Sterben müssen wir alle – auch ohne Gott

Da dreht ein 29-Jähriger seinen ersten Langfilm und das Thema ist der Tod. „Sterben ohne Gott“ ist ganz in schwarz-weiß gehalten, die Interviews sind durchschnitten von kurzen Spielszenen, Landschaftsaufnahmen und Comic-Sequenzen. Moritz Terwesten ist Düsseldorfer, Philosophie-Student und verdient das Geld für seine dokumentarische Arbeit mit Werbevideos. Das hat er genutzt, um mit Experten im In- und Ausland über den säkularen Blick auf die Endlichkeit des Lebens zu sprechen. Tröstlich sind die Aussichten dabei nicht.
Ich treffe den Düsseldorfer Regisseur in seinem Hinterhof-Studio in Unterbilk. In der Ecke stehen ein Schreibtisch mit PC, gegenüber ein digitales Flipchart. An der Wand hängt Kunst. Terwesten trägt gegeltes Haar, ein schwarzes T-Shirt und Blue-Jeans. Er sitzt auf einem von zwei schwarzen Sofas in Lederoptik und spricht über seinen Bruder, der einen Hirntumor als Kind beinahe nicht überlebt hätte, einen guten Freund, der mit 19 gestorben ist und seinen Opa, dessen Sterben er intensiv begleitete. „Es ist ein Thema, das mich berührt, beschäftigt und auch nicht klein ist“, sagt er. In seinem Film wollte er herausfinden, wie eine mehrheitlich konfessionslose Gesellschaft (Terwesten ist selbst Atheist) mit ihrer Todesangst umgehen kann.
Die Antworten lässt sich der Düsseldorfer Regisseur aus höchst unterschiedlichen Blickwinkeln geben. In den USA trifft er den Sozialpsychologen Sheldon Solomon, der sich mit den menschlichen Reaktionsmustern auf ihre eigene Endlichkeit beschäftigt hat. Er spricht mit dem Philosophen Franz Xaver Wetz, für den der Tod ein unlösbarer Konflikt ist, mit dem sich ein jeder nur arrangieren kann. Auch ein Bestatter und weitere prominente Experten wie Biologe Mark Benecke, Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt oder Horror-Regisseur Jörg Buttgereit kommen zu Wort.
Manchmal ist das so düster, wie es das Thema erwarten lässt. Etwa wenn Buttgereit davon spricht, wie er einen „menschlichen Kuchen“ aus Schweineinnereien vorbereitete und beim Filmen der Verwesung den Tod seiner gerade verstorbenen Mutter verarbeitete. Später entschied sich Buttgereit gegen eigene Kinder. „Ich wollte mich mit der Angst, noch mehr Leute zu verlieren, nicht mehr auseinandersetzen.“ Die Sicht Mark Beneckes ist da deutlich nüchterner. Sex und Tod seien nun einmal wichtig, um künftige Umweltbedingungen überstehen zu können. Die Idee, ewig zu leben und dafür Pillen zu schlucken nennt er biologischen Unsinn und „Lebenszeitverschwendung“.
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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