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Rheinturm-Geschichte(n)

Dass Düsseldorfs Fernsehturm in Gerresheim einen älteren „Bruder“ hat und dass es bereits 1913 Pläne zum Bau eines „Rheinturms“ gab, ist unserem Autor bisher entgangen. Düsseldorfs Wahrzeichen fasziniert ihn seit Kindheitstagen. Deshalb schreibt er ihm hier eine persönliche Hommage.
Veröffentlicht am 13. September 2024
Rheinturm Düsseldorf ca. 1978
Der Bau des Rheinturm begann 1979. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Manchmal verknüpft unser Gedächtnis Ereignisse, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Kurz bevor Düsseldorfs Fernmeldeturm am 1. März 1982 seine Aufzüge und Aussichtsplattformen fürs Publikum öffnet, habe ich – da bin ich mir sicher – die deutsche Komödie „Piratensender Powerplay“ mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger im Kino gesehen. Von fiktiven Funkwellen zum realen Funkturm – irgendwie passt es ja doch. Bis dahin habe ich nämlich rund drei Jahre lang beobachtet, wie das Turm-Skelett mit Hilfe eines Kletterkrans in den Himmel wächst. Sogar die Krönung im Mai des Vorjahres, als dem kelchförmigen Turmkorb die Spitze aufgesetzt wurde, habe ich mitbekommen.

In seiner äußeren Erscheinung ist Düsseldorfs neues Wahrzeichen da bereits so gut wie „fertig“, stolze 234,2 Meter hoch. In den kommenden Monaten folgen der Abbau der Kräne und der Ausbau des Innenlebens. Bereits ab November 1981 kann man am „Lichtzeitpegel“ an 39 übereinander platzierten Leucht-Bullaugen die Zeit ablesen. Laut dem Guinness Buch der Rekorde die größte dezimale Zeitskala der Welt. Für mich als mit Zahlen auf Kriegsfuß stehendem Fast-Zwölf-Jährigen, der kurz darauf seine erste vier Minus in Mathe schreiben wird, keine relevante Attraktion. Auch von den mehr oder weniger originellen Spitznamen für das höchste Gebäude der Stadt, die als Vorschläge in der lokalen Presse kursieren, bekomme ich nichts mit. Ob der neue Turm nun Fiese Möpp, Düsseldorfer Penn, Lang Wellem, Stachelditz, Schauinsland, Quasselstrippe, Lange Lappes oder Langbertus genannt werden soll, wäre mir ohnehin egal gewesen.

Dass Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling im Januar 1982 den Startschuss für die Inbetriebnahme des Richtfunks gibt, geht ebenfalls an mir vorbei. Wenige Wochen vor der Eröffnung am 1. März, nachdem die Düsseldorfer sich bereits mehr als ein halbes Jahr an den neuen Blickfang gewöhnt haben, steht endlich der offizielle Name fest: Rheinturm. Mich interessiert vor allem, ob man von der Turmspitze wirklich bis Köln sehen kann wie versprochen. Und ob ich unsere Wohnstraße in Bilk nahe der Uni-Klinik erkennen werde, oder zumindest die Suitbertus-Kirche ein paar Straßen weiter. Kurzum: Ich will da hoch. So bald wie möglich. Auf jeden Fall, bevor ich in die siebte Klasse komme.

Zum Gück dauert es bis zu meiner Rheinturm-Premiere nur wenige Wochen. Mein Vater wartet, bis der Eröffnungsandrang vorbei ist, und dann ziehen wir los, noch im Frühling. Im Aufzug schwanke ich zwischen Vorfreude und mulmigen Gefühl, doch das verblasst, als wir nach nicht mal einer Minute auf 168 Metern Höhe die untere Aussichtsplattform mit Cafeteria erreichen. Sofort strebe ich zu den Panoramafenstern: Düsseldorf, ein Miniatur-Wunderland.  

Im Grunde genommen hat sich an meinem Rheinturmverhalten seit 1982 nicht viel geändert. Okay, die jugendliche Mutprobe, sich auf die bodentiefen Scheiben zu legen, freihändig „schwebend“, ohne Kontakt zu den seitlichen Rahmen, spare ich mir. Vom Aufzug aus strebe ich stets nach links, Richtung Cafeteria, die seit ein paar Jahren als „M168 Bar & Lounge“ firmiert – allerdings nicht, um etwas zu bestellen (das mache ich später). Als Service für die Besucher sind auf dem Glas mit Klebestreifen die wichtigsten Blick-Attraktionen angegeben, und ich stelle mich dorthin wo „Köln“ steht. Dort kann man links vom Pylon der Fleher Brücke die Nachbarmetropole am Horizont sehen, mit dem ein Jahr vor dem Rheinturm eingeweihten kölschen Pendant „Colonius“ (34 Kilometer Luftlinie) plus Dom (38 Kilometer Luftlinie), wenn man einen Fernblick-Tag erwischt.

Nach dem Köln-Check unternehme ich einen 360-Grad-„Spaziergang“ gegen den Uhrzeigersinn. Meine Augen fliegen über Häuser und Fassaden, tauchen in Straßen ein, bleiben an winzig erscheinenden Flaneuren oder Rheinschiffen hängen. Ich sehe Kaiserteich und Schwanenspiegel, Landtag und Rheinuferpromenade, den Grafenberger Wald und die Ausläufer der Bergischen Lands, sehe Dreischeibenhaus, Flughafen und Arena, folge den Straßenbahnen über die Oberkasseler Brücke und den Autos und Radfahrern über die Rheinkniebrücke, und schließlich versuche ich Neuss oder Krefeld auszumachen, bevor die Runde mit Blick auf die Gehry-Bauten endet. Ich sehe stets das Gleiche und entdecke doch Neues: eine begrünte Dachterrasse, eine vertraute Straße, die ich nun auch von hier oben aus zuordnen kann, ein frisch erbautes Gebäude, ein Transportschiff voller Kleintransporter, eine Silhouette am Horizont, die mir Rätsel aufgibt. 

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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