Montag, 06. November 2023
 
+Walid El Sheikh wegen Pro-Palästina-Post unter Druck + Düsseldorfer Wirtschaft: Schlechte Stimmung, aber auch Lichtblicke + VierNull-Autor für Reporterpreis nominiert +
 
  
Guten Morgen ,

Oberbürgermeister Stephan Keller hat sich mehrfach als hoch empfindlich gezeigt, wenn es um die Kommentierung des Terrorangriffs gegen Israel und dem daraus entstandenen Krieg in Gaza geht. Jede Äußerung, in der er eine Täter-Opfer-Umkehr sieht oder in der die ermordeten israelischen Kinder, Frauen und Männer unerwähnt bleiben, die Kämpfe in Gaza aber ausschließlich Israel angelastet gelegt werden, sind für ihn nicht akzeptabel. Daher ist es schwer vorstellbar, dass er den erst vor wenigen Wochen neu gewählten Sprecher der Altstadtwirte, Walid El Sheikh, künftig als Gesprächspartner akzeptiert.

El Sheikh hat nämlich auf Instagram ein Statement veröffentlicht, in dem er – völlig zu Recht – den Tod von Kindern im Gazastreifen bedauert. Er spricht dort jedoch auch von einem „Genozid im Namen der Selbstverteidigung“, unterstellt Israel also Völkermord. Auch wenn diese Unterstellung falsch ist und die wahren Abläufe leugnet, darf er das sagen – unser Recht auf freie Meinungsäußerung deckt selbst solche Sprüche ab. Der Skandal jedoch ist das, was er nicht sagt: Er erwähnt mit keinem Wort, von wem dieser erneute Krieg wann und vor allem wie ausgelöst worden ist: Von den islamistischen Terroristen der Hamas, die am 7. Oktober in grenznahen Regionen Israels zu Gaza ein Massaker anrichteten, das es in dieser Grausamkeit seit den Verbrechen der Nazis in deutschen Konzentrationslagern nicht mehr gegeben hat. Über 200 Menschen jeden Alters wurden als Geiseln verschleppt.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, für die Düsseldorfer FDP im Bundestag, hat daraufhin den Rücktritt des Wirte-Sprechers gefordert: „Er schadet dem Ansehen unserer liberalen und weltoffenen Landeshauptstadt Düsseldorf, die sich klar an die Seite Israels stellt.“ Damit sei er untragbar geworden. Stephan Keller kommentierte den Post so: „Wenn wir ‚nie wieder ist jetzt‘ wirklich ernst meinen, müssen wir jüdisches Leben schützen. Überall und als Stadtgesellschaft hier bei uns in Düsseldorf. Wenn sich Jüdinnen und Juden bei uns nicht mehr sicher fühlen, haben wir unsere Werte verwirkt. Wer Israel Genozid an den Palästinensern vorwirft, liegt nicht nur falsch, sondern betreibt eine völlig inakzeptable Täter-Opfer-Umkehr und disqualifiziert sich so für den gemeinsamen Dialog für Frieden.“

El Sheikh hat inzwischen reagiert und sich in einer Nachricht an Strack-Zimmermann gewandt. Darin erklärt er, wie sehr ihn ihre Rücktrittsforderung bewege und bietet ein Gespräch an. Außerdem sagt er, dass er den Terrorakt der Hamas am 7. Oktober auf Israel natürlich verurteile.

Seine Äußerung können für ihn so oder so auch geschäftliche Folgen haben. Der Gastronom, der in Düsseldorf mehrere Lokale hat (Fett-Weinbar, Sir Walter) will demnächst in Oberkassel seine nächste Bar eröffnen. Dagegen gibt es Widerstand in der Nachbarschaft, zuletzt wurden über 500 Unterschriften dagegen im Rathaus vorgelegt. Diesen Kritikern liefert El Sheikh, dessen Eltern aus dem Libanon stammen, nun hoch willkommenen Rückenwind für ihre Absichten.  

Sollte er sich darauf zurückziehen, als Privatmann gesprochen zu haben, wird ihm das nicht helfen: Er war schon vor seiner Wahl an die Spitze der Altstadtwirte aufgrund seiner erfolgreichen Betriebe in einer exponierten Position. Nun, als Vertreter aller Gastronomen des Viertels, ist er das umso mehr und hat die Befindlichkeiten dieser Stadt mit einer der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands zu respektieren. Vermutlich tut er das, aber er hat die Sensibilität offenbar nicht erkannt.

