Düsseldorf: Spitze der Union uneins wegen Merz

Einerseits gab es Empörung über das Verhalten des Friedrich Merz inklusive Demos in vielen Städten, andererseits Akzeptanz. Nachdem der CDU-Kanzlerkandidat die Sache mit der Brandmauer Richtung AfD auf einmal nicht mehr ganz so blickdicht sah, kochte die Stimmung auf beiden Seiten hoch. Inzwischen weiß man: Es hat dem Sauerländer nicht geschadet, in Umfragen hat er sogar leicht zugelegt.
Im Getöse ist jedoch nur am Rand vermerkt worden, dass der Vorgang in Berlin einen Zwist in der Düsseldorfer CDU verursacht (oder sichtbar gemacht) hat, von dem bisher wenig nach außen drang. Denn Oberbürgermeister Stephan Keller kritisiert Merz so: „Ich bin zutiefst beunruhigt, weil sich meine eigene Partei mit einer Gruppe zusammengetan hat, die im Kern antisemitisch und antidemokratisch ist, und das ist inakzeptabel“. Das sagte der Rathaus-Chef bei einem Auftritt des europäischen Forums für Rabbiner und Gemeindevorsitzende bei der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf.
Der Vorsitzende des CDU-Kreisverbands Düsseldorf, Thomas Jarzombek, sah das anders. Mit einem ausführlichen Statement stellte er sich demonstrativ hinter Merz und verteidigte das Verhalten. Wenn man die Frage der illegalen Migration nicht löse, drohe Deutschland eine große Gefahr, schrieb der 51-Jährige und verwies auf Entwicklungen in Frankreich. Die CDU habe mehrere sehr kritische Passagen über die AfD in ihren Antrag geschrieben. Es sei daher absurd, dass die AfD dem Ganzen zugestimmt habe.
Im Vergleich der Aussagen bedeutet das: Zwei der Top-Leute der CDU in Düsseldorf sind bei einem fundamental wichtigen Thema gegensätzlicher Ansicht. In der Fraktion im Rathaus, ebenfalls keineswegs einig, erklärt man das mit normaler Meinungsvielfalt innerhalb einer Partei. Aber in Wahrheit steckt mehr dahinter. Die Diskrepanz hat auch was mit Distanz zu tun, und zwar der in Kilometern.
Thomas Jarzombek
Der Bundestagsabgeordnete ist weit weg von Düsseldorf und längst zum Berufs-Politiker ohne Plan B geworden. Er lebt von seinem Mandat und hat mit seiner Heimatstadt nur noch wenig zu tun – es sei denn, es ist Wahlkampf. Dann versucht er, hier Nähe zu demonstrieren. Bestes Beispiel war 2021 eine Fahrradbrücke am Mörsenbroicher Ei, für die sich Jarzombek stark machte und bei der er den Eindruck erweckte, er könne das ernsthaft auf den Weg bringen.
Nach seiner Wiederwahl ins Parlament reagierte er eher gelangweilt auf die Nachfrage zu dem „Projekt“. Nun hat er es wiederentdeckt. In einer Antwort zu unserer Aktion „Deine Stimme, Deine Themen“ schreibt er: „Ferner setze ich mich bereits seit langem für die Fahrradhochbrücke über das Mörsenbroicher Ei ein und sehe bislang dazu auch keine Alternative. Absurderweise ist es so, dass dieses Vorhaben, zu dem sich sowohl Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller wie auch Hendrik Wüst (zu dem Zeitpunkt als Verkehrsminister) positiv geäußert haben, ausgerechnet von den Grünen sowohl in der Stadt wie auch im Land ausgebremst wird. Möglicherweise stört es die Kollegen der Grünen, dass für einen solchen Fahrradweg weder Autospuren noch Parkplätze wegfallen würden.“
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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