Gastro-Tipp: Das “Oy“ in Unterbilk – Fine-Dining mit Papierserviette

Wo früher das Williams war, hat eine neue Weinbar eröffnet. Sie setzt auf lockere Atmosphäre und eine Küche, die hochwertig, aber nicht abgehoben ist. Wer einmal sitzt, bleibt gerne länger.
Von Gesa Born (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 13. September 2025
Restaurant Oy an der Friedrichstraße 115a in Düsseldorf Unterbilk
Der Innenraum des Restaurants Oy ist zurückhaltend gestaltet: Abendlicht und Kerzen sorgen für die Beleuchtung.

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Ein „O“ und ein „Y“ leuchten über der Tür. Ein Kreis und zwei schräge Linien. Das neue Restaurant Oy in Unterbilk braucht keine großen Worte. Es setzt auf gutes Essen.

Der Name ist ein Seufzer, ein Ausruf, ein Laut mit vielen Bedeutungen. „Oy“ stammt aus dem Jiddischen und kann Erschöpfung ausdrücken – aber auch Rührung, Erleichterung, Freude. Auch die Stimmung der Gäste ist gelöst. Sie sitzen an Holztischen auf Klappstühlen auf dem Bordstein. Abgeschirmt von der Hauptstraße durch Sträucher und Kräuterkübel. Ein Paar rückt näher zusammen. Zwei Frauen, vielleicht Anfang 30, stoßen mit ihren Weingläsern an und lehnen sich zurück.

An der Ecke Friedrichstraße/Bilker Allee prägen Bauzäune das Bild. Trotzdem entfaltet das Viertel hier seinen Charme, mit Altbauten, Cafés und Lädchen. Fast zehn Jahre lang war an der Kreuzung die Williams-Bar zuhause. Das Oy hat am 10. Mai übernommen. Statt auf Cocktails liegt der Fokus nun auf Wein. Dazu: gehobene Küche. Hinter dem Oy stehen Joscha Rozsa und Robin Yeoman, die schon lange in der Düsseldorfer Gastronomie arbeiten. Es ist ihr erstes eigenes Restaurant.

Dass eine Weinbar diesen Ort neu belebt, setzt einen Trend fort. Mein Kollege Hans Onkelbach hat hier darüber berichtet. Einem jüngeren Publikum geht es dabei weniger ums Fachsimpeln über Rebsorten und geschmackliche Nuancen. Das Glas Wein ist vielmehr Anlass für einen entspannten Abend mit Freund:innen. Und so blättern auch meine Begleitung und ich durch die lange Weinkarte: Pinot Noir, Spätburgunder, Chardonnay, Chenin Blanc. Auf Nachfrage gibt es freundliche Empfehlungen, keine langen Vorträge.

Im Innenraum sind die Farben zurückhaltend, das Abendlicht fällt von draußen herein. Auf der Fensterbank ein Topf mit weißen Blumen. Die Polstersessel des Vorgängers sind verschwunden. Nur die Barhocker tragen noch braunes Leder. Der Retro-Stil der alten Cocktailbar bleibt dezent erhalten.

Die Speisekarte wechselt saisonal und verbindet mediterrane mit asiatischen Einflüssen: Doradensashimi mit rauchiger Tomatensauce. Arancini (knusprige Reisbällchen) auf Koriandersauce mit Parmesan. Rindertatar mit Kartoffelcrumble, frittierten Kapern und Bio-Eigelb. Jedes Gericht ist durchdacht – aber nicht überfrachtet. Der Star auf den Tellern mit Blümchenverzierung ist nicht die einzelne Zutat, sondern die Balance.

Meine Freundin wählt als Vorspeise Burrata mit gegrilltem Spargel, Frühlauch und Crispy Chili. Cremig, mit milder Schärfe. Ich probiere gleich mehrfach bei ihr. Mein gegrillter Oktopusarm ist auf den Punkt gegart, serviert mit Bohnensalat, Radieschen und einer würzigen Sauce.

Die Preise sind gehoben: 14 Euro für die Arancini, 18 Euro für drei Austern, 36 Euro für ein Entrecôte vom Holzkohlegrill. Das vegetarische Hauptgericht, für das wir uns entscheiden, kostet 20 Euro. Ein selbstbewusster Preis für eine gegrillte Aubergine mit Labneh (libanesischer Frischkäse) und Kräutersalat. Und auch wenn uns die Vorspeisen mehr überzeugt haben: Die Aubergine ist butterzart, wie versprochen. Man kann sie mit der Gabel zerteilen wie einen Pfannkuchen.

Die Desserts kosten acht bis zehn Euro und sind ebenfalls etwas für Feinschmecker: Das Eis zum Schokokuchen enthält laut Karte Vanille aus Tahiti. Ein Litschisorbet mit Sake ist bestreut mit kandierten Rosenblüten. Trotzdem entscheiden wir uns gegen einen Nachtisch. Nach den zwei Gerichten, zu denen Brot und Butter gereicht werden, sind wir satt – und bestellen stattdessen noch einen Grauburgunder.

Für drei Gänge mit Weinbegleitung sollte man etwa 70 bis 90 Euro pro Person einkalkulieren. Kein Schnäppchen. Aber die Produkte und die Kreativität rechtfertigen den Preis. Die Küche im Oy strahlt aus: Wir wissen, was wir tun. Keine bemühten Sterneverrenkungen. Stattdessen Fine Dining auf Klappstühlen mit Papierserviette.

Das Oy will nicht nur mit Raffinesse beeindrucken. Es will Emotionen wecken. Man kommt zum Essen, aber bleibt für das Gefühl: Ein Hauch von Süden in der rheinischen Luft. Und dann sitzt man da, die Abendsonne im Gesicht, während das Stadtleben vorbeirauscht. Die Gespräche verlangsamen sich, genau wie die Zeit. Was braucht es mehr?

Adresse und Öffnungszeiten
Oy, Friedrichstraße 115a (Unterbilk), Telefon 0160 3426020
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag, 18 bis 24 Uhr, Freitag und Samstag bis 1 Uhr.

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