Plötzlich Hoffnung bei der Rheinbahn: Wie es nach dem Umbruch weitergeht

Das Unternehmen hat einen neuen Vorsitzenden im Aufsichtsrat und startet ein Verfahren gegen den früheren Chef Klaus Klar. Beides sind Zeichen eines Wandels, den ich als langjähriger Beobachter nicht mehr für möglich gehalten hatte.
Veröffentlicht am 30. Juli 2024
Rheinbahn U72
Bei der Rheinbahn haben Veränderungen begonnen, die Verkehrswende und Umweltschutz voranbringen können.

Da ist der Mann, der sagt, er habe acht Wochen Urlaub im Jahr – sechs regulär und zwei „auf gelben Schein“. Da ist die Geschichte von der Werkstatt auf einem Betriebshof, in der man sich kaum um Busse kümmern kann, weil so viele Privatautos dort stehen. Und da ist der Mitarbeiter, der mit einer Ladefläche voller Steine losfährt und deutlich außerhalb des Werksgeländes die Auffahrt eines leitenden Angestellten pflastert.

Das alles sind Geschichten von der Rheinbahn, die ich in den vergangenen Jahren mitbekommen und gehört habe. Nach meinem Eindruck keine Einzelfälle, sondern gängige Praxis, von der man entspannt in der Kneipe erzählte. Meine leicht naive Frage, ob man keine Angst habe, dafür abgemahnt oder gekündigt zu werden, wurde mit zwei Sätzen beantwortet: „Ich bin seit 30 Jahren bei der Rheinbahn. Es ist viel zu teuer, mich rauszuschmeißen.“

Diese „Kultur“, die ich im Kleinen immer wieder erlebte, zog sich offenbar durch das ganze Unternehmen. Man sorgte dafür, dass man selbst gut verdiente, und man kümmerte sich mit Gefallen, die einen selbst nichts kosteten, darum, die Sympathien anderer zu sichern. Und für den Fall, dass einer oder eine das doch kritisch sah, waren die Beteiligten auch gewappnet: mit Verfehlungen dieser Kritiker, die man für diesen Fall dokumentiert und gesammelt hatte, im Zweifel mit falschen Behauptungen oder Drohungen.

In einem Unternehmen, in dem Betriebsratsvorsitzende ernsthaft davon ausgingen, Vorstand und Arbeitsdirektor werden zu können, ist einiges im Argen. Als Berichterstatter hatte ich reichlich Eindrücke, warum es bei der Rheinbahn und der Verkehrswende nicht wirklich vorwärts geht und warum sich daran voraussichtlich nie etwas entscheidend ändern würde. Doch nun geschieht genau das.

Zwei Beschlüsse, die der Aufsichtsrat am 29. Juli getroffen hat, unterstreichen das: CDU-Fraktionschef Rolf Tups wurde einstimmig zum neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt und löste Andreas Hartnigk ab. Und die Rheinbahn prüft nun Schadenersatzansprüche gegen den vor einem Jahr ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden Klaus Klar. Zu den beiden Punkten im Detail:

Neuer Aufsichtsratsvorsitzender
Es ist weniger wichtig, wer der neue Aufsichtsratsvorsitzende ist, als vielmehr, wer es nicht mehr ist. Andreas Hartnigk war eng verbunden mit dem früheren Unternehmenschef Klaus Klar und mit dem Betriebsratsvorsitzenden Michael Pink. Er hat Klaus Klar auf dem Weg an die Spitze des Unternehmens kräftig unterstützt. Dank des guten Drahts zu Michael Pink mussten beide wenig Ärger von der Arbeitnehmervertretung befürchten.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Andreas Hartnigk von den Verfehlungen wusste, die man dem früheren Vorstandsvorsitzenden nun vorwirft. Aber die offenkundige Nähe reichte, um ihn jetzt als letzten Repräsentanten eines alten Machtsystems abzulösen. Offizieller Grund für den Wechsel ist ein „Großmandat“, das der Anwalt Andreas Hartnigk übernommen hat und ihm nicht mehr ausreichend Zeit für den Aufsichtsratsvorsitz lässt. Im Rathaus ist es aber ein offenes Geheimnis, dass Oberbürgermeister Stephan Keller Druck gemacht hat. Die alten Seilschaften an den Spitzen der Rheinbahn sollen sichtbar für alle und vollständig aufgelöst werden.

Verfahren gegen Ex-Chef
Mögliche Schadenersatzansprüche gegen einen früheren Vorstandsvorsitzenden sind schon etwas Besonderes. Die Liste mit den möglichen Gründen ist bei Klaus Klar aber auch noch erstaunlich lang. Im Grundsatz geht es bei den Vorwürfen darum, dass er Geld der Rheinbahn eingesetzt haben soll, um Mitarbeitenden (und externen Beratern) einen Gefallen zu tun, ohne dass die Zahlungen berechtigt waren oder es eine entsprechende Gegenleistung gab.

Das Signal der Stadt, der die Rheinbahn zu 100 Prozent gehört und die deshalb einen Großteil des Aufsichtsrats stellt, ist eindeutig: Begünstigungen und das Wirtschaften in die eigene Tasche werden nicht länger geduldet.

Was sich bei der Rheinbahn verändert hat
Ich komme nochmal zu zwei Sätzen vom Anfang zurück: „Ich bin seit 30 Jahren bei der Rheinbahn. Es ist viel zu teuer, mich rauszuschmeißen.“ Das stimmte bis jetzt, gilt aber nicht länger. Das haben die Vorstandsvorsitzende Annette Grabbe und Oberbürgermeister Stephan Keller offensichtlich gemeinsam auf den Weg gebracht. Es braucht beides: den Willen an der Unternehmensspitze, etwas zu ändern, und den Rückhalt im Rathaus, um das zu ermöglichen.