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Ihr Hans Onkelbach
 
 
Mein Kollege Christian Herrendorf hat vergangene Woche die Pressekonferenzen der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer zu ihren Konjunkturumfragen besucht. Normalerweise würden wir dazu einzelne Meldungen hier im Newsletter schreiben. Christian hatte aber den Eindruck, dass die Ergebnisse in ihrer Breite (und in Kombination mit den neuen Arbeitsmarktzahlen) ein gutes Bild der aktuellen Lage der Düsseldorfer Wirtschaft ergeben. Deshalb hat er eine große Analyse geschrieben, die fast ohne Zahlen auskommt, die Ursachen der schlechten Stimmung erklärt und trotz allem auch noch drei Lichtblicke nennt.
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Einblick: VierNull-Autor für Reporterpreis nominiert

Süddeutsche Zeitung, NZZ, Berliner Zeitung, Rheinische Post, Freie Presse, Mindener Tageblatt – und VierNull: Das sind die Medien, deren Autorinnen und Autoren in der Kategorie „Beste Lokalreportage“ für den Deutschen Reporterpreis nominiert sind. Für uns als junges Start-up ist es natürlich eine Riesenehre, in der Reihe der etablierten Häuser aufzutauchen. Das verdanken wir unserem Kollegen Sebastian Dalkowski. Er hat die berührende Reportage „Helmut hört auf“ geschrieben. Darin erzählt er von Helmut Müller, der in seinem Leben viele Jobs gemacht und einige Firmen gehabt hat. Die letzte war eine Wäscherei in Friedrichstadt. Sebastian hat ihn dort wenige Tage vor der Rente besucht und mit ihm über sein Leben gesprochen. Er findet dabei einen wunderbaren Ton und schafft es, dass wir als Leser das Gefühl haben, mit in der Wäscherei zu sitzen und Geschichten wie alte Fotos anzugucken. Die nominierte Reportage können Sie hier noch einmal in Ruhe lesen.
 
Rückblick: Polizei nennt große Demo weitgehend friedlich

Zu einer propalästinensischen Demo waren am Samstag vom Veranstalter rund 1000 Teilnehmer angekündigt worden, am Ende sprach die Polizei aber von rund 17.000 Menschen. Angesichts der Menge habe man die Route zwischen Hauptbahnhof und Johannes-Rau-Platz (unterhalb der Kniebrücke) geändert, der Marsch ging nicht über die Kö. Laut Einschätzung der Polizei verlief die Demo weitgehend friedlich. Am frühen Abend versammelten sich auf dem Burgplatz rund 500 Frauen und Männer zu einer Mahnwache, um ihre Solidarität mit Israel zu bekunden. Für jedes der mehr als 1400 Opfer der Hamas-Attacke am 7. Oktober wurde eine Kerze angezündet.
 
Bilderrätsel

Diese beeindruckende Skulptur zeigt das Wappentier des deutschen Staates, den Adler. In einer so imponierenden Pose ist er allerdings sonst eher selten zu sehen, und in Düsseldorf ist dieses Monument einmalig. Will man es entdecken, muss man allerdings den Kopf in den Nacken legen. Das hat Andreas Endermann getan, mit Kamera. Wo befindet sich der Vogel? Wenn Sie es wissen, schreiben Sie mir unter [email protected].
Unter den korrekten Zusendungen verlosen wir die Teilnahme an unserer True-Crime-Stadtführung für zwei Personen, die regelmäßig samstags von 11 bis 13 Uhr stattfindet.
 
P.S. Neulich war ich in einer Pizzeria, die von einem großartigen Ehepaar aus Indien betrieben wird. Die Herkunft erwähne ich, weil ich damit ein Unding erkläre, das ich auf ihrer Karte fand: Spaghetti Carbonara mit Sahne und Schinkenstreifen. Ob dieses Gericht Carbonara heißen darf, haben mein Kollege Christian Herrendorf und ich per Kochduell zu klären versucht. Hier ist unser Bericht dazu.
 
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