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Guten Morgen ,
Christoph Schlingensief war einer der wichtigsten deutschsprachigen Künstler seiner Zeit. Ihn und Kunstsammlerin Julia Stoschek verband eine langjährige Freundschaft, die von einem intensiven Austausch über Schlingensiefs Projekte begleitet wurde. Bis Sonntag haben Sie noch die Möglichkeit, die Ausstellung „Christoph Schlingensief. Message in a Bottle“ in der Julia Stoschek Collection an der Schanzenstraße 54 zu besuchen. Zu sehen ist dort auch jene Arbeit, die der Ausstellung ihren Titel verleiht und die ich mir seit Jahren anschauen möchte. Wer neben VierNull auch den "biograph" und darin zufällig meine Ouvertüre liest, hat in der aktuellen Ausgabe vielleicht mitbekommen, dass Kunst für mich in einer noch gar nicht so weit zurückliegenden Phase lebensrettend war. Ich las in jener Zeit Schlingensiefs „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!“ - das Tagebuch aus dem Stadium, als sein Tod näherrückte. „Message in a Bottle“ war 2008 ein Geschenk Schlingensiefs an Stoschek anlässlich ihrer zweiten großen Sammlungspräsentation NUMBER TWO: FRAGILE. Es besteht aus einem Holzrahmen und darauf verschraubten Plexiglasplatten, zwischen denen sich eine Postsendung befindet. Was der Brief enthält, bleibt ungewiss, denn um das zu erfahren, müsste das Objekt aufgebrochen und zerstört werden. In einem Interview sagte Stoschek: „Das werde ich niemals tun.“
Aushalten, dass etwas ungesagt und ungelesen bleibt. Ein Versprechen halten. Trotz Neugier ein ewiges Ausrufezeichen hinter ein Fragezeichen setzen. Ich glaube, das ist stabile Freundschaft. Als meine längste Freundin Lena gestern 40 Kilometer nach Düsseldorf fuhr, um mir dabei zu helfen, ein wunderhässliches altrosa Samtsofa in meine Wohnung zu schleppen, habe ich ihr davon erzählt. „Aha“, sagte sie. Dieses Aha kenne ich. Es ist die freundliche Version von: Wen interessiert’s? Lena ist Zimmerin, irre geschickt und mit viel Mut zum Tun ausgestattet. Wir lernten uns kennen, da war ich gerade 32 Tage alt. Ihre einzigen Museumsbesuche waren die, zu denen ich sie zwang (keine Sorge, hab' damit aufgehört). Als wir das Sofa über die Straße trugen, wollte sie es durch einen schmalen Spalt zwischen zwei teuren Autos schieben. Ich sagte: „Das passt nicht.“ Sie sagte: „Vertrau mir.“ Ich: „Okay." Es passte. Nicht jede Freundin muss einen ungeöffneten Brief ausstellen. Manchmal reicht auch sowas.
Besuchen können Sie die Ausstellung übrigens heute bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Weitere Informationen gibt es hier.
Danke, dass Sie Ihrer persönlichen Lena heute mal sagen, wie wertvoll sie ist. Und Danke, dass Sie VierNull lesen
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