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Warum bei Heinemanns Trüffel das r fehlt

Das Kalorienbömbchen des Chocolatiers ist so berühmt wie seine grüne Einkaufstüte. Benannt ist es nach dem berühmten Schaumwein aus der Champagne. Aber nur fast.

Veröffentlicht am 2. November 2022
Champagne-Trüffel Heinemann
So kommt der Schampus in die Trüffel - direkt aus der Flasche. Hier kümmert sich Günter Dahlmann darum. Foto: Andreas Endermann

Sie ist ungefähr so groß wie eine Haselnuss, kugelrund, mittelbraun, leicht mit Puderzucker bestäubt und die Hülle besteht aus Schokolade. Perfekt passt sie mit einem Bissen in den Mund, sie dort unter sanften Druck platzen zu lassen, ist für die Fans so eine Art Himmel auf Erden: die Trüffel von Düsseldorfs berühmtesten Chocolatier, Heinz-Richard Heinemann. Er hat mehrere im Sortiment, aber meines Wissens steht die mit der Füllung des Schaumweins auf Platz eins im Kundenranking. Genannt werden sie Champagner-Trüffel. So sprechen es alle aus, und nur sehr wenige bemerken, dass das nicht korrekt ist. 

Nicht richtig? Wieso? Ist doch Champagner drin, oder? Ja, ist so. (Davon später mehr). Aber der Name ist ein anderer.
Schauen Sie doch mal genau hin, und zwar auf die Packung. Dort liest man eben nicht Champagner-Trüffel, sondern Champagne-Trüffel – ohne r. 

Geben Sie es zu – das haben Sie noch nie bemerkt. Kein Problem, Sie sind in bester Gesellschaft und gehören zu einer Mehrheit. Kaum einer sieht das. Unter anderem, weil das menschliche Auge wahrnimmt, was es sehen will. In diesem Fall sieht es eben ein r, obwohl da gar keins ist. 

Aber was steckt dahinter? 

Tatsächlich ist in dem kalorienträchtigen Leckerbissen echter Champagner. Der kommt da rein, wie er bei uns ins Glas reinkommt: nämlich direkt aus der Flasche (siehe Foto). Wird die Masse angerührt, kommt irgendwann der Punkt, an dem ein Mitarbeiter buchstäblich die Korken knallen lässt und das prickelnde Zeug hineingießt. Nicht etwa aus einem großen Kanister oder so, nein: direkt aus den Flaschen mit den typischen Verschlüssen aus Folie und Draht. Glucksend läuft die Luxus-Brause ins Gemisch. Und damit ja nichts verloren geht, werden die fast leeren Flaschen auf ein schräges Gestell gelegt, bis auch der letzte Tropfen hinausgelaufen ist. 

Und das r? Wo ist es geblieben?

Die Antwort auf die Frage ist eine historische. Vor Jahrzehnten, als diese Art der Trüffel erstmals kreiert wurde, nahm Heinemann für die Füllung Marc de Champagne. Das ist ein Tresterbrand aus den Rückständen der Traubenpressung aus der Region. Was damals sicher auch okay war. Aber es alarmierte die berühmte Marke Moët & Chandon, die diese Art der Fertigung unter dem Namen Champagner-Trüffel so nicht akzeptieren wollte. Dazu muss man wissen, dass nur der Schaumwein, der wirklich aus der Champagne kommt, sich nach ihr benennen darf. Übrigens gilt Ähnliches fürs Kölsch, wie Christian Herrendorf in diesem Text beschrieben hat. 

Weil man dann nicht mehr nur Marc, sondern wirklich das fein prickelnde Endprodukt verwendete, jedoch keinerlei Risiken eingehen und Streitereien vermeiden wollte, ersann man einen Kompromiss – und nannte die Spezialität eben Champagne-Trüffel. Damit provoziert man keine weitere Mahnung der traditionsbewussten Franzosen und nutzt dennoch den Namen. Denn: Fast niemand merkt den Unterschied, sondern nahezu alle sind sehr erstaunt, wenn man sie drauf hinweist. 

Immer folgt dann der Griff zur Packung, weil man nicht glaubt, was man bisher nicht bemerkt hat. Und hat dann den Beweis vor Augen: Dort fehlt das r. 

Und zwar schon seit vielen Jahren. 

Champagne-TrŸffel
Schauen Sie mal genau hin – wie heißen die Trüffel? Foto: Andreas Endermann

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