OB-Kandidat der AfD will “die politische Landschaft der Stadt verändern“

An dieser Stelle hätten wir beschrieben, wie die Düsseldorfer AfD am 15. April in Bilk ihren Kandidaten für die Oberbürgermeister-Wahl und das Programm dazu vorgestellt hat. Wir haben uns für diese Veranstaltung angemeldet und zunächst sowohl telefonisch als auch per E-Mail (mit der Signatur des Kreisvorsitzenden Elmar Salinger) eine Bestätigung erhalten. Zwei Tage später schrieb OB-Kandidat Claus Henning Gahr, die Partei erteile uns doch keine Akkreditierung: „Wir bitten, von einem Besuch abzusehen.“
Unsere Bitte, den Link zum Livestream der Veranstaltung zu erhalten, blieb unbeantwortet. Ebenso reagierte Claus Henning Gahr nicht auf die Fragen, die wir ihm zu seiner Person und seinem Wahlkampf gestellt haben.
Der 37-Jährige ist neuer Teil der hiesigen Parteispitze. Er wurde Anfang März in den neuen Vorstand gewählt – zu einem der Stellvertreter von Elmar Salinger. Weitere Vize-Vorsitzende sind der frühere Bundestags-Kandidat Marco Vogt und Thomas Krabbe. Am 6. April wählte die AfD Claus Henning Gahr zum OB-Kandidaten.
Wofür stehen die Männer, die Rathauschef beziehungsweise Mitglieder des Stadtrats werden wollen? Dieser Frage sind wir anhand der Veröffentlichungen der AfD nachgegangen.
Claus Henning Gahr
Bis zur Wahl in den Vorstand und zur Nominierung war der Politiker, was man ein unbeschriebenes Blatt nennt. Nach Außen trat er für die Partei nicht in Erscheinung, seinen Account auf der Plattform X hat er im April 2025 angelegt.
Nach Angaben der AfD ist Claus Henning Gahr Volljurist und offensichtlich ein Freund des Wortes energisch. In einer Veröffentlichung zur OB-Kandidatur wird er mit den folgenden Worten zitiert: „Für Euren energischen Einsatz am sonntäglichen Kreisparteitag bedanke ich mich herzlich. Wir werden nun ohne Umschweife gemeinsam die politische Landschaft unserer Heimatstadt verändern und unseren Ordnungsvorstellungen energisch Geltung verschaffen.“ Unsere Fragen, was damit konkret gemeint ist, beantwortete der OB-Kandidat nicht.
Auf X hat er bis zum 15. April 17 Posts veröffentlicht. Sein Profil weist 49 Follower aus. Seine ersten Beiträge waren Retweets des rechtsextremen Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke und des US-Verschwörungstheoretikers Tucker Carlson. Es folgten erste Kurzvideos von Wahlkampfständen. Eines zeigt den Oberbürgermeister-Kandidaten erst vor Parteilogo und Deutschlandfahne, bevor die Kamera nach rechts auf eine Gegendemo schwenkt. „Unsere Statisten von der demokratischen Mitte sind auch wieder da“, sagt Gahr.
Elmar Salinger/Marco Vogt
In der Geschichte „Immer weiter rechts: die AfD in Düsseldorf“ haben wir beschrieben, dass der Kreisvorsitzende und der ehemalige Bundestags-Kandidat extreme Positionen beziehen und das Unwort des Jahres 2024, Remigration, wie selbstverständlich verwenden. Zuletzt sorgte auch ein Entwurf für das AfD-Kommunalprogramm für scharfe Kritik. Demnach sollten drogensüchtige Obdachlose und Asylbewerber:innen teils zwangsweise in der leerstehenden Bergischen Kaserne untergebracht werden.
Die Positionierung innerhalb des Spektrums der AfD hat sich offenbar noch weiter nach rechts verschoben. Elmar Salinger hat eine Veranstaltung im Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich besucht, bei der Götz Kubitschek Hauptredner war. Marco Vogt hat einen Post Helferichs dazu mit „Gelungene Veranstaltung. Zugkräftiger Gast. Er wird sicher künftig noch größere Säle füllen. Auch in NRW.“ kommentiert.
