Regierungsviertel: Große Gebäude, großes Kommunikationsproblem

Ganz oben, ganz hinten finde ich, was ich suche. Im Technischen Rathaus an der Brinckmannstraße 5 gehe ich zum Gebäude B (Stadtplanungsamt), fahre mit dem Aufzug in die vierte Etage, komme dort an vielen Holztüren vorbei und stehe schließlich vor einer weißen Tafel. An dieser sind mit Magneten zwei Animationen eines Bauprojekts befestigt, ebenso zehn zusammengetackerte DinA4-Blätter. Hier erfahre ich nun, was an der Haroldstraße anstelle des ehemaligen Innenministeriums gebaut werden soll – und frage mich, ob schon Menschen vor mir an dieser Wand gestanden haben.
An der Haroldstraße sind zwei Gebäudekomplexe geplant, einer für das Finanzministerium und einer für die NRW-Bank. Beide Komplexe bestehen aus unterschiedlichen hohen Häusern, die jeweils größten sind 110 beziehungsweise 100 Meter hoch. Zum Vergleich: Das heutige Gebäude misst 39,2 Meter.
Die Haroldstraße vor den Gebäuden wird laut Plan autofrei und ist dann für Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und Bahnen reserviert. Der Autoverkehr soll vor allem über die Kavalleriestraße zur Brücke und zum Rheinufertunnel fließen. Nach städtischen Angaben werden in Spitzenzeiten pro Stunde zusätzlich 400 Fahrzeuge in die eine und 350 in die andere Fahrtrichtung unterwegs sein. Zu den neuen Gebäuden wird außerdem eine neue Straße gebaut, die von der Neusser Straße abgeht. Das sind gewaltige Veränderungen, denke ich. Bis zum 5. Juli können Bürger:innen sich dazu äußern – aber wissen sie von dieser Möglichkeit und von den Plänen?
Man kann der Stadt nicht den Vorwurf machen, sie hätte nicht auf verschiedenen Wegen informiert: Vor dem künftigen Baugebiet steht ein großes Schild, das auf die Bürgerbeteiligung hinweist. Die Stadt hat Projekt und Partizipationsmöglichkeiten im Amtsblatt veröffentlicht, eine Pressemitteilung dazu herausgegeben, die Unterlagen, die ich von der Pinnwand kenne, ins Internet gestellt, eine Ansprechpartnerin benannt und einen Diskussionsabend veranstaltet. Trotzdem bleibt bei mir der Eindruck, dass mit den großen Gebäuden auch ein großes Kommunikationsproblem zwischen Verwaltung und Bürger:innen verbunden ist. Das hat vor allem zwei Gründe:
- Es geht um Pflichterfüllung, nicht um Erfolg. Dass die Stadt die Öffentlichkeit in dieser Phase beteiligt, ist im Paragraph 3 des Baugesetzbuches vorgeschrieben. Sie erfüllt also zunächst einmal eine Pflicht. Die beschriebenen Wege zeigen, dass die Verwaltung diese Pflicht durchaus vielfältig angeht. Aber mit dem reinen Anbieten der Möglichkeit, sich zu beteiligen, endet ihr Tun. Es gibt keine Vorgabe, wann die Beteiligung ein Erfolg ist. Ob und wie viele Bürger:innen sich beteiligen, erscheint unerheblich.
Da müsste man ansetzen. Die reinen und noch ziemlich groben Pläne sind zu abstrakt, um Menschen zu vermitteln, wie stark sie davon am Ende betroffen sein werden. Amtsblatt und Pressemitteilungen haben angesichts des heute so diversen Medienkonsums eine begrenzte Reichweite. Deshalb müsste die Stadt offensiver kommunizieren. Im Wortsinn auf die Menschen zugehen (ähnlich wie Parteien an Wahlständen), sie auf ihre Betroffenheit hinweisen und zur Beteiligung animieren. Messen, wie viele Menschen sie erreicht, sich ein Ziel setzen, wie viele Eingaben der Bürger:innen sie mindestens erhalten möchte. Und auch die Eingabe direkt bei der Ansprache ermöglichen, nicht nur im Internet und im Stadtplanungsamt, sondern direkt dort, wo man von der Betroffenheit erfährt. - Das Informationsmaterial ist aus der falschen Perspektive geschrieben. Die Informationen über das Projekt an der Haroldstraße lesen sich weitgehend, als hätte ein Entwickler sie verfasst. Es geht lange um Gebäude, Erschließung, Begrünung – also die Vorzüge des Vorhabens. Dabei bräuchten die Bürger:innen eine Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten, um zu wissen, was auf sie zukommt und wie sie das Projekt einschätzen. Das aber ist in solchen Unterlagen bisher nicht üblich. Welchen Einfluss die Hochhäuser auf die Luftschneise oder die Verteilung des Winds haben, steht zum Beispiel nicht in den Unterlagen. Und von der Verschattung ist erst auf Seite 19 von 19 die Rede: „In Bezug auf die Verschattung sind im weiteren Verfahren vertiefende Untersuchungen auf die Umgebung erforderlich“, steht dort.
Nachdem ich diese zwei Zeilen gelesen habe, hefte ich die Blätter wieder mit dem Magneten an die Pinnwand. In diesem Moment kommt eine Mitarbeiter:in des Stadtplanungsamts an mir vorbei und sieht mich leicht verwundert an. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie.
Weiterführende Links
Die Unterlagen zur Öffentlichkeitsbeteiligung sind hier zu finden.
Informationen zum Architekturwettbewerb stehen hier.