Jeudi, 15. Septembre 2022
 
+ Vallourec und die Grundstücksfrage + Die Dürre und mögliche Abhilfen + Empfehlungen: Gänseessen im Stahlwerk, Konzert im Friseursalon, Bowie im Kino +
 
  
Guten Morgen ,

in den Diskussionen um die Schließung von Vallourec in Rath spielt das Grundstück eine große Rolle – und das gleich auf mehreren Ebenen: Die Geschäftsleitung hat in den Verhandlungen mit Gewerkschaft und Betriebsrat immer wieder erklärt, dass die Summe, die für den Sozialplan zur Verfügung steht, davon abhängt, wie viel das Unternehmen durch den Verkauf des Grundstücks einnimmt. Für ein Industriegelände steht ein geringerer Preis zu erwarten als für ein Gewerbegebiet oder eine Fläche, auf der Wohnungen gebaut werden dürfen. Durch die Verknüpfung mit dem Sozialplan baute Vallourec Druck in der Hoffnung auf, die Stadt würde zulassen, dass das Industriegebiet auch anderweitig angeboten werden darf.
Die Verhandlungen über den Sozialplan stockten deshalb im Sommer. Vallourec wollte abwarten, wie sich die Grundstücksfrage entwickelt, Gewerkschaften und Betriebsrat machten deutlich, dass die Arbeitnehmer:innen nicht warten können. Vor Ort kam man kaum voran, der Durchbruch gelang, als der Betriebsratsvorsitzende Vilson Gegic in die Vallourec-Zentrale nach Paris fuhr und dort mit der obersten Führungsetage verhandelte. Das Ergebnis liegt nun vor: ein Eckpunkte-Papier, das erstaunlich gute Zusagen für die Belegschaft enthält. So werden für die Abfindung zum Beispiel die Jahre der Betriebszugehörigkeit nicht wie üblich mit dem Faktor 0,5 berechnet, sondern mit dem Faktor 1,25.
Das Grundstück spielt nur noch eine Nebenrolle: Wenn Vallourec es verkauft und dabei eine bestimmte Summe übertrifft, dann erhalten die Beschäftigten einen Anteil. Die IG Metall spricht von einem „dynamischen Zusatzbetrag“.
Interessant wird nun wieder, wie die politische Diskussion weitergeht. Der Stadtrat hatte mit großer Mehrheit beschlossen, das Gelände für produzierendes Gewerbe erhalten zu wollen. Am deutlichsten vertritt die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens diese Position. Sie hat uns in der Redaktion besucht und intensiv mit mir diskutiert. Sie argumentiert, dass Industriegebiete, die man einmal aufgibt, nicht zurückkommen und auch an anderer Stelle in der Stadt nicht neu entstehen. Industriegebiete seien für die Stadtplanung aber immens wichtig, weil nur dort gute Industrie-Arbeitsplätze möglich sind und auch Zuliefer- oder Handwerks-Betriebe im Umfeld davon profitierten. Deshalb hofft Zanda Martens, dass der Stadtrat bei seiner Meinung bleibt und zudem künftig eine aktive Rolle spielt, um neue Industrie-Unternehmen dort anzusiedeln. Das A und O sei dabei die Kontrolle über das Gelände. Auch Zanda Martens sprach sich für Wohnungsbau aus, aber eben nicht auf dem Vallourec-Grundstück.
Ich bin aus verschiedenen Gründen anderer Ansicht. Ich meine, dass das oberste Ziel das bestmögliche Ergebnis für die Menschen sein muss, die in Rath ihren Arbeitsplatz verlieren, und das hängt auch immer noch ein Stück vom Verkaufspreis des Grundstücks ab. Und ich halte die Annahme, dass man die gesamten 900.000 Quadratmeter als Industriegebiet erhalten kann, nicht für realistisch. Das Gebiet grenzt in einigen Teilen an Wohnhäuser, mindestens dort kann ich mir keine neue Industrie vorstellen. Und offenbar gibt es auch keinen Interessenten, der 90 Hektar Industriegebiet braucht, sonst wäre dieser Interessent inzwischen wohl aufgetaucht. Damit droht – ganz oder in Teilen – eine Industriebrache. Die wiederum kann man vermeiden, wenn man das Gebiet in einer neuen Mischung denkt, mit Industrie, Gewerbe und Wohnungen. Das würde auch zum bestmöglichen Ergebnis für die Noch-Angestellten führen.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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