Stephan Keller fordert den Oberbürgermeister heraus

Der Düsseldorfer Rathauschef hätte es sich leicht machen und auf seinen Amtsbonus setzen können. Er hat allerdings ein Programm für seinen Wahlkampf vorgestellt, das ambitioniert ist – und teuer. Für die mögliche Stichwahl scheint er eine klare Taktik zu haben.
Veröffentlicht am 12. Juni 2025
Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU)
VierNull-Fotochef Andreas Endermann hat passend zur Überschrift Oberbürgermeister Stephan Keller in einer Bildmontage sich selbst gegenübergestellt.

Es ist die vorletzte Lektion aus dem Lehrbuch „Wie Thomas Geisel sich um sein Amt brachte“. 2020 präsentiert der damalige Düsseldorfer Oberbürgermeister das Programm, mit dem er wiedergewählt werden wollte. Auf den Folien dazu war das Logo seiner Partei nicht zu sehen, um ihn herum standen keine Repräsentant:innen der SPD. Es folgte ein Sommer weiterer fataler Signale und am Ende die Niederlage gegen Stephan Keller.

Der wiederum hat die Lektion offenbar verinnerlicht. Als er nun seine Ideen für eine mögliche zweite Amtszeit vorstellte, hing neben ihm ein Banner. Darauf las man als erstes CDU, dann einen Slogan und darunter den Namen des Kandidaten – in einer Schriftgröße, für die man beinah eine Lesebrille benötigte. Rechts und links von sich versammelte der Oberbürgermeister ein hochrangiges Ensemble von Statisten: sämtliche Vorstände aus Kreispartei und Stadtrat, an diesem Nachmittag voll darauf konzentriert, die Körperhaltung senk- und die Gesichtszüge mindestens waagerecht zu halten.

In diesem Kreis erscheint Stephan Keller beinah als Idealist. Die Düsseldorfer Christdemokraten werden vorrangig von Großmeistern des Machterhaltens geprägt. Parteichef Thomas Jarzombek etwa hat es dank der richtigen Seilschaften inzwischen zum Parlamentarischen Staatssekretär in Berlin gebracht. Rolf Tups führt ungefährdet die Ratsfraktion und mehrere Aufsichtsräte, obwohl öffentliche Reden bei ihm so selten sind wie konkrete Aussagen.

Diesen Vorbildern hätte der Oberbürgermeister folgen können und sich trotzdem nicht allzu viele Sorgen um die Wiederwahl im September machen müssen. Damit wäre er sogar einem anderen Risiko aus dem Weg gegangen. Als Amtsinhaber sollte man nicht zu viele Versprechen machen, weil sich die Wählerinnen und Wähler sonst fragen könnten, warum er das nicht schon in der laufenden Legislaturperiode angepackt hat. Doch Stephan Keller präsentierte tatsächlich eine längere Liste von Ideen, die er ab Herbst umsetzen möchte.

Gemessen an diesen Ansprüchen fordert er sich mehr heraus als seine Gegenkandidierenden. Clara Gerlach und Fabian Zachel haben diese Rolle nur sehr bedingt übernommen. Die Grüne präsentiert eine moderne Kampagne, kommt aber über „ganz nett“ kaum hinaus. Der Sozialdemokrat attackiert zwar mit hohem Tempo, verliert sich bei den Gegenvorschlägen allerdings gerne in nicht endenden wollenden Stichpunkte-Listen. Vor allem konnten beide bisher nicht vermitteln, warum sie das Amt unbedingt haben wollen.

Stadtmanager will Stadtvater werden
In diese komfortable Situation geht Stephan Keller nun mit jede Menge Vorschlägen, die man hinterfragen und deren Kosten man kritisieren kann. Sein Programm ist ambitioniert und teuer:

  • Düsseldorf soll die erste deutsche Stadt ohne Obdachlosigkeit werden. Das Projekt „Housing first“ (mehr dazu hier) hat in drei Jahren rund 100 Menschen von der Straße geholt und in Wohnungen gebracht. Dies soll die Stadt als Hauptakteur in spätestens acht Jahren für alle rund 700 Obdachlose schaffen. Der Oberbürgermeister schätzt die Kosten auf bis zu 80 Millionen Euro.
  • Bisher sind die Kitabeiträge für Über-Dreijährige frei. Stephan Keller will dies erweitern: bei 35 Stunden Betreuungszeit auf alle Kinder, beim Nachwuchs von Erzieher:innen sogar ganz unabhängig von Betreuungszeit und Wohnort.
  • Die Städtische Wohnungsgesellschaft könnte laut Oberbürgermeister eine noch größere Rolle im Einsatz für bezahlbares Wohnen spielen. Darauf will er in dem Tochterunternehmen auch dadurch hinwirken, dass er nach der Wahl in deren Aufsichtsrat geht.