Die politische Laufbahn von Matthias Helferich ist von Ausfällen geprägt. 2006 soll er als Chef der Schülerunion in NRW den damaligen Junge-Union-Landesvorsitzenden Hendrik Wüst antisemitisch beleidigt haben. Er dementierte das ebenso wie andere, CDU-intern vorgeworfene rassistische Äußerungen. 2017, nach seinem Wechsel zur AfD, soll sich Helferich in Chats unter anderem als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet haben, was er später als Ironie abtat.
Es folgten ein folgenloses Parteiausschlussverfahren sowie vier Jahre als fraktionsloser Abgeordneter im Bundestag. In dieser Zeit fiel Helferich weiter durch seine Nähe zu verfassungsfeindlichen Organisationen, Reden über das „Niederringen“ des Systems und persönliche Angriffe auf Parteikolleg:innen auf. 2024 entzog ihm ein AfD-Schiedsgericht seine Mitgliedsrechte. Sein eigener NRW-Landesvorstand begründete den Antrag damit, dass Helferich in schwerwiegender Weise gegen das Grundgesetz verstoße. Sollten Personen wie er jemals politisch-exekutive Macht erhalten, drohten Szenarien, die an die „finstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte“ erinnern. Der Entzug seiner Mitgliedsrechte verhindert, dass Helferich für ein Amt innerhalb seiner Partei kandidieren kann, nicht aber die Nominierung für ein öffentliches Wahlamt. So wurde er von seinen parteiinternen Unterstützer:innen wieder auf einen aussichtsreichen Listenplatz gewählt, der zum Bundestagseinzug reichte. Anders als 2021 ist Helferich nun reguläres Mitglied der AfD-Fraktion.
Wo Matthias Helferich ist, war zuletzt auch Götz Kubitschek nicht weit. Ob im Dortmunder Wahlkreisbüro, beim Sommerfest in Kubitscheks Verlagssitz Schnellroda oder beim Vernetzungstreffen im Deutschen Bundestag. Mit seinem mittlerweile aufgelösten Institut für Staatspolitik lieferte Kubitschek den neu-rechten Think-Tank für eine immer stärkere Radikalisierung der AfD. Von Anfang an setzte er vor allem auf Björn Höcke und dessen Rechtsaußen-Mitstreiter:innen.
Wiederholt hat Kubitschek betont, was er von demokratischem Diskurs (nichts) und der Bedeutung ethnischer Unterschiede hält (sehr viel). Für seinen Kulturkampf von rechts, ganz im Sinne faschistischer Vordenker, hat Kubitschek in der AfD sein passendes Trittbrett gefunden. National genug ist sie ihm bereits, sozialistisch genug noch nicht. Kubitschek soll trotz rund 20 Prozent bei der Bundestagswahl zuletzt den AfD-Wahlkampf kritisiert und dabei auf die prägnanteren sozialen Antworten der Linken verwiesen haben.
Wir haben den Düsseldorfer Kreisvorstand um Stellungnahme zu dem Besuch Elmar Salingers bei Matthias Helferich gebeten. Die Antwort: „Mitglieder des Kreisverbandes, wie auch des Kreisvorstandes, nehmen ständig an politischen Diskussionsrunden deutschlandweit teil, um anregende Debatten und ggf. auch neue Referenten für den eigenen Kreisverband kennenzulernen. Es bedarf keiner bewertenden Erklärung der Motivation für individuelle Besuche und Postings.“
Kurz vor der Veranstaltung in Bilk, von der unsere Redaktion ausgeladen wurde, hat sich AfD-Ratsfrau Andrea Kraljic bei X zu Wort gemeldet: „Ich hoffe die #RheinischePost wird auch vor Ort sein. Denn was läge näher, wenn tugendhaftes Interesse bestünde, über Wahrheit und Fakten zu berichten…“ Der Kreisvorsitzende Elmar Salinger hat diesen Post geteilt.