Bus und Bahn gratis – so geht’s

Die Verkehrswende ist mit einfacher Psychologie verbunden. Will man einen Menschen dazu bringen, sich bei der Frage „Auto oder ÖPNV?“ für Letzteres zu entscheiden, braucht man einen unmissverständlichen Anreiz. Wenn man Autofahrer*innen heute vorrechnet, was sie ihr Fahrzeug kostet und was im Vergleich dazu eine Monatskarte, sind die Ausgaben fürs Autofahren zu abstrakt. Das ändert sich nachhaltig, wenn Bus und Bahn nichts kosten, weil dann das eigene Verkehrsmittel auch abstrakt unterliegt.
Der kosten- oder fahrscheinlose ÖPNV gewinnt deshalb in der Klimaschutz-Debatte Anhänger, die auch zu praktischen Maßnahmen bereit sind. Augsburg, Erlangen und Monheim probieren gerade verschiedene Modelle aus. In Augsburg gibt es seit Anfang 2020 eine City-Zone (neun Stationen rund um den Königsplatz), in der Nahverkehrsnutzer*innen kein Ticket brauchen. Erst wenn sie über die Grenzen der City-Zone hinausfahren, müssen sie vorher die passende Fahrkarte kaufen.
In Monheim können die Bürger*innen seit April 2020 mit ihrem Monheim-Pass kostenlos den Bus nutzen. Den Pass haben alle Menschen mit Erstwohnsitz in Monheim per Post erhalten, seitdem stellen die Bürgerbüros die Pässe aus. Darüber hinaus bekommen alle Kinder und Jugendlichen einen Monheim-Pass, die eine Monheimer Schule besuchen – unabhängig von ihrem Wohnsitz. Die Stadt Erlangen richtet ab 2022 eine kostenlose Linie in der nördlichen Innenstadt ein, die 2023 um die südliche Innenstadt wachsen soll.
Wir haben in allen drei Städten nachgehört, wie es läuft und was Düsseldorf aus den Projekten lernen kann:
Warum haben sich die Städte für kostenlosen ÖPNV entschieden?
Augsburg möchte mit der City-Zone den Parksuchverkehr in der Innenstadt reduzieren und dadurch den CO2-Ausstoß im Zentrum verringern. Belastbare Zahlen, die diese Hoffnung bestätigen oder widerlegen, hat Augsburg noch nicht. Aufgrund der Pandemie waren die Fahrgastzahlen stark rückläufig, so dass die Stadtwerke Augsburg die City-Zone noch nicht aussagekräftig bewerten können.
Erlangen nennt drei Gründe für die Entscheidung: Die Innenstadt soll dadurch attraktiver und der Handel belebt werden. Außerdem ist das Angebot ein deutliches Zeichen für den Klimaschutz. Monheim berichtet über die genannten Argumente hinaus, das Feedback der Bürger*innen falle positiv aus, auch weil dies eine finanzielle Erleichterung bedeute. Dies sei insbesondere für die Menschen wichtig, deren Einkommen sich in der und wegen der Pandemie verschlechtert hat.
Bedeutung für Düsseldorf: Klimaschutz und Verkehrswende sind Schlüsselbegriffe im Kooperationsvertrag von CDU und Grünen. Auch für die meisten anderen Parteien haben diese beiden Ziele eine hohe Bedeutung. Kostenloser ÖPNV kann dazu, das begründen die beschriebenen Städte nachvollziehbar, einen guten Beitrag dazu leisten. Da die Rheinbahn für alternative Antriebsarten so genannte Innovationslinien hat oder einführt, könnte sie dies auch für kosten- oder fahrscheinlosen Verkehr schaffen. Alternativ könnte kostenloser ÖPNV in einem bestimmten Gebiet, etwa zwischen Hauptbahnhof und Heinrich-Heine-Allee, entstehen.
Was investieren die Städte dafür?
Monheim schätzte zu Projektbeginn die Kosten pro Jahr auf rund drei Millionen Euro. Das Verhalten der Nutzer*innen werde so erfasst, dass die Stadt die Investitionen anpassen könne. Augsburg kann wegen Corona noch keine belastbaren Zahlen zu den Kosten nennen. Vor dem Start des Projekts am 1. Januar 2020 rechneten die für den Nahverkehr zuständigen Stadtwerke mit einem Einnahmeausfall von rund 500.000 Euro. In Erlangen hängen die Kosten von der Nutzung ab, da die Stadt pro Fahrgast zahlt. Je mehr Leute dort das Angebot wahrnehmen, desto mehr muss die Stadt ausgeben.
Bedeutung für Düsseldorf: Die Angaben aus den anderen Städten zeigen, wie gut sich die Investitionen skalieren lassen. Die NRW-Landeshauptstadt kann also mit Rücksicht auf ihre geschwächte Haushaltslage schrittweise investieren. Der Stadtrat hat im Februar ein Paket über 60 Millionen Euro zusätzlich für den Klimaschutz verabschiedet. Aus diesem Paket könnte das Geld für ein Projekt zu kostenlosem ÖPNV kommen.
Wie rechnen die Städte die Kosten mit ihrem jeweiligen Verkehrsverbund ab?
Die Stadt Monheim ersetzt die Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen. Darüber hinaus bietet sie allen Bürger*innen die Möglichkeit, über die Tarifzonengrenze hinaus ein Monats-Abo abzuschließen, das die Stadt mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 40 Euro bezuschusst. Der Verkehrsverbund für den Großraum Nürnberg, zu dem Erlangen zählt, ermittelt die Ausfälle, die Stadt gleicht dies aus – wie erwähnt pro Fahrgast. Auch in Augsburg trägt die Stadt die Einnahmeausfälle.
Bedeutung für Düsseldorf: Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) sind Düsseldorf und die umliegenden Kommunen sowie große Teile des Ruhrgebiets und des Bergischen Landes zusammengeschlossen. Besondere Ticket-Preise oder -Formen scheitern oft an dem komplizierten Tarifsystem, das im VRR entstanden ist. Auch beim kostenlosen ÖPNV muss man dies berücksichtigen. Die Einnahmeausfälle kann Düsseldorf übernehmen, aber spätestens, wenn eine Fahrt über die Stadtgrenze hinausgeht, muss es dafür eine Regelung geben – und passende Tickets.
Was sparen die Städte ein, weil sie keine Fahrkarten-Automaten, Kontrolleure oder Tickets benötigen?
Erlangen spart nichts oder nur minimal, weil es Automaten, Fahrkarten und Kontrollen für die übrigen Strecken weiter benötigt. Augsburg nennt hierzu ebensowenig Beträge wie bei den Kosten. Ähnlich wie in Erklangen dürften die Einsparmöglichkeiten gering sein, weil außerhalb der City-Zone Tickets und Automaten erforderlich sowie Kontrolleure unterwegs sind. Monheim unterhält keine Automaten. Die Kontrollen (der auswärtigen Busnutzer*innen) waren coronabedingt stark eingeschränkt. Deshalb sind weder dazu noch zu der eingesparten Menge der Verbrauchsmaterialien Aussagen möglich.
Bedeutung für Düsseldorf: Befürworter des kostenlosen ÖPNV führen gerne Einsparmöglichkeiten als Argument an. Nennenswerte Wirklichkeit werden diese aber erst, wenn Bus und Bahn flächendeckend gratis sind.
Weiterführende Links
Augsburg stellt sein Projekt hier vor.
Das Monheimer Modell wird hier erklärt.
In Luxemburg ist der ÖPNV im gesamten Land gratis. Details dazu stehen hier.