Es ist ein deutlich sozialeres Wahlprogramm als das von 2020. Der Stadtmanager, als den Thomas Jarzombek den Kandidaten vorstellte, möchte offenbar Stadtvater werden. Zu den damit verbundenen Wahlversprechen scheint es jeweils mindestens eine Grundidee zu geben, wie man das praktisch umsetzt. Die Finanzierung ist aus meiner Sicht allerdings nicht ernsthaft mitgedacht. Düsseldorf geht sehr wahrscheinlich Zeiten mit geringeren Steuereinnahmen und steigenden Sozialausgaben entgegen. An den wachsenden Schulden der Stadt ist dies bereits abzulesen (mehr in der Geschichte „Düsseldorfs kleine Finanzkrise“). Ein solcher Etat lässt nicht genügend Spielräume, all die Versprechen zu erfüllen.

Trotz der Risikobereitschaft ist erkennbar, dass Stephan Keller weiterhin ein sehr gutes Frühwarnsystem für mögliche Probleme hat – und diese dann zügig abräumt. Ein Beispiel dafür sind die Bürgerinnen und Bürgern in Golzheim. Ihnen verspricht er, dass die neue Theodor-Heuss-Brücke ohne Straßenbahn gebaut wird, damit sie nicht so breit wird, wie die Protestierenden fürchteten.

Ähnlich verfährt das Wahlprogramm mit den Angriffspunkten, die die anderen Kandidierenden für sich entdeckt haben. Fehlende Pflegeplätze, vermüllte Ecken, Klagen von Wirt:innen über Genehmigungszeiten von Terrassen – all das wird angesprochen und zügig geregelt.

Rote Taktik für grüne Gegenkandidatin
Unambitioniert ist das Wahlprogramm vor allem beim Verkehr. Stephan Keller sagt zwar, dass er den Anteil der Radfahrenden auf 25 Prozent erhöhen möchte. Aber mehr als „eine behutsame Weiterentwicklung der Königsallee mit einem leistungsstarken Radweg“ ist damit gedanklich nicht verbunden. Zumutungen für Autofahrende sind ausdrücklich ausgeschlossen – obwohl Vorbilder wie Kopenhagen oder Paris zeigen, dass ohne diese ein Umbruch nicht möglich ist.

Stephan Keller scheint damit den Grünen einen Vorteil zu lassen. Das könnte aber auch Teil seiner Strategie sein. Der Oberbürgermeister muss sich auf eine Stichwahl einstellen. Da er mehr als ein halbes Dutzend Herausforder:innen hat, ist es mathematisch wahrscheinlich, dass er im ersten Wahlgang am 14. September keine absolute Mehrheit holt. Dann gehen die beiden Kandidierenden mit den meisten Stimmen am 28. September in eine zweite Abstimmung.

Die Grünen waren bei den meisten Wahlen der vergangenen Jahre zweitstärkste Kraft. Die Chancen sind also hoch, dass ihre Kandidatin dank der Hochburgen in den zentralen Stadtteilen in die Stichwahl kommt. Dort bräuchte sie dann aber die Stimmen derjenigen, die in der ersten Runde SPD gewählt haben.

Für genau diese Zielgruppe hat Stephan Keller ein passendes Konzept. Mit seinen Ideen gegen Obdachlosigkeit, für Kinder und Senioren macht er ein besseres SPD-Programm als die SPD. Ob deren Anhängerschaft ihn dafür wählt oder im zweiten Wahlgang zu Hause bleibt und grummelnd in Kauf nimmt, dass er wieder OB wird, ist dabei irrelevant.

Folglich muss er im Sommer nun vor allem die letzte Lektion aus der Amtszeit von Thomas Geisel beachten: Man kann sich selbst herausfordern, aber man sollte sich nicht selber schlagen.

Pressekonferenz der CDU Düsseldorf
Oberbürgermeister Stephan Keller (Dritter von links) mit den Spitzen aus Kreispartei und Ratsfraktion: Angela Erwin, Thomas Jarzombek, Rolf Tups, Peter Blumenrath, Angelika Penack-Bielor, Dagmar von Dahlen und Andreas Hartnigk (von links).

Lust auf weitere Geschichten?