Das bedeutet mit Blick auf den Rathaus-Chef konkret: Bereit zu sein, Geld für Abfindungen und Ähnliches zu bezahlen. Nur so kann man an den vielen Schlüsselstellen in der Rheinbahn etwas ändern. Der Oberbürgermeister muss damit einverstanden sein, dass es teuer ist, Menschen zu kündigen, die verantwortlicher Teil der beschriebenen Kultur sind und die man schnell entlassen sollte, damit man ohne sie neu anfangen kann. Dabei hilft es sicher, dass Stephan Keller für das Stichwort Compliance noch empfänglicher ist als die meisten Oberbürgermeister:innen.

So wie an der Spitze verändert sich auch auf den anderen Hierarchie-Ebenen spürbar etwas. Es sind neue Führungskräfte zur Rheinbahn gekommen, die nicht mit dem alten System verbunden sind und die ein modernes Mobilitätsunternehmen aufbauen möchten. Das wirkt und zieht im Idealfall weitere kompetente Menschen an.

Hinzu kommt eine andere Kultur. In diesem Zusammenhang tauchen schnell Begriffe auf, mit denen man beim Bullshit-Bingo eine Menge Kreuzchen machen kann. Deshalb vermeide ich hier Ausdrücke wie Transparenz und „alle mitnehmen“. Stattdessen ein positives Beispiel aus der Praxis: Große Unternehmen sind verpflichtet, Stellen einzurichten, bei denen man anonym Missstände melden kann („Whistleblowing“). Eine solche Stelle gab es bei der Rheinbahn auch. Sie war aber so gut versteckt, dass man schon exzellente Kennerin oder Kenner des Intranets sein musste, um sie zu finden. Angesichts der beschriebenen „Kultur“ gab es wenig Interesse, dass jemand Missstände meldete.

Mittlerweile ist das anders. Man kann nun leichter anonym Hinweise geben und die Unternehmensführung signalisiert deutlich, dass sie das schätzt. Es hilft dem Unternehmen, falsche Entwicklungen abzustellen und besser zu werden.

Was der Wandel möglich macht
Betrachtet man die Rheinbahn als Patienten, kann man Folgendes sicher sagen: Bis zur Heilung ist es noch ein langer Weg, aber zumindest sind die Symptome der Krankheit nun umfassend bekannt. Das Unternehmen ist in den vergangenen Monaten in seiner Struktur und mit Hilfe einer großen Umfrage unter den Mitarbeitenden untersucht worden. Die Ergebnisse:

  • Es herrscht starkes Silo-Denken. Die einzelnen Bereiche bleiben unter sich, sprechen nicht mit anderen, sondern nur über sie.
  • Akademiker:innen haben ein geringes Ansehen. „Nur, wer in der Ölwanne geschwommen ist, ist etwas wert“ ist die dazu passende Redensart. Konzeptionelles Arbeiten und Priorisieren von Aufgaben und Zielen sind unterdurchschnittlich vorhanden.
  • Die bisherige Digitalisierung war mehr Schein als Sein. Im Haus ist das Digitalisierungs-Niveau erschreckend gering, in der Praxis und in der Kundenkommunikation herrschen deshalb entsprechende Defizite.
  • Wirtschaftliches Denken hat kaum Bedeutung. „Das Geld kommt ja eh von der Stadt“ lautete bisher die Parole, weil der Eigentümer das Defizit jedes Jahr ausgleicht.
  • Kundinnen und Kunden spielen in vielen Prozessen und Diskussionen eine geringe Rolle. Rheinbahn beschäftigt sich vor allem mit Rheinbahn. Deshalb sind Innovationsbereitschaft und -fähigkeit im Hause niedrig.

So bitter diese Diagnose ist, der sichtbare Umbruch kann auch diese Punkte verändern. Viele Beschäftigte hatten angesichts der „Rheinbahn-Kultur“ resigniert oder sogar Angst. Sie sehen nun, dass das unternehmensschädliche Verhalten nicht länger hingenommen wird und Fortschritte belohnt werden. Das sorgt für neue Motivation und zieht neue Leute an.

Mobilität ist ein Arbeitsfeld, das für junge Menschen attraktiv ist, die stärker einen Sinn in ihrer Tätigkeit haben möchten. Die Rheinbahn war dafür bisher kein Beispiel. Sie kann es nun aber werden und neue Mitarbeitende finden, die mit ihrem digitalen Wissen Verkehrswende und Klimaschutz voranbringen möchten, die gerne in bereichs-übergreifenden Teams arbeiten und gerne neue Dinge erfinden und ausprobieren.  

Fazit
Bei aller Euphorie über den erkennbaren Umbruch bei der Rheinbahn muss man auch feststellen, dass Seilschaften und Beharrungsvermögen immer noch ausgeprägt sind. Und dass unabhängig davon die Angst vor Veränderung groß ist. Deshalb wird es noch einige Zeit erfordern, bis die Rheinbahn sich intern entscheidend und dauerhaft gewandelt hat.

Ein letztes Beispiel: Die Rheinbahn hat den großen Zuschauer-Andrang rund um die Spiele bei der Fußball-Europameisterschaft sehr gut bewältigt. Statt Klagen der Nutzer:innen gab es mindestens Erstaunen und oft Lob, wie gut alles funktioniert hat. Die Arbeitnehmer-Vertreter:innen haben dafür ordentliche Zusatzzahlungen ausgehandelt, die Stadt hat zugleich gezeigt, dass sie bereit ist zu investieren. Unter dem Strich war die EM daher eine beflügelnde Erfahrung, was die Rheinbahn schaffen kann.

Der Aufbruch ist spürbar – und der Weg zurück wird jeden Tag noch ein bisschen besser verbaut. 

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