Die Beschäftigten haben den Vorstand des Betriebsrats gewählt. Das Ergebnis ist ein Spiegelbild des alten Systems im Unternehmen, das eigentlich gerade einen großen Umbruch angeht. Leichter wird die Transformation nach meiner Einschätzung dadurch nicht.
Veröffentlicht am 17. Januar 2025
Rheinbahn Zentrale in Düsseldorf Lierenfeld
Die Zentrale der Rheinbahn in Lierenfeld: Dort soll sich eine neue Unternehmenskultur entwickeln, dort sind aber auch andere Kräfte spürbar.

Es sieht aus, als hätte sich nichts geändert, als wäre alles wie 2022 oder 2018. Wie damals wurde jetzt ein Vertreter der „Liste Pink“ zum Chef des Betriebsrats gewählt. Sein Stellvertreter ist ein Mitglied der Gewerkschaft Verdi. Daniele Bellusci und Jörg Junkermann sind die neuen höchsten Repräsentanten der Arbeitnehmervertretung. Und sie stehen durch ihre Zugehörigkeit für jene alte Zeiten bei der Rheinbahn, die der Unternehmensvorstand und Oberbürgermeister Stephan Keller seit dem Sommer aktiv überwinden wollen. Wichtige Fragen und Antworten dazu im Überblick:

Warum ist die Wahl der neuen Betriebsratsvorsitzenden ein Rückschlag?
Das fängt bei der Liste an, für die Daniele Bellusci angetreten ist. Sie ist nach Michael Pink benannt. Der war zwischen 2006 und 2010 sowie von 2017 bis 2024 Chef der Arbeitnehmervertretung. Zum früheren Vorstandsvorsitzenden Klaus Klar bildete er keine Opposition, vielmehr verstanden sich die beiden prächtig. Klaus Klar zeigte sich dafür unter anderem dadurch erkenntlich, dass er Michael Pink beim Gehalt höher einstufte. Das war laut einer Arbeitsgerichtsentscheidung in Teilen nicht zulässig.

Damit stand der Betriebsratschef für ein System, in dem man kungelte und Macht sicherte, indem man anderen Vorteile gewährte. Dieses Prinzip hat die Rheinbahn lange und quer durch die Betriebshöfe geprägt. Welche auch symbolische Bedeutung Michael Pink dadurch erhielt, zeigte sich kurz vor Weihnachten. Da einigte man sich mit ihm und einem weiteren Betriebsrat auf einen arbeitsrechtlichen Vergleich.

Dieser war an sich schon teuer für Stadt und Unternehmen. Darüber hinaus drückten sie diverse Augen zu und stellten Michael Pink mit Verweis auf eine enorme Zahl von Überstunden umgehend frei. Es war den Beteiligten offensichtlich viel Geld wert, den Abschied zu vollziehen.

Warum ist die Betriebsrats-Liste weiter nach einem Mann benannt, der nicht mehr bei der Rheinbahn arbeitet?

Die jüngste Wahl des gesamten Betriebsrats fand im September 2022 statt. Damals holte die Liste Michael Pink die meisten Stimmen (729). Zusammen mit dem Namensgeber zogen weitere Vertreter der Gruppierung in das Gremium ein. Da der Betriebsrat auf vier Jahre gewählt ist, sind die Gewählten dort nun weiter unter diesem Namen aktiv. Und ein Vertreter dieser Liste ist eben zum neuen Chef bestimmt worden.

Ob die Liste zur Betriebsrats-Wahl im nächsten Jahr noch einmal mit dem Namen antritt, ist fraglich, aber offen.

Welche Bedeutung hat der Betriebsrat bei der Rheinbahn?
Ältere Kollegen von mir nannten die Rheinbahn früher das „Reich der roten Sonne“. Die Macht der Arbeitnehmervertreter war sehr hoch und wurde vor allem von der Gewerkschaft Verdi ausgeübt. Bis 2006. Damals schaffte der als unabhängig geltende Michael Pink mit seiner Liste bei der Betriebsratswahl einen Überraschungssieg. Dank der Stimmen kleinerer Gruppen wurde er unerwartet Vorsitzender des Gremiums.

Damit gingen die Konflikte aber erst richtig los. Es entstand noch eine Liste („Einheit der Rheinbahn“), die Stimmen verteilten sich so, dass Mehrheiten nur noch schwierig zu finden waren – und brüchig, weil die Beteiligten ja eigentlich bevorzugt zerstritten waren. Einen besonderen Tiefpunkt erlebte das Ganze 2022, als die erste Betriebsratswahl angefochten wurde, weil es bei der Briefwahl angeblich zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Anschließend zankten die Gruppen vor Gericht weiter, am Ende wurde die Wahl wiederholt und brachte die Liste Pink wie beschrieben wieder als stärkste Kraft hervor.

Dieses Gegeneinander im Betriebsrat hat die Rheinbahn über viele Jahre geprägt, sie enorme Kraft und Ressourcen gekostet und Lagerbildung in der Belegschaft gefördert. Das war den Eitelkeiten der Protagonisten geschuldet, verdeutlichte aber auch, dass so viel Macht mit dem Posten verbunden ist, dass man dafür einen hohen Einsatz bringt.

Wie beeinflusst das Wahlergebnis den neuen Kurs der Vorstandsvorsitzenden?
Annette Grabbe, seit September 2023 Vorstandvorsitzende der Rheinbahn, hat die Situation im Unternehmen von einem Beratungsunternehmen analysieren lassen. Einige der Ergebnisse: Im Unternehmen herrschte starkes Silo-Denken. Die einzelnen Bereiche blieben unter sich, redeten nicht mit-, sondern nur übereinander. Es gab kaum Antrieb zu Modernisierung, Digitalisierung und wirtschaftlichem Denken. Der Satz „Das Geld kommt eh von der Stadt“ bremste jede Dynamik.

Kraft und Zeit wurden nicht zum Wohl des Unternehmens eingesetzt, sondern um sich Vorteile und Macht zu sichern. Viele Beschäftigte resignierten angesichts dieser „Rheinbahn-Kultur“ oder wurden sogar eingeschüchtert.

Das alles ändern die neue Chefin und ihre Mitstreiter:innen mit Rückendeckung aus dem Rathaus aktuell. Die zentrale Botschaft dabei lautet, dass das alte System nicht mehr besteht und man entsprechendes Verhalten nicht mehr toleriert. Teure Trennungen von Führungskräften waren deshalb gleichermaßen inhaltlich begründet wie unmissverständliches Zeichen.

Stattdessen sollen echte Qualitäten und Stärken der Beschäftigen zählen. Wer fortschrittlich denkt, einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten möchte und sich für das Unternehmen statt nur den eigenen Vorteil engagiert, hat gute Perspektiven bei der Rheinbahn. Passende Vorbilder wurden eingestellt, man will als guter und modernen Arbeitgeber attraktiv für junge Menschen und Fachkräfte sein. Passend dazu gibt es jede Menge Seminare und Strategien im Haus.

Bis all das wirkt, die Veränderung sichtbar wird und die Mitarbeitenden vertrauen, dass es so bleibt, wird noch einige Zeit vergehen. In diesem Prozess kam die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden nun einfach zu früh. Mindestens in den Namen der Listen und der Prägung, die deren Repräsentanten erlebt haben, ist sie ein Signal, das an die alten Zeiten erinnert. Damit müssen diejenigen, die den Umbruch voranbringen, erst einmal umgehen – mindestens bis zur Betriebsratswahl 2026.


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