Wie ein Düsseldorfer DJ das Leben von Jimi Hendrix veränderte

Baron Reiner von der Osten-Sacken war Düsseldorfs Star-DJ der Hippie-Zeit und eröffnete auf Mallorca Spaniens erste Wasserskischule. Sein berühmtester Schüler war im Sommer 1968 der damals bekannteste Gitarrist der Welt.
Veröffentlicht am 29. Juli 2025
Baron, Reiner von der Osten SackenFoto: Andreas Endermann
Reiner von der Osten-Sacken und Jimi Hendrix 1969 im Parkhotel Düsseldorf. Foto: privat/Repro: Andreas Endermann

Das warme Licht der Aufnahme taucht die beiden Protagonisten in nostalgische Patina: Der 27-jährige Reiner von der Osten-Sacken trägt ein komplett schwarzes Outfit, gekrönt durch einen Chapeau-Claque-Zylinder. Passend dazu: sein avantgardistischer Schnurrbart mit den präzise nach oben gezwirbelten Barthaaren – das Markenzeichen des „Barons“. So wird er in Düsseldorfs Szene aufgrund der Abstammung aus einem baltischen Adelsgeschlecht genannt. Viele denken, das sei nur ein Spitzname. Doch der Titel ist echt.

Ein kaum merkliches Lächeln spielt um seine Mundwinkel. Neben dem „Baron“ sitzt der berühmteste Gitarrist des 20. Jahrhunderts: Jimi Hendrix. Der ein Jahr jüngere Amerikaner trägt einen braunen Mantel mit Fransen, darüber eine bunte Kette in Violett und Gold. Das Foto ist an einem Montagmittag entstanden. In Düsseldorf. Am 13. Januar 1969. Und es symbolisiert ein wenig bekanntes Kapitel der hiesigen Popkulturhistorie.

„Der Zylinder passte damals perfekt zu meinem immer schwarzen Outfit“, erzählt von der Osten-Sacken. Und fügt auf Englisch ironisch hinzu: „I wear Black until they invent a darker color.” Wir sitzen am Tisch seiner Wohnküche an der Friedrich-Ebert-Straße, um die Ecke der Japan-Meile. Zum Interviewtermin trägt der 83-Jährige ein schwarzes Hemd mit doppelreihiger Knopfleiste und bestickten Rosenmotiven. Die weiß-grauen Haare gucken in langen Strähnen unter dem schwarzen Filzhut mit breiter Krempe hervor. Einen Schnurr- und Backenbart gönnt er sich immer noch, wenn auch altersgerecht angepasst und weniger gezwirbelt „Fast alle meiner Ahnen aus dem Baltikum trugen so einen Bart“, sagt er und deutet auf das gerade beschriebene Foto. Es hängt eingerahmt an der Wand, über dem Durchgang zum Wohnzimmer.

Baron, Reiner von der Osten SackenFoto: Andreas Endermann
2025: Reiner von der Osten-Sacken in seiner Wohnung in Düsseldorf. Foto: Andreas Endermann

Überhaupt ist die Wohnung die Galerie eines Lebens: In der Hippie-Zeit war der „Baron“ nicht nur der bekannteste Disc-Jockey der Stadt, mit Stationen unter anderem im Moras, im Malesh, im Haus Bettermann sowie in der Sheila. Als Pop-Art-Künstler und Grafiker hat er auch zahlreiche Flyer, Poster, Speisekarten sowie Leuchtreklamen für Bars, Clubs und Boutiquen gestaltet – in Düsseldorf ebenso wie in seinen zwischenzeitlichen Wahlheimaten Mallorca, Marbella und Ibiza. Die entsprechenden Poster, Grafiken und Fotos zieren den Flur und die Räume.

