Montag, 30. Mai 2022
 
+ Bücherbummel auf der Kö: hingehen, stöbern, lesen, kaufen + Leben statt Autos auf den Straßen + Sehens- und vor allem hörenswert: die Jazz-Rally +
 
  
Guten Morgen ,

wer ab Donnerstag über die Kö zum Bücherbummel geht, wird feststellen, dass trotz Kindle und Hörbüchern, Podcasts und anderen digitalen Medien das gedruckte Buch keineswegs tot ist. Im Gegenteil: Die Zahl der Menschen mit einer Affinität zu raschelndem, duftendem Papier in der Hand ist nach wie vor hoch. Ein vor rund 20 Jahren auf der Frankfurter Buchmesse avisierter Tod des Buchs hat nicht stattgefunden, im Gegenteil – es ist lebendiger denn je. Meine Kollegin Anne Florack hat vor ein paar Tagen hier anlässlich des Bücherbummels bereits ihre Gefühle für Literatur beschrieben. Für mich war das einmal mehr die Bestätigung, nicht allein zu sein mit meiner sehr besonderen Beziehung zu Büchern jeder Art. 
Seit frühester Kindheit lebe ich mit ihnen. Einige habe ich x-mal gelesen, was man ihnen auch ansieht. Für mich ist Simone de Beauvoirs "Alle Menschen sind sterblich" immer noch unerreicht, vor allem das Ende. "Der Herr der Ringe" ist unfassbar komplex, und Harry Potter hat mich vor allem beim zweiten Lesen aller Bände nacheinander sprachlos gemacht. Karl May habe ich als Erwachsener nach Jahrzehnten nochmals geschmökert um festzustellen, dass der Mann zwar ein großes Erzähltalent hatte, aber vor allem ein Rassist und Angeber war. "Der Name der Rose" war auch beim dritten Anlauf unlesbar, für Stuckrad-Barre bin ich vermutlich zu alt, und alle bisher versuchten Düsseldorf-Krimi-Autoren halte ich für gänzlich talentfrei.
Seit einiger Zeit schätze ich zwar das Federgewicht eines Kindle, das mir auf Reisen die früher vielen Kilos mitgeschleppten Lesefutters erspart, aber ich nutze das handliche Gerät daheim ausschließlich für literarische Durchschnittskost, zu lesendes Fastfood sozusagen. Ab und zu flott weggeputzt und meist auch schnell vergessen, ist der Kindle dafür die richtige Plattform. Aber dann gibt es da noch die anderen Bücher, jene, die ich nicht nur lesen, sondern auch besitzen und um mich haben möchte. Sie sind Freunde, irgendwann in die Jahre gekommen, aber immer wieder für ein Treffen mit neuen Eindrücken gut. Wie eine alte Liebe eben.
Einige von denen habe ich beim Bücherbummel auf der Kö gekauft. Manche für lächerlich geringe Preise, und daheim habe erfreut die Beute gesichtet, die ich dort machte. Wobei ich für diesen Bummel immer viel Zeit einplanen muss, weil ich mich oft festlese. Mitten im dichtesten Gedränge tut das Buch dann das, was ein gutes Buch immer tut: Es öffnet die Leinwand des Kinos im Kopf und lässt jedes Drumherum vergessen. Der Mensch wird zum Steh-Leser!
Ich fand dort beeindruckende Biographien wie Stefan Zweigs „Marie Antoinette“. Oder ein mindestens 50 Jahre altes Büchlein mit wunderbaren (und irritierend aktuellen) Texten von Seneca („Vom wahren Leben“, drei Euro). Voller Spott zeigte mir ein Kollege meinen in den 1990er Jahren gemachten Bildband übers Bergische Land auf dem Grabbeltisch. Und viel Spaß hatte ich, als ich mit der Mundart-Autorin Monika Voss im Dialog „Asterix und Obelix“ auf Düsseldorfer Platt vorlas. Wir beide waren begeistert, und unsere Zuhörer auch.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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