Berlin, Berlin – wer fährt denn nach Berlin?

Kurz vor der Wahl ist womöglich ein Rennen wieder offen, das schon entschieden schien – zwischen der CDU-Bundestagsabgeordneten Sylvia Pantel und ihrem SPD-Gegenkandidaten Andreas Rimkus. Beide treten im so genannten Süd-Wahlkreis Düsseldorfs an. Pantel galt bisher als Favoritin. Nicht zuletzt, weil sie 2017 die Wahl mit 33,8 Prozent der Erststimmen für sich klar entschied. Rimkus kam auf 27,3 Prozent. Ähnlich deutlich, so glaubte man lange, werde das Ergebnis auch bei der Wahl am kommenden Sonntag sein. Aber nun erleben wir eine Veränderung, die zuerst im Hintergrund ablief, inzwischen aber auch offen zutage tritt.
Sylvia Pantel ist seit langem auch in ihrer eigenen Partei umstritten. Wegen ihrer Position zu verschiedenen Themen (Abtreibung, Familienpolitik, Klima) hat sie sich intern wie extern heftige Kritik anhören müssen. Sie fühlt sich missverstanden, ihre Meinung falsch wiedergegeben, aber in der Öffentlichkeit hängen bleibt das Bild einer rechtslastigen Politikerin, der das, was sie als Gradlinigkeit definiert, nicht bekommt. Und der man auch ihre betonte Nähe zum CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen übelnimmt. Seit einigen Wochen gibt es im Netz sogar eine Initiative namens „Pantel verhindern“.
Vor allem bei vielen jungen Wählern könnten ihre konservativen Positionen für Ablehnung sorgen, wie sie gerade erlebt. „Fridays for future Deutschland“ hat sie ins Visier genommen. Sie wirft ihr und vier anderen CDU-Abgeordneten vor, sich nicht um Klimaschutz zu kümmern. Auf der Internetseite von „Fridays for future“ heißt es: „Sylvia Pantel (CDU) aus Düsseldorf verhindert echten Klimaschutz, einen sozialen Wandel und zerstört deine Zukunft, unsere Erde und das Klima – und das auch in deinem Wahlkreis Düsseldorf II! Wie sie das konkret in der letzten Legislaturperiode gemacht hatte:
- Sie fabuliert von vermeintlich positiven Effekten der Klimakrise.
- Sie unterstützt die Ansichten vom abgewählten 45. US-Präsidenten Donald Trump, dass der Klimawandel eine Erfindung der Chinesen sei.
- Sie hat latent wissenschaftsfeindliche Klimaleugner-Positionen.“
Solche Anwürfe werden die Stammwählerschaft der Konservativen aus Düsseldorf kaum irritieren, aber angesichts der Gesamtlage wächst das Risiko für Sylvia Pantel. Die Bundes-CDU schwächelt, was als Stimmungslage auch auf die Direktkandidaten durchschlagen kann. Zudem liegt die FDP auf Bundesebene stabil zweistellig und könnte auch im bürgerlichen CDU-Lager Beute machen. Pantel dürfte froh sein, dass gegen sie in ihrem Wahlkreis der noch eher unbekannte Liberale Christoph Schork antritt und nicht die in Düsseldorf bekannte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die im anderen Düsseldorfer Wahlkreis (Nord) ins Rennen geht. Außerdem könnte Pantel aufgrund ihrer Position taktische Wähler verschrecken, also Menschen, die mit ihrer Erststimme CDU und mit der Zweitstimme FDP wählen. Bei der FDP stößt die Christdemokratin jedenfalls auf Ablehnung, sie schätzen sie als rechtspopulistisch ein. Da sind die Liberalen seit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen sehr sensibel. Bürgerlich-liberale Wähler sehen das ähnlich.
Pantels chancenreichster Gegenkandidat, Andreas Rimkus von der SPD, spürt dagegen seit ein paar Wochen Rückenwind. Er hatte bisher keine Hoffnung, den Bezirk direkt zu holen, und sein Listenplatz 19 war vor wenigen Wochen noch ohne Chance. Aber nun steht die SPD laut Umfragen bundesweit um die 26 Prozent. 2017 hatte Rimkus bei einem SPD-Gesamtergebnis von 20,5 auf Platz 17 gestanden und war ganz knapp in den Bundestag eingezogen. Anders gesagt: ein etwas schlechterer Listenplatz, aber eine sehr viel bessere Gesamtlage verbessern zurzeit seine Position.
Zudem hilft ihm auch die Linke. 2017 trat Sahra Wagenknecht im Wahlkreis Düsseldorf-Süd an, und die sehr bekannte Linke hat ihrem sozialdemokratischen Konkurrenten etliche Stimmen abgenommen. Jedenfalls holte sie 13 Prozent, für die Linke ungewöhnlich hoch. Nun schicken die Linken Julia Marmulla in den Wahlkampf – die Ratsfrau ist anerkannt, aber nicht annähernd so prominent wie Wagenknecht. Durchaus möglich, dass das dem Sozialdemokraten (Beruf: Elektriker) nutzt, dem man in den früheren Arbeitervierteln des Wahlkreises seine Nähe zur Basis glaubt. Er kann womöglich Stimmen von jenen Wählern zurückholen, die von der SPD zur Linken abgewandert sind, weil sie damals dort ihre Interessen besser vertreten sahen.
Fazit: Auch in Düsseldorf ist diese Wahl so spannend wie selten. Rimkus hat zwei Chancen: Pantel direkt schlagen und in den Bundestag einziehen, oder über seinen Listenplatz, der bei einem hohen SPD-Zweitstimmenergebnis womöglich zum Tragen kommt. Pantels Chancen werden mehrfach geschmälert – von einer schwächelnden CDU im Bund mit schlechten Zahlen, von einem erstarkten Rimkus und von einer wachsenden Zahl junger Wähler, die sich heute mehr Gedanken über ihre Zukunft als noch vor vier Jahren machen. Einen sicheren Listenplatz hat sie nicht, sie muss ihren Wahlkreis direkt gewinnen. Gelingt das nicht, ist sie raus.
Düsseldorf wird jedoch im neuen Bundestag auf jeden Fall von mehreren Abgeordneten vertreten sein – aus dem Wahlkreis Süd: Pantel und/oder Rimkus und Sara Nanni. Die Grüne hat einen ziemlich sicheren Listenplatz.
Aus dem Wahlkreis Düsseldorf-Nord: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) steht auf Platz 2 der FDP-Landesliste und ist damit sicher in Berlin. Für die CDU geht Thomas Jarzombek ins Rennen. Dass er gewinnt, gilt als sicher – zumal die SPD-Kandidatin Zanda Martens absolute Newcomerin und kaum bekannt ist.