Doch wer hat den Baron-trifft-Hendrix-Schnappschuss in Düsseldorf gemacht? Wo und zu welchem Anlass? Und wie kam es überhaupt dazu? Die Hendrix-Düsseldorf-Connection – sie beginnt ausgerechnet auf Mallorca, mit Reiner von der Osten-Sacken als Bindeglied. Nun, 57 Jahre später, erzählt der „Baron“ zum ersten Mal die Vorgeschichte: Nachdem es am Humboldt-Gymnasium Ärger gibt, schicken ihn die konservativen Eltern nach Wales auf ein Internat. Dort macht er seinen Abschluss, kehrt mit 17 Jahren nach Düsseldorf zurück. Der Vater rät: „Lern auch noch Spanisch und mach eine Banklehre, dann wirst du immer und überall klarkommen.“

Reiner von der Osten-Sacken absolviert ein Sprachstudium an der Universität von Barcelona und beginnt 1957 eine Ausbildung bei der Dresdner Bank. Danach arbeitet er in der Königsallee-Filiale der Bank of America. Schließlich nimmt er in Johannesburg eine leitende Stelle bei der dortigen First National Bank of New York an. Unterstützt durch seinen Adelstitel stünde ihm in Südafrika eine aussichtsreiche Karriere offen.

Doch im Herzen hat der rebellische „Baron“ mit dem Bankwesen längst abgeschlossen, fühlt sich der aufkeimenden Hippie-Bewegung nahe. Er kündigt, macht Urlaub am Meer. Lernt in Durban britische Wellenreit-Enthusiasten kennen, die in einer die Apartheitsgesetze diskret unterlaufenden Kommune leben. In diesem Milieu entdeckt er seine Liebe zum Surfen.    

1967 kehrt von der Osten-Sacken mit südafrikanischem Zweitpass und neuen Ideen nach Europa zurück. Gemeinsam mit Jose Maria Forteza, einem Kumpel aus britischen College-Zeiten, eröffnet er auf Mallorca die erste Wasserskischule Spaniens. „Mallorca ist kein Hotspot fürs Wellenreiten. Mit Wasserski kam ich meiner Faszination fürs Gleiten am nächsten.“ Reiner von der Osten-Sacken unterrichtet am Strand von Palma Nova, das im Verbund mit dem Nachbarort Magaluf bis heute von britischen und skandinavischen Touristen dominiert wird.

Palma Nova Baron beim Wasserskirfahren
1968: Ohne Schnurrbart, mit Waschbrettbauch. Der 27-jährige Reiner von der Osten-Sacken als Wasserskilehrer auf Mallorca. Foto: privat

Fortan verbringt er die Urlaubsaison von Mai bis Oktober auf der Insel und den Rest des Jahres in Düsseldorf, wo er im Lord Nelson (heute: Lousiana) an der Bolkerstraße erste DJ-Jobs übernimmt. „Fünf bis sechs Monate als Wasserskilehrer am Strand, immer neue Leute kennenlernen, auch viele Promis – das erschien mir deutlich spannender als das konservative Banker-Umfeld.“ Auch der Jet-Set des deutschen Wirtschaftswunders lässt sich in der „Ski-Schule“ des „Barons“ in die Kunst des Gleitens einweisen. Der Kunstsammler und Playboy Gunther Sachs schaut ebenso vorbei wie die Schauspielerin Elke Sommer.

Im Sommer 1968, kurz bevor Reiner von der Osten-Sacken mit seiner „Water-Ski-School“ von Palma Nova nach Can Pastilla umzieht, kommt sein großes musikalisches Idol auf die Insel: Jimi Hendrix. Das Konzert ist für den 15. Juli angekündigt – als Eröffnungssensation des neuen Clubs Sgt. Peppers in Palmas Ausgehviertel El Terreno. Damals ist das Nachtleben rund um die (inzwischen nach langer Stagnation wieder angesagte) Plaça Gomila noch um Einiges glamouröser und international bekannter als das auf der späteren Partyinsel Ibiza – mit dem berühmten Nachtclub Titos als Zugpferd.  

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