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einmal im Jahr blickt die Welt der organisierten Feinschmecker auf einen Verlag namens Michelin. Ja, der hat auch was mit Reifen und einem dicken Männlein aus Gummiringen zu tun. Wirklich berühmt aber wurde er wegen eines Buchs, das Guide Michelin heißt und in dem alle jene aufgelistet sind, die am Herd als echte Künstler gelten. Sind sie gut, bekommen sie einen Stern, sind sie sehr gut, gibt es zwei, und drei Sterne werden verliehen, wenn sie in die Champions League aufgestiegen sind.
Das hat in Düsseldorf bisher nur Jean-Claude Bourgueil geschafft, mit seinem Restaurant Im Schiffchen in Kaiserwerth. Zurzeit hat er nur noch einen. Außer ihm wurden nun neun weitere Köche und eine Köchin ausgezeichnet, die Landeshauptstadt hat also zehn solcher Ausnahmetalente. Die hatte sie voriges Jahr auch schon, es gab allerdings einen Wechsel. "Fritz's Frau Franzi" verlor den seinen, weil Koch Benjamin Kriegel das Haus verließ und ins "Pink Pepper"des Steigenberger Parkhotels wechselte. Dort soll er, so schnell es geht, wieder einen Stern holen. Den neuen Stern für Düsseldorf holte das "Phoenix" im Dreischeibenhaus mit Philipp Wolter.
Das Besondere an der Liste der Top-Adressen: Es sind viele junge Leute darauf. Was der Guide Michelin offenbar auch berücksichtigt und sich mit allzu euphorischen Belobigungen (zwei oder gar drei Sterne) noch zurückhält. Ausgezeichnet wurden außerdem: „1876 Daniel Dal-Ben“, „Agata's“, „Berens am Kai“, „Dr. Kosch“, „Im Schiffchen“, „Le Flair“, „Nagaya“, „Setzkasten“ sowie das „Yoshi by Nagaya“. In allen Beurteilungen ist die Tonlage klar: Man lobt das Engagement und die Fantasie am Herd und sieht Potenzial für eine köstliche Zukunft.
Das wiederum hätte vor wenigen Jahren kaum einer für möglich gehalten. Als die alte Garde der Top-Köche nach und nach den Löffel abgab (sorry, dieser Kalauer musste jetzt sein), wurde die Sterne-Küche insgesamt flugs für tot erklärt. Weil in den meist sehr teuren Restaurants auch die Kunden ihre Damastserviette final zusammenknüllten. Der damals typische Gast für die Top-Adressen war betagt, gut betucht, legte Wert auf sehr formales Ambiente und hatte hohe Ansprüche an Interieur und Blumenbukett im Vorraum zum Damenklo. Dann verdarben verschärfte Complianceregeln den Appetit auf Hummer, Kaviar und Co. Große Gelage auf Firmen- oder Fiskuskosten wurden immer schwieriger zu rechtfertigen, einer neuen Generation von Managern stand eh nicht mehr der Sinn nach mittäglichem Business-Lunch mit Aperitif und schwerem Rotwein zum Sechs-Gänge-Menü aus Süppchen von und Sößchen an.
Aber der Rückgang war nur eine Delle, und selbst die war weniger tief als befürchtet. Neue Köche wuchsen heran - und eine dazu passende, am Genuss orientierte Klientel ebenfalls. Auf der einen Seite gibt es das so noch nie gekannte kunstvolle Kochen, auf der anderen Seite die Kundschaft, die das goutiert und auch bezahlen kann und will. Frauen und Männer mit deutlichen Vorstellungen dessen, was sie essen wollen und bezahlen können. Gänseleber kommt nur dann auf den Teller, wenn sie aus tiergerechter Haltung stammt, man mag den Gedanken, dass das innen noch blutige Filet mal Teil eines glücklichen Rindes auf Wiesen der Nachbarschaft war. Immer mehr Hotels und Restaurants pflegen daher einen engen Draht zu Lieferanten aus dem nahen Umland. Vorbei sind die Zeiten des „prätentiösen Nouvelle-Cuisine-Scheiß“ (Zitat aus Kir Royal). Angesagt ist oft Althergebrachtes wie Roulade mit Püree, aber nach heutigen Rezepten geschmort und aus Bio-Kartoffeln erstellt. Ganz klar: Die junge Garde kocht und mag es deftig.
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